Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

topplus News

Retten Bauern das Klima?

Immer mehr Landwirte berechnen und verbessern ihre Klimabilanz. Dabei sparen sie bares Geld. Und beweisen: Die deutsche Landwirtschaft tut dem Klima gut. Es ist eine gewaltige Hausaufgabe, die die Bundesregierung den Landwirten aufgegeben hat. Bis 2030 müssen die Treibhausgasemissionen deutlich runter...

Lesezeit: 8 Minuten

Immer mehr Landwirte berechnen und verbessern ihre Klimabilanz. Dabei sparen sie bares Geld. Und beweisen: Die deutsche Landwirtschaft tut dem Klima gut.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Es ist eine gewaltige Hausaufgabe, die die Bundesregierung den Landwirten aufgegeben hat. Bis 2030 müssen die Treibhausgasemissionen deutlich runter: Von aktuell 72 Mio. Tonnen pro Jahr dürfen die Bauern künftig nur noch 60 Mio. t emittieren. Das leitet die Regierung aus dem Pariser Klimaabkommen ab.


Ansgar Lasar kennt diese Zahlen nur zu gut. Er ist Klimabeauftragter der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und hilft Landwirten, ihre Klimabilanz zu verbessern. Immerhin 30 Betriebe nutzten 2016 dieses Angebot. Das kostet die Bauern 300 € und zweieinhalb Stunden ihrer Zeit.


Beratungskosten gut investiert


In der Regel zahlt sich das aus. Lasar schlägt Maßnahmen vor, wie die Landwirte z. B. Mineraldünger oder Strom einsparen, ohne auf Ertrag zu verzichten. Dafür entwickelte er zusammen mit Klimaspezialisten aus ganz Deutschland den „Standard für einzelbetriebliche Klimabilanzen“ (BEK).


Der BEK ermöglicht einen bundesweiten Vergleich zwischen Betrieben. Grundlage des Standards ist der CO2-Fußabdruck. Dieser gibt den CO2e-Ausstoß (siehe Kasten rechts), den der Landwirt verursacht, je Produkteinheit an, also z. B. je Liter Milch, je Kilogramm Fleisch oder je Dezitonne Weizen. Einer der Landwirte, die bereits mitmachten, ist Friedrich Rodewald aus Barsinghausen in Niedersachsen.


Eigentlich habe er Barbara Hendricks nur einen Stein in den Weg legen wollen, gibt er heute grinsend zu. Der Schweinehalter und Ackerbauer wollte nicht von der Bundesumweltministerin als Klimasünder betitelt werden und kontaktierte daher Lasar. Der Berater sollte eine vergleichende Klimabilanz zwischen den Jahren 2000 und 2016 erstellen. Rodewald wollte beweisen, dass er heute klimaschonender wirtschaftet als damals. Mit Erfolg – Lasars Rechnungen belegen das schwarz auf weiß.


Vor allem dank Rodewalds guter Buchführung ging Lasar die Berechnung rasch von der Hand. Er verschaffte sich einen Überblick über alle Betriebsmittel und berechnete deren CO2-Fußabdruck. Anschließend verteilte er diese auf die Ernte- und Veredelungsprodukte. Für Rodewald besonders spannend: Seit dem Jahr 2000 hatte er Erträge und Leistungen deutlich gesteigert. Würde das seine Klimabilanz verschlechtern oder gar verbessern?


Rodewald baute 2016 auf 170 ha Ackerfläche Wintergerste, Winterweizen, Zuckerrüben und Zwischenfrüchte an. Außerdem produziert er jährlich 2 000 Mastschweine im geschlossenen System. Seit einigen Jahren düngt er seine Flächen mit mehr Wirtschaftsdünger. Neben der eigenen Gülle bezieht er Hühnermist und Gülle aus der Region Vechta. Dies komme ihn nur halb so teuer zu stehen wie gleichwertiger Mineraldünger, trotz der Kosten für 100 km Transport. So spart er rund 30 % des mineralischen N-Düngers ein und kann auf Phosphorgaben verzichten.



Weniger Lachgas dank Gülle


Zudem entlastet der Wirtschaftsdünger die Klimabilanz Den Weizen hatte Rodewald zuvor hauptsächlich mit Ammoniumnitrat gedüngt. Doch Klimabeauftragter Lasar weiß, dass dieses ein echter Klimakiller ist. „In der Produktion fällt in der Regel viel Lachgas an“, erläutert er. Lachgas sei fast 300-mal klimaschädlicher als CO2. Auch aus pflanzenbaulicher und wirtschaftlicher Sicht rät Lasar zur Gülle. „Bei guter Ausbringung ist sie gut für Pflanzen, Klima und Geldbeutel“, sagt er. Rodewald bestätigt das. Einige Hektar düngte er weiter mineralisch, um die Erträge zu vergleichen. Der Gülleeinsatz im Frühjahr bringt nach seiner Erfahrung 3 – 9 dt/ha mehr Weizen.


Im Vergleich zum Jahr 2000 emittiert er rund 160 g CO2e weniger pro erzeugtem Kilogramm Trockenmasse. Das entspricht einem Rückgang von fast 30 %. Noch krasser fällt dieser bei der Zuckerrübe aus. Rodewald verdoppelte seinen Ertrag nahezu, die Emissionen blieben etwa konstant. Damit hat er die Emissionen pro Tonne Rüben glatt halbiert auf ca. 400 g CO2e/kg TM.


Auch Rodewalds Schweinehaltung steht heute klimafreundlicher da als noch vor 17 Jahren. Rodewald erzielte Einsparungen beim Strom- und Erdgasverbrauch. Er ersetzte seine Stallleuchten durch LEDs und baute eine neue Steuerungsanlage für die Lüftung ein. Das spare ihm zusammen rund 8 000 € Stromkosten pro Jahr, berichtet der Landwirt. Bei der Lüftung spart Rodewald durch einen einfachen Trick viel Erdgas: Die Lüftungsschächte zu den Abteilen sind in vielen Schweineställen in Bodennähe bei den Abteiltüren eingelassen. Rodewald bohrte neue Kanäle in Deckennähe. Seine Idee: Da Wärme aufsteigt, ist die Luft an der Decke ca. 6 °C wärmer als in Bodennähe. Das Ergebnis: Rodewald verheizt seither rund 45 % weniger Erdgas. Das entspricht ca. 8 000 m3 – oder 4 500 € pro Jahr.


Insgesamt zeigt Rodewalds Beispiel: Die Intensivierung seiner Produktion ging Hand in Hand mit einer besseren Klimabilanz. Für die gleiche Produktionsmenge an Fleisch und Marktfrüchten, die der Landwirt 2016 erwirtschaftete, hätte er früher 860 t CO2e mehr erzeugt. Lasar vergleicht: Um jährlich genauso viel CO2 zu sparen, müssten  8 600 Bundesbürger ihren Stromverbrauch um 20 % reduzieren, rechnet er vor. Rodewald freut’s: Dank des raffinierten Ressourceneinsatzes spart er jährlich mehr als 30 000 €.


Deutsche Bauern vorbildlich


Lasars Rechnungen zeigen auch: Die von der Regierung vorgeschriebene absolute THG-Reduktion hilft dem Klima nicht. Zielführender wäre es, die CO2e-Emissionen pro Kilogramm oder Liter Lebensmittel zu minimieren. Da sei es nicht hilfreich, wenn die deutschen Landwirte weniger Lebensmittel produzieren. Denn dann würden die Verbraucher mehr aus dem Ausland kaufen. Dabei produzieren gerade die deutschen Bauern besonders klimafreundlich.


Fallen z. B. für einen in Deutschland produzierten Liter Milch rund 0,8 kg CO2e an, so sind es im weltweiten Durchschnitt ca. 2,4 kg, hat die FAO berechnet. Auch im Pflanzenbau dürfte Deutschland aufgrund der im Vergleich hohen Erträge gut dastehen.


Gute Nachbarschaftswerbung


Lasar würde sich darauf jedoch nicht ausruhen. Landwirte sollten ihre Klimabilanz dennoch im Griff haben. Denn eine Verbesserung zahle sich finanziell aus. Zudem punkten Landwirte in der Direktvermarktung sowie bei den Nachbarn damit. Das bestätigt auch Landwirt Kothe aus Niedersachsen. Hanne Honerlage


Pariser Vorgaben für deutsche Bauern


Allerhöchstens um 2 °C soll sich die Erde im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erwärmen – das beschlossen die Mitglieder der Vereinten Nationen auf der Pariser Klimakonferenz letztes Jahr. Damit das klappt, darf die Menschheit bis spätestens 2060 kein CO2 oder andere Treibhausgase mehr emittieren.


Wie die Nationen das umsetzen, bleibt jedem Land selbst überlassen. Deutschland legt vor und will seine Emissionen bis 2050 im Vergleich zu 1990 um 80 bis 95 % senken. Schon bis 2030 will die Bundesrepublik 50 % weniger emittieren. Dabei ist sie bereits auf einem guten Weg: Laut Umweltbundesamt emittierten wir 2015 bereits 28 % weniger als noch 1990.


Aus der Landwirtschaft stammen knapp 8 % der deutschen Treibhausgasemissionen. Bis 2030 sollen die Bauern 12 von 72 Mio. t CO2e einsparen. Eine echte Herausforderung.


Hohe Milchleistung schont das Klima


Landwirt Kothes Milch verursacht wenig Emissionen. Das liegt an der hohen Leistung seiner Kühe. Seine Biogasanlage macht den Klimadeal perfekt. Das wissen jetzt auch Kothes Nachbarn.


Wie so vielen Landwirten setzte auch Eggemar Kothe (61) aus Loxstedt in Niedersachsen die ständige Kritik von seinen Nachbarn zu. Er wollte den Leuten vermitteln, dass er auf seinem Betrieb ressourcenschonend wirtschaftet. Dafür brauchte er Fakten.


Im November 2016 kontaktierte er Ansgar Lasar, der eine Klimabilanz für ihn erstellte. Diese zeigte Kothe schwarz auf weiß: Er produziert emissionsärmer als der Durchschnitt.


Gut 450 Kühe stehen in seinem 2014 gebauten Stall. Mit einer Milchleistung von 9 700 Litern liegt er über dem Schnitt der Betriebe, die Lasar bis dato betreut hatte. Seine geringen Klimakosten spiegeln das wider: Pro kg Milch emittiert Kothe nur 800 g CO2e. „Die Klimakosten verteilen sich auf die hohe Milchleistung“, erläutert Lasar. Bei Betrieben mit geringerer Leistung könne im Vergleich auch mal ein Kilo CO2e pro kg Milch anfallen.


Grünlandpflege schont Klima


Dennoch ist Kothe neugierig, wie er seine Emissionen weiter verringern kann. Die Fütterung bietet da noch Potenzial, weiß Lasar. „Das Grundfutter dürfte ein bisschen mehr Kawumm haben“, findet auch Landwirt Kothe. Wenn er durch eine noch bessere Grünlandpflege die jetzigen 5,8 MJ auf 6,1 MJ anheben könnte, wäre eine Einsparung von 200 kg Kraftfutter realistisch. Dafür muss die Zusammensetzung der Gräser im Aufwuchs stimmen und durch Pflegemaßnahmen wie Schleppen, Walzen, Nachsäen und Co intakt gehalten werden. Das ergäbe eine Einsparung von 17 g CO2e/kg — wenn das Wetter mitspielt. „Wenn es in der Vegetationszeit zu trocken ist, kriege ich die Energie einfach nicht ins Futter“, wiegelt Kothe ab.


Allerdings überlegt er, zusätzlich den Sojaanteil seiner Ration durch die neu angebauten Ackerbohnen zu verringern. Wenn er das verbleibende Soja durch Raps und klimazertifiziertes Soja ersetzt, kann er seine Emissionen um 40 g/kg Milch drücken. Bei seinen 450 Kühen fällt das ganz schön ins Gewicht. Um eine vergleichbare THG-Einsparung zu erreichen, müssten gut 1 800 Bundesbürger ihren jährlichen Stromverbrauch um 20 % senken. „Das ist schon eine Hausnummer“, findet Kothe.


Gülleleitung spart CO2


Seit 2014 betreibt Kothe zusätzlich zu der Milchviehhaltung eine 250 kWel-Biogasanlage. Diese erzeugt aus Futterresten und Gülle Energie, die fast viereinhalbmal klimaschonender ist als Energie aus Braunkohle. Im Stall anfallende Gülle überführt Kothe mittels einer direkten Leitung sofort in die Biogasanlage. So vermeidet er Ausgasungsverluste bei der Lagerung. Allein durch die Leitung fallen nach Lasars Rechnung 100 g CO2e pro kg Milch weniger an.


Für Landwirt Kothe ist jetzt klar: Eine extensivere Milchviehhaltung macht für ihn aus Klimasicht keinen Sinn. In Zukunft will er lieber durch eine noch höhere Grundfutterleistung und einen geringeren Sojaeinsatz seine Emissionen pro kg Milch weiter drücken. 450 Kühe und 250 kWel passen für ihn aus Klimasicht optimal zusammen. Berufskollegen rät Kothe, vor einer größeren Investition eine Klimabilanz zu erstellen. „In Nachbarschaftsdebatten sind Fakten das A&O“, ist er überzeugt.

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.