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Risiko Verbandsklage

Tier- und Umweltschutzverbände können durch das Verbandsklagerecht leichter gegen geplante und bestehende Ställe klagen. Wir haben Anwälte und Berater gefragt, was im Klagefall zu beachten ist. Immer häufiger gehen anerkannte Umwelt- und Tierschutzverbände mit Klagen gegen landwirtschaftliche Ställe vor.

Lesezeit: 6 Minuten

Tier- und Umweltschutzverbände können durch das Verbandsklagerecht leichter gegen geplante und bestehende Ställe klagen. Wir haben Anwälte und Berater gefragt, was im Klagefall zu beachten ist. Aus der top agrar-Serie Stallbau.


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Immer häufiger gehen anerkannte Umwelt- und Tierschutzverbände mit Klagen gegen landwirtschaftliche Ställe vor. Die Klage richtet sich zwar nicht direkt gegen den Landwirt, aber gegen die zuständigen Behörden. Bundesweit klageberechtigt sind anerkannte Umweltverbände und in einigen Bundesländern sind es auch berechtigte Tierschutzorganisationen. Wir erklären Ihnen die Unterschiede der beiden Klageverfahren:


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1. Klagen von Umweltverbänden:

 

Umweltverbände können bundesweit gegen die zuständigen Genehmigungsbehörden klagen, wenn sie der Ansicht sind, dass eine erteilte Stallbaugenehmigung nicht rechtens ist. Die Verbände können aber nur innerhalb einer bestimmten Frist klagen, danach hat der Stall Bestandsschutz. Veröffentlicht die Behörde die Genehmigung, gilt eine Klagefrist von einem Monat. Die Veröffentlichung ist bei größeren Ställen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) Pflicht.

 

Bei Ställen, die unter das Baurecht fallen, muss die Behörde die Genehmigung nicht veröffentlichen. Die Verbände können in dem Fall maximal zwei Jahre nach Erteilung der Genehmigung klagen, danach hat der Stall Bestandsschutz. Wenn die Verbände in diesen zwei Jahren von der Genehmigung erfahren, müssen sie innerhalb eines Jahres ihre Klage einreichen. „Die Fristen sollten die Landwirte auch abwarten, bevor Sie anfangen zu bauen“, rät Lisa Paar, Rechtsanwältin, Hamm.


Denn eine Klage gegen die Baugenehmigung heißt, dass Sie im schlimmsten Fall den Stall zurückbauen müssen, wenn die Genehmigung hinfällig ist.

 

UVP als Angriffspunkt

 

Der Fokus vieler Klagen liegt bei größeren Ställen, die dem BImSchG unterliegen, bei Fehlern in der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Denn das UVP-Gesetz schreibt nicht genau vor, in welchem Umfang und für welche Arten, z. B. geschützte Pflanzenarten, die Umweltauswirkungen geprüft werden müssen. Das hängt von der Art und Nähe der umliegenden Schutz- und Wohngebiete ab. Stimmen Sie daher die UVP frühzeitig ab und beteiligen Sie auch die klageberechtigten Verbände.

 

Arne Friege, Rechtsanwalt für Verwaltungsrecht aus Erfurt, sagt dazu: „Die regionalen Verbände kennen den Standort meist gut. Dadurch wissen diese, welche Gutachten mit welcher Prüfungstiefe notwendig wären.“ Durch die Öffentlichkeitsbeteiligung erfahren die Verbände sowieso von dem Stallbau und können auch nach der UVP noch eingreifen. Die Verbände stellen meistens Bewertungsmaßstäbe oder Prüftiefe in Frage. Wenn z. B. ein Gebiet mit geschützten Pflanzen nur während einer Vegetationsperiode geprüft wurde, will der Verband zwei. „Deshalb ist es besser, im Vorfeld zusammenzuarbeiten. Sonst scheitern die Landwirte spätestens in der Öffentlichkeitsbeteiligung mit einem unzureichendem Gutachten“, so Friege.

 

Fällt die Stallbaugenehmigung hingegen unter das Baurecht, ist eine UVP keine Pflicht. Größere Betriebe teilen daher nicht selten ihren Betrieb, um die Tierzahlgrenze, die über eine BImSchG-Genehmigung inklusive UVP entscheidet, zu unterschreiten. Davon rät Lisa Paar ab: „Ist die Betriebsteilung ungültig und Sie überschreiten die Grenzen zur UVP, kassiert das Gericht sofort die Genehmigung.“ Dann muss der Landwirt das komplette Genehmigungsverfahren unter BImSchG noch einmal durchlaufen und erhält im schlimmsten Fall keinen positiven Bescheid.

 

Was tun im Klagefall?


 

Klagt ein Umweltverband tatsächlich, stellen Sie bei der Behörde einen Antrag auf sofortige Vollziehung. Darauf beantragt der Verband meist einen Baustopp beim Verwaltungsgericht. Im Eilverfahren prüft das Gericht innerhalb weniger Monate die Genehmigung. So bekommen Sie schnell Gewissheit, ob diese realistisch ist und können mit dem Bau auch während der Hauptklage starten. Das Hauptverfahren kann nämlich Jahre dauern.


Für den Antrag müssen Sie ein berechtigtes Interesse nachweisen. „Das sind z. B. ein verbesserter Tier- bzw. Umweltschutz durch den neuen Stall aber auch wirtschaftliche Gründe“, sagt Arne Friege. Nun muss der Bauherr entscheiden: Wartet er das Ende des Verfahrens ab oder baut er, weil das Eilverfahren positiv war. Startet er mit dem Stallbau trotz laufender Klage, droht schlechtesten falls ein Entzug der Genehmigung. Dieses Risiko sei aber niedrig meint Friege: „Da das Gericht die Genehmigung im Eilverfahren schon grob prüft, treten im Hauptverfahren keine neuen grundsätzlichen Aspekte auf, die zu einer Aufhebung der Genehmigung führen würden.“


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2. Klage von Tierschutzverbänden

 

Für anerkannte Tierschutzverbände gibt es kein bundeweites Klagerecht. Sie dürfen „nur“ in Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein klagen.

 

Die Verbände können zum einen Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bei Stallbaugenehmigungen anprangern. Hier haben sie bei nicht öffentlichen Genehmigungen ein Jahr und bei Öffentlichkeitsbeteiligung einen Monat Zeit zu klagen.

 

Zum anderen können die Verbände aber auch bei Problemen mit bestehenden Ställen das Veterinäramt anklagen. Das überprüft dann den Landwirt. Dieser muss dann nachweisen, dass er seine Tiere nach geltendem Recht hält. Wie er dabei vorgehen sollte, lesen Sie im Interview.


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„Fragen Sie Experten um Rat!“


Interview mit Dr. Dirk Hesse, Gründer des Beratungsunternehmens AGRIKontakt:


Das Gericht lädt den Landwirt im Falle einer Tierschutzklage als Beteiligten vor. Wie weist der Landwirt nach, dass er tierschutzkonform wirtschaftet?


Hesse: Über die Veterinärkontrollen. Mittlerweile sind viele Landwirte Qualitätssicherungs (QS)-zertifiziert, sodass die QS-Kontrolle ebenfalls als Nachweis vor Gericht zieht. Ein Problem ist, dass diese Verfahren häufig zunächst in der Öffentlichkeit stehen. Durch die Medien bekommen QS-Stellen und Veterinärämter schon vor dem Verfahren Bescheid davon. Das Gerichtsverfahren steht dann erst am Ende der Klage.


Wie geht die QS gegen die Anschuldigungen vor?


Hesse: Diese leitet ein QS-Sanktionsverfahren ein. Außerdem schicken sie direkt einen QS-Prüfer zur Kontrolle. Stellt dieser Mängel fest, muss der Landwirt zu diesen schriftlich Stellung nehmen. In begründeten Fällen verliert er die Lizenz. Holen Sie sich dafür externe Hilfe z. B. von Anwälten oder Beratern.


Wann höre ich vom Veterinäramt?


Hesse: Das Veterinäramt prüft die Anschuldigungen ebenfalls sofort. Entdeckt er Verstöße gegen das Tierschutzrecht, erteilt das Amt Ihnen ca. eine Woche danach eine Verfügung.


Was bedeutet die Verfügung?


Hesse: In der Verfügung legt das Amt Mängel dar, die es gefunden hat. Legen Sie innerhalb eines Monats Widerspruch dagegen ein. Ansonsten geht man vor Gericht davon aus, dass die Anschuldigungen tatsächlich zutreffen. Vermerken Sie, dass Sie zu Gesprächen bereit sind. Beheben Sie die Mängel schnellstmöglich und informieren Sie das Amt genau, wie weit Sie bei der Umsetzung fortschreiten. Holen Sie sich hier ebenfalls fachmännischen Rat von Juristen oder Beratern.

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