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PR-Berater halfen Milchbauern aus Defensive: Die wichtigsten Schritte

„Baustopp, Telefonterror, Anzeige wegen Nötigung. Niemals hätten wir gedacht, dass wir uns einmal in dieser Situation wiederfinden!“ Das sagte uns im September 2016 Junglandwirt Knud Grell aus Duvensee, einem Ort mit 550 Einwohnern zwischen Hamburg und Lübeck.

Lesezeit: 7 Minuten

„Baustopp, Telefonterror, Anzeige wegen Nötigung. Niemals hätten wir gedacht, dass wir uns einmal in dieser Situation wiederfinden!“ Das sagte uns im September 2016 Junglandwirt Knud Grell aus Duvensee, einem Ort mit 550 Einwohnern zwischen Hamburg und Lübeck.


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Der 28-Jährige war gerade in den elterlichen Milchviehbetrieb eingestiegen und sah sich direkt mit etlichen Problemen konfrontiert: Enge Dorflage, ambitionierte Ziele zur Stallerweiterung, bereits erfolgter Baustopp, eine Reihe von Missverständnissen. Die Familie Grell war ratlos, wie man wieder Bewegung in die festgefahrene Nachbarschafts-Situation bringen könnte. Deshalb bewarb sich Knud beim top agrar-Projekt „Starke Bauern. Starkes Image“ (Zur Homepage) und gewann den Zuschlag: Die Kommunikationsagentur „Die Jäger von Röckersbühl“ entwickelte mit der Familie ein Konzept.


Schritt 1: Ist-Situation (Februar 2017)


Am Anfang stand eine Bewertung der eigenen Ist-Situation und die Definition konkreter Ziele mit einer sogenannten Stärken-Schwächen-Analyse (SWOT): Welche Schwächen und Stärken hat der Betrieb? Welche Chancen und Risiken ergeben sich daraus?



Aus dieser SWOT-Analyse definierte Kommunikationsexperte Martin Dess konkrete Ziele für das Projekt. An erster Stelle stand, den Frieden im Dorf zu sichern. Die Kommunikation sollte offener sein, wofür klare Regeln nötig sind: Wann und wie werden Nachbarn informiert? Wie können Landwirt und Nachbarn in einen Dialog treten und mehr Verständnis füreinander entwickeln?

 

Ein Ergebnis war, dass Grell zu schüchtern war und wenig mit den Nachbarn kommunizierte. Ein Fehler sei außerdem oft, dass voreilig Schlüsse gezogen werden, meint Dess. „Genau das ist die Achillesferse der Landwirtschaft: sofort handeln, ohne groß nachzudenken“. Viel wichtiger sei es, inne zu halten und sich in die Haut der Anderen hineinzuversetzen. „Zu jeder Geschichte gibt es zwei Seiten. Wichtig ist, beide zu hören“, sagt Dess, weshalb Schritt 2 so wichtig ist.


Schritt 2: Blick von außen (März 2017)


Die Fachleute der Agentur warfen nun einen kritischen Blick von außen auf den Betrieb. „Was kommuniziert mein Hofbild nach außen? Was denken die Nachbarn über mich?“, waren beispielsweise Fragen. Knud Grell erfuhr, dass ein gepflegter, aufgeräumter Hof bei Nachbarn und potenziellen Kunden für ein positives Gefühl sorgt. Ordnung strahlt Liebe zum Detail aus. Sie signalisiert: Wir wertschätzen unseren Hof, wir wertschätzen unsere Tiere und die Umwelt. Zusammen mit der Agentur entwickelte Grell ein Ordnungskonzept, das künftig auch die Arbeit optimieren soll.



Ein Gespräch mit den Nachbarn zeigte den Beratern dann, wo die Ursachen des Zwistes liegen: Die Landmaschinen seien zu groß und es gab Missverständnisse beim Stall-Anbau. Ziel war, Familie Grell wieder mit den verärgerten Nachbarn ins Gespräch zu bringen. Bestenfalls ließe sich wieder ein dauerhaft gutes Verhältnis zueinander aufbauen. Doch Dess stellte damals auch klar: „Vorher muss der Betrieb Grell seine Hausaufgaben machen. Sie bilden die Grundlage, auf der eine gute Kommunikation überhaupt erst stattfinden kann.“


Schritt 3: Umsetzung des Ordnungskonzeptes (April bis Juni 2017)


Ordnung ist nicht nur Teil der Kommunikation, sondern ein betrieblicher Erfolgsfaktor. Daher ging es im April 2017 an die Umsetzung nach folgendem Plan:



a) Aufgaben strukturieren



b) Ableitung der Aufgaben daraus und Einteilung in Kategorien:

  • Reparaturen – wie lose Bretter oder ein kaputtes Hofschild
  • Unordnungsverursacher – wie unbefestigte Flächen, die Schmutz verteilen
  • Fehlende Strukturen – wie fehlende Ablage-Orte für Werkzeug oder Geräte
  • Direkt einsehbare Orte, die Unordnung kommunizieren – wie ungepflegte Blumenbeete an der Hofeinfahrt.
c) Anpacken


Bei einem großen Frühjahrsputz wurden die größten Verursacher von Schmutz oder Unordnung beseitigt. Schritt für Schritt ging es weiter, kleine Erfolge wie eine aufgeräumte Werkbank sorgten für Motivation.


d) Verantwortliche festlegen


Damit die Ordnung langfristig anhält, wurde für jeden Hof-Bereich ein Verantwortlicher festgelegt. Beispiel: der Azubi ist für saubere Siloplatten zuständig, der Melker sorgt für eine ordentliche Milchkammer.


e) In den Alltag einplanen


Ordnung muss fester Bestandteil des Arbeitsalltages sein. Deshalb sind feste Zeitpläne wichtig. Was ist täglich, wöchentlich, monatlich oder jährlich zu erledigen? Beispiel: Jeden Abend fegen wir die Siloplatten, jeden Freitag räumen wir die Werkstatt auf.


Weitere Optimierungen waren z.B. neue Mülltonnen, die das Aufräumen erleichtern, regelmäßige Putzaktionen und farblich markierte Werkzeuge an konkreten Plätzen.


Schritt 4: Video, Logo, Briefe, Homepage (Juli bis September 2017)


Im Sommer hat das top agrar-Team auf dem Hof Grell einen Imagefilm gedreht, der den Junglandwirt locker und authentisch vorstellt. Der Milchviehhalter nimmt die Zuschauer mit auf seinen Hof, führt durch seinen Alltag. Die Arbeit hat sich gelohnt. Wenige Minuten, nachdem das Video online ging, stand Knud Grells Handy nicht mehr still. Nicht nur Berufskollegen lobten das Video, auch viele Bekannte, die nicht aus der Landwirtschaft kommen, oder Unbekannte auf Facebook. Aktuell wurde es 5.454 Mal angesehen:



Anschließend ging es darum, dass der Betriebsleiter die Öffentlichkeitsarbeit in die eigene Hand nimmt. Er plante Logo, Hofschild, Homepage und einen Infotag. Martin Dess von den „Jägern“ sagt: „Ein Logo gibt dem Betrieb ein Gesicht. Es ist die Grundlage für eine Geschäftsausstattung, wie Briefpapier oder Visitenkarten, die jedes Unternehmen braucht.“



Erster Erfolg: Die Fachzeitschrift B&B Agrar, herausgegeben von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, berichtete in einem Online-Spezial ausführlich über die Kampagne.


Inzwischen ging Grell aktiv auf seine Nachbarn zu, um Verständnis für die eigene Arbeit zu vermitteln. Zwei Briefe hat die Familie bereits formuliert und an 230 Haushalte mit der Wochenzeitung verteilen lassen. Im ersten Brief erklärte sie sich und die Maßnahmen, die Belastungen für Anwohner minimieren sollen. Beispiel: die reduzierte Geschwindigkeit der Traktoren in den Orten. Die Milchviehhalter zeigten sich gesprächsbereit: „Habt Ihr noch Fragen, Anregungen oder Ideen? Sprecht uns gerne persönlich an oder schreibt uns eine E-Mail!“



Die neue Homepage www.grell-milch.de ging gleichzeitig an den Start. Mit Texten, Bildern und Video informiert die Familie hier über den eigenen Betrieb und die Landwirtschaft.


Schritt 5: Das Hoffest für die Nachbarn (September 2017)


Ein Hoffest war schon seit dem Frühjahr geplant. Ein Zeitplan und eine Checkliste strukturierten die nötigen Aufgaben. Im ersten Schritt definierte der Milchviehhalter die Ziele für das Fest. Er wollte nicht nur Spiel und Spaß bieten, sondern auch Infos – zur täglichen Arbeit, zu Milchproduktion und Landwirtschaft. So entstand ein Hof-Quiz mit 18 Fragen an sechs Stationen, das typische Verbraucher-Fragen locker aufgreift. Die Stationen waren über den Hof verteilt: Abkalbung, Fütterung, Melken, Kälber, Ackerbau und Betriebsleiter Familie. Das sollte die Besucher zu einem Rundgang und zum Fragenstellen animieren.

 

Mit Hof-Quiz, Live-Musik und Stroh-Burg plante der Landwirt ein lockeres Programm. Für das leibliche Wohl bestellte er einen Grill, Getränke-Wagen sowie Stände mit Kaffee, Kuchen und Eis. Info-Plakate, Flyer und Mal-Bücher stellten der Bauernverband und der Verein Information Medien Agrar (i.m.a.) zur Verfügung. Die Molkerei spendierte Kakao, Joghurt und Hüpf-Kühe.

 

Im August luden Grells dann zum Fest ein und verteilten Flyer an Nachbarn und Bekannte. In der Lokalzeitung schaltete die Landwirtsfamilie eine Anzeige. In einem Artikel berichtete diese dann über den Hof und das Fest. Und der Plan ging auf: Über 1000 Besucher kamen zum Fest. Einziger Kritikpunkt:  Zum Fest kamen vor allem Berufskollegen und weniger Verbraucher als erhofft.


+++ Zur Bilderstrecke des Hoffestes +++

 

Neuerdings ist auch der Dorf-Kindergarten regelmäßig auf dem Betrieb. Diese Hofführungen will Knud Grell zukünftig mehr anbieten, zum Beispiel auch für Schulklassen: „Kinder sind aufgeschlossen und die Verbraucher der Zukunft. Hier können wir viel erreichen.“


Schritt 6: Coaching (Dezember 2017)


Knud Grell traf sich mit Business-Coach Sylvia Mattheis in Hamburg und besprach Fragen wie „Wo stehst Du heute? Was möchtest Du in den nächsten fünf Jahren erreichen? Welchen unterschiedlichen Rollen musst Du auf dem Hof gerecht werden: Sohn, Bruder, Juniorchef, Nachbar, Kumpel …? Was macht Dich glücklich, was begrenzt Dich?"


Silvester 2017


Ein Jahr hat top agrar den Betrieb Grell begleitet. Das Resultat: Es sind viele Prozesse in Gang gekommen. Doch eine „Zauberformel“ für die perfekte Öffentlichkeitsarbeit gibt es nicht. Dafür sind Menschen und Umstände, Charaktere und Besonderheiten vor Ort zu spezifisch.


„Wir haben aber „Bausteine“ für eine gute Kommunikation gefunden. Sie wirken langsam und nachhaltig. Und: Sie verlangen den Landwirten absolute Offenheit und einen langen Atem ab. Bei unseren „starken Bauern“ geht es nun richtig rund – nach fast einem Jahr!“, sagt top agrar-Redakteurin Reingard Bröcker und verspricht, auch in den nächsten Monaten nachzuhaken, wie sich der Betrieb entwickelt.

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