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Regierungsberater warnt vor schlimmen Folgen durch Überdüngung

Die Überdüngung der Felder ist zu einer der größten Umweltbedrohungen der Erde ausgeufert, warnt der Biologe Prof. Manfred Niekisch von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Reaktiver Stickstoff könne auch der menschlichen Gesundheit schaden, sagte er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Lesezeit: 4 Minuten

Die Überdüngung der Felder ist zu einer der größten Umweltbedrohungen der Erde ausgeufert, warnt der Biologe Prof. Manfred Niekisch von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Reaktiver Stickstoff könne auch der menschlichen Gesundheit schaden, sagte er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.


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Als Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung hat Niekisch an einem neuen Gutachten mitgearbeitet, das sich mit der Stickstoffbelastung befasst. Hierzu gesteht der Wissenschaftler ein, dass darin vieles altbekannt ist, aber die Gesamtschau mache deutlich, dass das Problem der Überdüngung bisher weit unterschätzt wurde. Das Gutachten war seiner Meinung nach dringend notwendig, weil sich seit Jahrzehnten nichts ändere. „Und das, obwohl zuletzt eine Studie des Stockholmer Resilience Center ganz klar dargelegt hat, dass Stickstoff die zweitgrößte Umweltbedrohung der Welt ist - nach dem Verlust der Biodiversität“, so Niekisch.


Für ihn ist das Thema Überdüngung sogar wichtiger als der Klimawandel. „Stickstoff hat erheblichen Einfluss auf Naturschutzgebiete, Wiesen und Wälder. Die Böden und Gewässer versauern, eutrophieren - sie sind überdüngt und kippen um. Das wirkt sich auf die Artenvielfalt und das Klima aus“, erklärt der Professor gegenüber der Zeitung und kündigt an, dass sich der Umweltrat in den nächsten Jahren auf Biodiversität und menschliche Gesundheit konzentrieren werde.


Stickstoffdünger lässt Arten verschwinden


Er stellt allerdings auch klar, dass man nicht grundsätzlich gegen eine Düngung zur Pflanzenversorgung sei. Aber man könne den Dünger weitaus effizienter einsetzen. In diesem Zusammenhang prangert er an, dass der abfließende Dünger magere Standorte am Rande von Ackerflächen zerstöre. So würden etwa die Pflanzen auf einem Magerrasen von Gewächsen wie Brombeeren, Brennnesseln und Löwenzahn verdrängt. In diesem Zuge würden auch die Insekten nicht mehr genug Nahrung finden. „Dadurch sinkt die Bestäubungsleistung für unsere Nutzpflanzen und die Zahl der Singvögel, denn beide brauchen Insekten. Auch große Vögel wie die Störche verschwinden, weil sie auf den Wiesen keine Amphibien mehr finden, die ebenfalls Insekten fressen.“


In den Gewässern und Meeren verursacht der Dünger laut dem Fachmann zudem massives Algenwachstum, was zu Sauerstoffmangel führt und die berüchtigten Todeszonen ausweiten lässt. „Auf Dauer brechen ganze Ökosysteme zusammen. Das kann Auswirkungen auf unsere Nahrungsmittelversorgung haben. Wasser etwa muss aufwendig von Nitrat befreit werden, um es zu Trinkwasser aufzubereiten“, erklärt Niekisch.


Gefährlich für Menschen


Für die menschliche Gesundheit als gefährlich stuft er Stickstoffverbindungen wie Stickstoffoxide, Nitrat, Nitrit oder Ammoniak ein. Das Salz Nitrit etwa gelange über die Lebensmittel in unseren Körper, wo sich im Magen-Darm-Trakt Nitrosamine aus Nitrit, Nitrat und Aminen bilden, die ebenfalls im Essen stecken. „Nitrit oxidiert das Eisen im Blutfarbstoff Hämoglobin. Dadurch reduziert sich dessen Transportfähigkeit für Sauerstoff im Körper. Nitrosamine haben sich bei Tierversuchen als krebserregend erwiesen. Ob das auch für Menschen gilt, ist noch fraglich. Einige Studien legen nahe, dass Nitrosamine zudem Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson und Diabetes verursachen“, so der Biologe.


Und er ergänzt: „Stickstoffverbindungen belasten auch im Feinstaub die Luft und sie fördern die Bildung bodennahen Ozons. Das alles schadet unseren Atemwegen. Außerdem lösen Mikroben im Boden Lachgas aus dem reaktiven Stickstoff, ein hochpotentes Treibhausgas.“


Nationale Stickstoffstrategie


Um hier gegenzusteuern müssten sich in Deutschland viele Ministerien zusammentun, was natürlich aussichtslos ist. Daher habe der Sachverständigenrat jetzt eine gemeinsame nationale Stickstoffstrategie gefordert. Jeder müsse endlich seinen Verantwortungsbereich erkennen und entsprechende Maßnahmen umsetzen, um übergeordneten Zielen gerecht zu werden, so Niekisch: Ziele zur Reduktion von Emissionen in allen betreffenden Bereichen, zur Weiterentwicklung von Umweltzonen im Verkehr, zum effizienten Umgang mit Düngemitteln, zum Erhalt der Arten, zum Schutz der Gewässer - auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene.


„Bauern wissen nicht wohin mit dem Zeug“


Nach Überzeugung des Wissenschaftlers bräuchten 94 % der deutschen Böden gar keinen Dünger, was die Düngeverordnung nicht berücksichtige. „Wir haben enorme Nährstoffüberschüsse. Nitrat fällt in der Landwirtschaft in großer Menge an, etwa als Gülle und Tierdung. Die Bauern wissen nicht mehr, wohin mit dem ganzen Zeug. Trotzdem kaufen sie jede Menge mineralischen Dünger, auch weil sie die Gülle oft nicht mehr ausbringen dürfen. Wegen der vielen angereicherten Schwermetalle in den Tieren, die auch in der Gülle stecken. Dabei düngen sie viel mehr als notwendig, damit sie auf jeden Fall das Maximale aus den Feldern herausholen - unabhängig davon, ob im Einzelfall auch die Hälfte gereicht hätte oder Dünger ganz verzichtbar gewesen wäre“, kritisiert Niekisch.


Er fordert daher, den Bauern eine bedarfsgerechte Dosierung vorzuschreiben. Und zur Kontrolle bräuchte man dringend eine Hoftorbilanz.

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