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Omira-Übernahme: Noch viele Fragen offen

Trotz der großen Mehrheit für den Notverkauf ihrer Molkerei an Lactalis ist die Stimmung unter den Omira-Mitgliedern aufgeheizt. Viele fragen sich: Wird es jetzt wirklich besser? Eine Bestandsaufnahme von Silvia Lehnert für top agrar Südplus 4/2017: Bei einer Zustimmung von 97,8 

Lesezeit: 7 Minuten

Trotz der großen Mehrheit für den Notverkauf ihrer Molkerei an Lactalis ist die Stimmung unter den Omira-Mitgliedern aufgeheizt. Viele fragen sich: Wird es jetzt wirklich besser? Eine Bestandsaufnahme von Silvia Lehnert für top agrar Südplus 4/2017:


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Bei einer Zustimmung von 97,8 % könnte man meinen, dass die Omira-Mitglieder weitgehend geschlossen hinter der Übernahme ihrer Molkerei durch den französischen Konzern Lactalis stehen.


Doch weit gefehlt. Hinter den Kulissen brodelt es gewaltig: Im Raum Ansbach kündigten zum 30. Juni erneut etliche Milcherzeuger, Liefergenossenschaften drohen zu zerfallen und mehrere Aufsichtsräte sind bereits zurückgetreten oder haben es noch vor. Die Basis ist tief verunsichert, zumal zum Verkauf und zur Zukunft der größten Molkerei in Baden-Württemberg noch viele Fragen offen sind. Die Wichtigsten:


Warum stagniert der Milchpreis?

 

Das ist derzeit die drängendste aller Fragen für die Lieferanten, die gegenüber ihren Nachbarn seit über zwei Jahren mit 3 bis 5 ct/kg weniger Milchgeld auskommen müssen (siehe Südplus 1/2017). Bis zur Spitze in der Region – der Milchverwertung Ostallgäu in Rückholz – fehlten im Mai sogar 7,5 ct!


Dass es erst ab September mit den Preisen aufwärts gehen soll, obwohl sich der Markt für sämtliche Verwertungen – auch für Pulver – inzwischen deutlich erholt hat, ist für die Milchbauern unverständlich. „Das erste bessere Milchgeld kommt am 15. Oktober. Bis dahin gehen uns weiterhin Unsummen verloren“, klagen die Erzeuger. Aus gut unterrichteten Kreisen ist zu hören, dass Lactalis darauf gedrängt haben soll, dass der Milchpreis erstmal unten bleibt.

 

Will Lactalis Milch loswerden?


 

Durch den niedrigen Milchpreis entsteht bei den Mitgliedern der Eindruck, dass die neue Geschäftsführung weitere Kündigungen provozieren und den Anteil an Eigenmilch noch stärker reduzieren will als bisher.

Schon 2017 ist die jährliche Verarbeitungsmenge bei Omira von ehemals 822 Mio. auf 750 Mio. kg gefallen. Nach unbestätigten Berichten sollen zum Jahresende 2018 weit über 100 Mio. kg Milch in Kündigung sein. 



Wer sucht noch Milch?


Die Kündigungswelle rollt wohl auch deshalb so stark, weil die Landwirte in der Region im Moment wenig Probleme haben, bei einer anderen Molkerei unterzukommen. Entlang der Autobahn A 7 zwischen Würzburg und Kempten suchen etliche Unternehmen Milch (Übers.1).


Harter Wettbewerb um den Rohstoff: Etliche Nachbarmolkereien hoffen auf die Milch von unzufriedenen Omira-Lieferanten.


Besonders intensiv um die 65 Mio. kg der ehemaligen Bezirksmolkerei Ansbach bemüht sich die Hohenloher Molkerei in Schwäbisch Hall. Die Milchwerke Schwaben in Ulm, die Schwarzwaldmilch in Freiburg und die Milchverwertung Ostallgäu nehmen ebenfalls neue Lieferanten auf.


Im Raum Neuburg gibt es neben Gropper und Zott bei der Goldmilch in Ingolstadt-Thalmässing gute Chancen unterzukommen, weil durch den Strukturwandel jedes Jahr Milch wegbricht.

 

Welcher AMI-Preis ist gemeint?

 

Fest steht offenbar, dass Lactalis mindestens bis Ende 2027 einen Milchpreis auf dem Niveau des AMI-Durchschnittspreises in Bayern bei einer Jahresanlieferung von 150 000 kg garantieren will, zuzüglich der Omira-Zuschläge für die individuelle Menge (0,01 ct pro 1 000 kg) und für GVO-freie Erzeugung (1 ct/kg).

Im Gespräch ist aktuell, die Milchpreise alle drei Monate mit Lactalis zu verhandeln und den Rückstand zum AMI-Bayern-Schnitt am Jahresende mit einer Nachzahlung auszugleichen. Die Preisgarantie gilt übrigens nur für insgesamt 800 Mio. kg. Übermengen sollen nach dem AMI-Deutschland-Schnitt bezahlt werden.

In Frankreich hält sich Lactalis beim Milchpreis an das Niveau der Wettbewerber und gehört nicht zu den Spitzenauszahlern. In den letzten fünf Jahren lag der Konzern-Milchpreis meistens unter dem AMI-Durchschnitt für Bayern. In den Jahren 2013 und 2014 zahlte Lactalis schlechter aus als Omira.

 

Gibt es weiterhin zwei Preise?

 

Die unterschiedlichen Milchpreise innerhalb des Unternehmens haben die Omira-Bauern gespalten. Zuletzt erhielten Lieferanten mit Alpenmilchverträgen offenbar 4,92 ct/kg Milch mehr als die anderen, weil der Omira-Basispreis 4 ct/kg unter dem von der LfL berechneten Durchschnittspreis für Bayern lag! Die Alpenmilch-Erzeuger konnten sich 2016 zudem über eine satte Nachzahlung von 4 ct freuen. Der Rest ging leer aus. Kein Wunder, dass diese Landwirte sauer sind.


Laut Omira-Geschäftsführung sollen die Alpenmilch-Verträge mit Mondelez bis 2020 weiter geführt werden. Das heißt, auch künftig gibt es zwei verschiedene Milchpreise innerhalb einer Genossenschaft. Wenngleich die Unterschiede geringer werden dürften. Nach Aussage des Genossenschaftsverbandes Baden-Württemberg seien unterschiedliche Milchpreise zwar möglich, allerdings müsse dafür eine sachliche Begründung, wie zum Beispiel ein Unterschied in der Qualität der Milch oder in der Absetzbarkeit der Produkte, vorliegen.


Lactalis zahlt seinen französischen Lieferanten, die ihre Milch in einer Region an einen Standort liefern, in der Regel den gleichen Preis. Historisch bedingt können einzelne Erzeugergruppen aber noch andere Preise erhalten. 

 

Kann man den Verträgen trauen?

 

In einem volatilen Milchmarkt, in dem über kürzere Kündigungsfristen und die Abschaffung der Andienungspflicht diskutiert wird, machen Verträge mit einer Laufzeit von zehn Jahren und einer Preisbindung stutzig. „Eine Vertragslaufzeit von zehn Jahren passt nicht in die Zeit und ist daher kritisch zu hinterfragen“, sagt Dr. Hans-Jürgen Seufferlein vom Verband der Milcherzeuger in Bayern (VMB).


Hinzu kommt die Frage, ob solche Verträge vom Kartellrecht gedeckt sind. Denn erst kürzlich haben die Wettbewerbshüter langfristige Verträge und Preise auf Basis eines Durchschnitts kritisiert.


In Frankreich hat Lactalis bei der Übernahme der Molkerei Unicolait in Saarburg an der Mosel im Jahr 2006 den Lieferanten ebenfalls Verträge mit einer Laufzeit von zehn Jahren angeboten. Die Verträge wurden zwar eingehalten, die Molkerei danach allerdings eingestampft und die Rohmilch an einem anderen Standort verarbeitet.

 

Was ist mit Sonderkündigungen?

 

Weil die Omira Oberland-Milchlieferverwertungs GmbH und die bisherigen Lieferverträge bestehen bleiben, haben die Genossen im Zuge der Übernahme nach derzeitigen Informationen kein Sonderkündigungsrecht. Die alten Kündigungsfristen gelten weiter. Lactalis soll die Lieferverträge vor Ablauf der zehnjährigen Laufzeit ihrerseits allerdings nicht kündigen können. Die GmbH bleibt in der Hand der Erzeuger und ist für die Beschaffung und die Verwaltung der Rohmilch zuständig. Sie verkauft ihre Milch selbstständig an die Lactalis-Gruppe, die den operativen Geschäftsbetrieb – die neu zu gründende Omira Industrie GmbH – vollständig übernehmen will.   

 

Wie viel Geld gibt es zurück?

 

Als Kaufpreis werden 27 Mio. € genannt. Für die volle Auszahlung der Geschäftsanteile wären davon rund 25 Mio. € nötig. Da laut Experten noch Kosten für die Abwicklung, d. h. für Steuern, Anwälte, Wirtschaftsprüfer und Übersetzer, zu veranschlagen sind, bezweifeln viele Mitglieder die Zusage, dass sie einen Großteil ihres Geldes wiedersehen.


Ernst Herzog, Mitglied im Aufsichtsrat und Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft Neuburger Milchwerke eG, ist zumindest sicher, dass seine Bauern Ende 2018 ihre Geschäftsanteile vollständig ausbezahlt bekommen: „Wir sind eine vermögende Genossenschaft und können den fehlenden Rest ausgleichen“, sagt er. Auch Vertreter der Bezirksmolkerei Ansbach eG (BEMA) sind überzeugt, in 18 Monaten ca. 2,1  Mio. € an die Mitglieder auszahlen zu können.

 

Was passiert mit der Marke?

 

Lactalis wird in Zeiten, in denen der Verbraucher auf regionale Produkte Wert legt, nicht wie Arla den Fehler begehen, die in der Region beliebte Marke „Omira-Milch“ einzustampfen.  


Ob die Omira-Marke allerdings noch „deutlich mehr Potenzial“ hat als bisher, wie der Sanierer Ralph Wonnemann versprach, bezweifeln Branchenkenner. „Das Gebiet Oberschwaben und Bodensee ist eine zu kleine Region für den Aufbau einer starken Regionalmarke, in der auch eine gewisse Menge abgesetzt werden kann“, sagt Dr. Seufferlein. 

 

Geht Neuburg an Lactalis?

 

Ob der Standort im bayerischen Neuburg an der Donau – eine 100 %ige Omira-Tochter, an der die Neuburger Erzeugergemeinschaft 40 % hält – im Rahmen eines Optionsvertrages an Lactalis verpachtet wird, ist alles andere als sicher. Insider berichten, dass auch ein Verkauf an eine interessierte Molkerei aus der Region zur Diskussion steht.  

 

Künftig weniger Mitsprache?

 

Dass die Genossen künftig weniger Mitspracherechte haben, ist klar. Schließlich haben sie ihre Molkerei verkauft. Viele befürchten allerdings, dass sie über wichtige Konzernentscheidungen nicht ausreichend informiert und ihre Anliegen in der Lactalis-Zentrale im fernen Frankreich nicht gehört werden.

Diese Ängste der Bauern sind nicht abwegig, zumal der Konzern für seinen eher ruppigen Umgang mit den Milcherzeugern bekannt ist.   

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