Der Brexit fordert Opfer auch von den europäischen Bauern. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger machte am Montag in Brüssel bei einer Konferenz zur „Zukunft der EU-Finanzen“ deutlich, dass auch die EU-Agrarförderung auf dem Prüfstand stehe und Kürzungen unvermeidlich seien.
Die EU stehe vor einer doppelten Herausforderung, einer Einnahmelücke und einer Ausgabenlücke zum Ende des Jahrzehnts. „Als Folge der Einnahmelücke nach Ausscheiden unserer britischen Freunde und nach einer Übergangsphase werden uns zum Ende des Jahrzehnts strukturell elf bis 15 Milliarden Euro jährlich fehlen. Diese Lücke müssen wir decken“, sagte Oettinger. Um die zu erwartende Einnahmelücke zu decken, schlägt der deutsche EU-Kommissar vor, die Mindereinnahmen zu 50 Prozent durch Kürzungen und zu 50 Prozent aus frischen Haushaltsmitteln aus den Mitgliedsstaaten zu bestreiten.
„Daneben haben wir auch eine Ausgabenlücke, weil neue Aufgaben auf die EU zukommen, wie der Grenzschutz, Kampf gegen Terrorismus, Migration und Verteidigung.“ Auch bei den Mitteln für Forschung gebe es einen steigenden Bedarf. „Dies summiert sich auf weitere acht bis zwölf Milliarden Euro pro Jahr“, rechnete Oettinger vor. Die Ausgabenlücke müsse durch neue Mittel finanziert werden. „Wir brauchen fresh money“, so Oettinger. Die EU-Kommission werde mit einer „spending review“ alle Programme des EU-Haushaltes kritisch überprüfen.
Agrarförderung und Forschungsmilliarden kommen auf den Prüfstand
Von Agrar über Kohäsion, von Forschung über Connect Europe bis hin zum Investitionsförderprogramm, dem sogenannten Junckerplan, komme alles auf den Prüfstand. Bei allem werde die Frage nach dem europäischen Mehrwert gestellt. „Wo können wir vereinfachen, wo können wir modernisieren, wo können wir Bürokratie reduzieren“ heiße die Losung. „50 Prozent Einsparungen und 50 Prozent fresh money könnte ein fairer Mittelweg sein“, so Oettinger. „Ich will auch ein gutes Wort für die Agrarförderung einlegen“, versprach er. Seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Jahre 1958 bis hin zum gemeinsamen Agrar-Binnenmarkt habe sich die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bewährt. „Die Förderung der europäischen Landwirtschaft ist eine europäische Aufgabe und nicht eine Sache von 27 unterschiedlichen nationalen Politiken“, betonte Oettinger. „Dies sollten wir beibehalten. Die Gemeinsame Agrarpolitik und auch die beiden Säulen haben sich bewährt“, betonte er.
Ländliche Räume dürfen nicht Ausbluten
Angesichts einem anhaltenden Trend zur Verstädterung in den Metropolen, müssten die ländlichen Räume erhalten werden. “Damit unsere ländlichen Räume nicht ausbluten und in unseren ländlichen Räumen weiterhin die Einrichtung von Schulen, Einkaufen, Sparkassen und Banken gesichert werden, sowie die Lebensqualität durch Bildung, und die Betreuung der alten Menschen möglich ist, müssen wir die ländliche Räume stärken“, sagte Oettinger. Damit die Sogwirkung in die großen Metropolen Paris London, Warschau und Berlin und anderen Städten nicht zu stark würden, sei es zwingend die Attraktivität des ländlichen Raumes „für unsere Kinder und Enkelkinder zu erhalten“, sagte er und trat für eine stärke Stützung des ländlichen Raumes im kommenden EU-Finanzrahmen (2021-20128) ein, der 70 Prozent der EU-Flächen ausmacht.
Ein Text von Thomas A. Friedrich, Brüssel