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Pachtauflagen: Wo sind die Grenzen?

Zunehmend gibt es Pachtverträge, die dem Pächter konkrete Bewirtschaftungsvorgaben machen. Rechtsanwalt Hubertus Schmitte vom WLV in Münster zeigt rechtliche Grenzen und Verhandlungsstrategien auf.

Lesezeit: 7 Minuten

Zunehmend gibt es Pachtverträge, die dem Pächter konkrete Bewirtschaftungsvorgaben machen. Rechtsanwalt Hubertus Schmitte vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband in Münster zeigt rechtliche Grenzen und Verhandlungsstrategien auf.


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Ökologische Wirtschaftsweise, Glyphosatverbot oder der Ausschluss von Wirtschaftsdüngern – vor allem Kommunen und Kirchen machen in Pachtverträgen immer häufiger Bewirtschaftsauflagen.


Noch mehr „naturverträgliche Verpachtung“ auch bei privaten Verpächtern wollen jetzt Bundesumweltministerium und Bundesamt für Naturschutz über das Projekt „Fairpachten“ fördern. Das Finanzvolumen von 1,8 Mio. € dient dazu, Land-Verpächter zu beraten, wie sich per Pachtvertrag mehr Naturschutz auf den Flächen umsetzen lässt. Neben individueller Beratung soll dabei ein „Vertragsbaukasten“ mit Musterklauseln für den Pachtvertrag helfen, der für die Verpächter kostenlos ist.


Noch mehr Flächendruck


Für Landwirte sind diese neuen Entwicklungen mehr als bedenklich, denn der Flächenmarkt wird noch knapper.Verbieten z.B. Verpächter die Gülleausbringung, entstehen vielerorts hohe Entsorgungskosten. Dazu kommt die zusätzliche Organisationsbelastung. Man stelle sich vor, jeder Schlag hätte zusätzlich zu EU-Vorschriften und Naturschutzanforderungen nun auch noch jeweils unterschiedliche Pachtauflagen. Das ist für die Betriebe kaum noch umsetzbar.


Wie soll man also reagieren, wenn der Verpächter Auflagen festschreiben will? Gibt es rechtliche Grenzen? Wir haben Rechtsanwalt Hubertus Schmitte nach der rechtlichen Lage gefragt:


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Gesetzliche Vorgaben: An welche Vorgaben muss sich der Pächter per Gesetz ohnehin halten?


Schmitte: Selbst wenn nichts weiter vereinbart ist, etwa in einem mündlichen Pachtvertrag, kann ein Pächter mit dem Land nicht machen, was er will. Er ist per Gesetz „zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Pachtsache verpflichtet“ (§ 586 Abs. 1 Satz 3 BGB). Ordnungsgemäß bedeutet, dass er nach den einschlägigen technischen und wirtschaftlichen Regeln nachhaltig, substanzschonend und -erhaltend arbeiten muss.


Der Pächter muss die Ertragsfähigkeit erhalten. Konkrete Anforderungen ergeben sich beispielsweise durch Cross Compliance-Regelungen, die sich auf die Erhaltung der Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand beziehen. Damit ist ein hoher Boden- und Umweltschutzstandard gewährleistet.


Rechtliche Grenzen: Was darf ein Verpächter vorschreiben?


Schmitte:Grundsätzlich gilt Vertragsfreiheit, genaue Verpächtervorgaben sind also erlaubt. Der Pächter wird nicht geschützt, sondern muss selbst entscheiden, wo seine Leistungsfähigkeit endet.


Trotzdem gibt es Grenzen für mögliche Einschränkungen. Die Anforderungen sind aber hoch. Nichtig sind sittenwidrige Verträge, wie z.B. Knebelungsverträge. Hier schränkt ein Vertragspartner den anderen in seiner wirtschaftlichen Freiheit so sehr ein, dass dieser seine freie Selbstbestimmung im Wesentlichen einbüßt. Das wäre der Fall, wenn ein Verpächter sich z.B. Kontrollbefugnisse oder Eingriffsmöglichkeiten vorbehält und damit den Handlungsspielraum des Pächters übermäßig einschränkt, weil alle Handlungen mit dem Verpächter abzusprechen sind und der Pächter quasi nur noch der Verwalter ist.


Auch wenn der Verpächter bestimmte Vorgaben nicht nur auf der Pachtfläche, sondern auch auf anderen Betriebsflächen fordert, wäre ein Pachtvertrag unwirksam. Das kann z.B. der Fall sein, wenn der Verpächter ein Glyphosatverbot im ganzen Betrieb fordert, damit der Pächter eine Pachtfläche bekommt.


Formularverträge: Der BGH hat kürzlich über die Grenzen von Formularverträgen geurteilt. Was bedeutet der Richterspruch?


Schmitte:Vorformulierte Vertragsbedingungen, die in mehreren Verträgen zur Anwendung kommen sollen und dem anderen „gestellt“ werden, sind Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Diese sind unwirksam, wenn sie den anderen entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Das hat der BGH mit Urteil vom 24.11.2017 (Az.: LwZR 5/16) für Pachtverträge wieder bekräftigt.


Der Vertragsbaukasten von „Fairpachten“ fällt genau in diese Kategorie. AGB stellen diese Bedingungen bereits dar, wenn der Verpächter sie nur einmal verwenden will. Entscheidend ist, dass der Verpächter die Einbeziehung einer Klausel verlangt, ohne dabei dem Pächter eine Chance zu fairen Verhandlungen zu geben. Gegen solche AGB kann man sich rechtlich mit guten Chancen zur Wehr setzen. Sie sind z.B. unwirksam, wenn Klauseln unklar sind oder davon auszugehen ist, dass der Pächter die Klausel nicht versteht.


AGB sind aber auch dann unwirksam, wenn sie mit den wesentlichen Grundgedanken des zugrunde liegenden Gesetzes nicht vereinbar sind. Das Landpachtrecht enthält mit der Vorgabe der „ordnungsgemäßen Landwirtschaft“ bereits detaillierte Regelungen. Wird davon im Pachtvertrag durch AGB drastisch abgewichen, sind diese Abweichungen bzw. Zusatzbedingungen unwirksam. Das gilt z.B., wenn der Verpächter per AGB vorschreiben will, wie der Pächter in seinem übrigen Betrieb zu wirtschaften hat, etwa indem der Verpächter fordert, dass der Pächterbetrieb kleiner bleibt als 80 ha oder weniger als 2000 Mastschweine hält.


Verhandlungen: Wann gelten Bewirtschaftungsauflagen nicht als AGB und sind damit rechtlich wasserdicht?


Schmitte:Nur Individualvereinbarungen sind keine AGB. Dazu ist erforderlich, dass die Parteien über die Bedingungen verhandeln. Der Verpächter muss den Anteil, der über die Vorschriften des Gesetzes hinausgeht, ernsthaft zur Disposition stellen und dem Pächter Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner eigenen Interessen einräumen. Der Pächter muss die reale Möglichkeit haben, den Inhalt der Vertragsbedingungen zu beeinflussen.


Laufende Verträge: Könnte ein Verpächter auch in laufenden Verträgen Bedingungen einflechten?


Schmitte:Nein. Erst nach Auslaufen des Vertrages kann der Verpächter seine Wünsche durchsetzen. Bis dahin gilt der geschlossene Vertrag. Einvernehmliche Änderungen sind vorher natürlich möglich.


EU-Betriebsprämien: Wirken sich Pachtauflagen auf die EU-Betriebsprämien aus?


Schmitte:Nein, solange sie nicht mit den Cross-Compliance- und Greening-Vorschriften in Widerspruch geraten.


Alternativen: Was ist Landwirten zu raten, wenn der Verpächter Bedingungen vorschlägt?


Schmitte:Zunächst ist zu prüfen, ob die Fläche noch ins Betriebskonzept passt. So können Milchviehhalter mit extensivem Grünland meist wenig anfangen. Der Pachtpreis muss gegenüber einer Fläche ohne Auflagen deutlich reduziert sein. Weil der Verpächter rechtlich meist am längeren Hebel sitzt, sollten Sie das Gespräch suchen. Vielleicht ist es möglich, den Wunsch nach mehr Naturschutz so umzusetzen, dass der Betrieb besser damit leben kann. Ein Beispiel ist die Anlage von Hecken an der Feldgrenze statt eines Ackerrandstreifens.


Oder der Pächter verpflichtet sich zu Bewirtschaftungsverfahren, die eher leistbar sind. Vorstellbar wäre z.B. statt Wirtschaftsdünger zu verbieten den Anbau von Zwischenfrüchten festzuschreiben.


Der Verpächter sollte sich bewusst machen, dass nicht nur weniger Pacht fließt, sondern mehr Naturschutz auf der Fläche auch zu einem geringeren Verkehrswert führen kann. Das betrifft beispielsweise Grünland, das bei extensiver Bewirtschaftung an Wert verliert, weil sich die Pflanzenzusammensetzung ändert. Zudem riskiert der Verpächter dauerhafte Folgen, wenn sich Biotope etc. bilden, die langfristig zu einer Unterschutzstellung führen könnten.


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Kommentar: Ziemlich überflüssig


Eine Meinung von Gesa Harms, top agrar:


Das Modellprojekt „Fairpachten“ will Grundbesitzer beraten, wie sie per Pachtvertrag mehr Naturschutz durchsetzen. Doch die geplanten Standardklauseln für Pachtverträge stehen rechtlich auf tönernen Füßen.

Für Landwirte bedeuten zusätzliche Auflagen für einzelne Flächen noch mehr Organisation und Anpassungen der Betriebsstruktur. Hoffentlich ist den Naturschutzberatern vor Ort bewusst, dass Pachtauflagen in Zeiten knapper Flächen schnell ganze Existenzen bedrohen!


Landwirte sollten daher auf Verpächter zugehen, die mehr Naturschutz möchten. Gemeinsam lassen sich Lösungen erarbeiten, die der Natur helfen, ohne dass der Betrieb Flächen und der Verpächter Pachtgeld verliert. Und die gut 900000 € Fördergelder für „Fairpachten“ wären für den Vertragsnaturschutz bestimmt besser angelegt.

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