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Sachstandsbericht Milch: "Machtfülle des Kartellamtes ist Angst einflößend"

Der Sachstandsbericht zu den Lieferbedingungen für Milch sind ein Angriff auf genossenschaftliche Strukturen, meint Otto Strecker von der AFC Consulting Group in der top agrar-Schwesterzeitschrift „Lebensmittelpraxis“.

Lesezeit: 3 Minuten

Der Sachstandsbericht zu den Lieferbedingungen für Milch sind ein Angriff auf genossenschaftliche Strukturen, meint Otto Strecker von der AFC Consulting Group in der top agrar-Schwesterzeitschrift „Lebensmittelpraxis“:

 

„Das Bundeskartellamt hat soeben einen Sachstandsbericht zu den Lieferbeziehungen für Milch vorgelegt und damit einen Aufschrei in der Branche ausgelöst. Der Milchindustrieverband, der Raiffeisenverband und das Deutsche Milchkontor (DMK) als in der Hauptsache untersuchtes Unternehmen reagierten empört.

Worum geht es? Das Kartellamt ermittelt in einem Verwaltungsverfahren gegen DMK. Dabei hat es als Zwischenergebnis einen Sachstandsbericht vorgelegt. In der Kritik stehen vor allem sehr lange Kündigungsfristen für die Landwirte und die Verpflichtung, die gesamte erzeugte Milch an die Molkerei abzuliefern, mit der man als Landwirt einen Vertrag hat. Im Ergebnis wird es laut Kartellamt so gut wie unmöglich für Landwirte, ihre Milch ganz oder teilweise an besser bezahlende Molkereien zu liefern.

 

Ergänzt wird die Problematik aus Sicht des Kartellamtes durch zwei weitere Aspekte: Einerseits ist der Liefervertrag in genossenschaftlichen Molkereien wie dem DMK an die Mitgliedschaft der Genossen geknüpft. Verträge können nicht mehr ausgehandelt werden, sondern werden durch Mehrheitsbeschluss geregelt. Andererseits wird der Milchpreis oft erst nach der Anlieferung der Milch festgelegt. Beides zusammen benachteilige die Erzeuger.

 

Tatsächlich könnte Flexibilisierung dem System vielleicht gut tun. Auch den Molkereien, die ggf. nicht mehr so viel Milch abnehmen müssen. Denn die derzeitige Praxis verpflichtet ja auch diese, die Milchmenge abzunehmen. Immer größere Unternehmen entstanden unter Aufsicht der Kartellbehörden in der Hoffnung, Wettbewerbsvorteile zu erringen.


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Tatsächlich drücken gigantische Milchmengen täglich in diese Betriebe. Nicht alles kann von den Genossenschaften in hochveredelte Produkte umgesetzt werden. Wer Milliarden von Litern Milch verarbeiten muss, kann eben nicht nur hochwertige Dessertprodukte oder Babynahrung daraus herstellen. Am Ende der Entwicklung ist er froh, wenn er Teile seiner Produktion zu Milchpulver verarbeiten kann und in guten Jahren dafür in China einen guten Preis bekommt.

 

Die kritischen Regeln galten bisher für Molkereien und ihre genossenschaftlichen Eigentümer als Ausdruck ihrer wechselseitigen Solidarität. Abnahmegarantie auf der einen Seite und Investitionssicherheit auf der anderen Seite. Auf der einen Seite zwar ein nicht immer kurzfristig befriedigender Milchpreis für Erzeuger, auf der anderen Seite aber die Gewissheit, dass sich die genossenschaftliche Molkerei niemals zu Lasten der Bauern bereichern kann, gehören ihnen doch alle Vermögenswerte – und an Überschüssen partizipieren sie steuergünstig über sogenannte Warenrückvergütungen.

 

Als Angriff auf die genossenschaftliche Struktur kann man das Vorgehen des Kartellamtes durchaus werten. Übrigens zu einer Zeit, zu der auch andere genossenschaftliche Prinzipien, wie das Regionalprinzip (z.B. bei Volksbanken) in der massiven wettbewerbsrechtlichen Kritik der EU-Kommission stehen. Zugleich wird die Politik nicht müde, Genossenschaften als moderne und zeitgemäße Einrichtungen der wirtschaftlichen Solidarität zu loben.


Warum enthält sich das Kartellamt?


Warum verhält das Kartellamt sich eigentlich in dieser Weise? Liest man das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, so sind dort Aufgaben und Befugnisse des Kartellamtes abschließend aufgelistet. Die Machtfülle ist Angst einflößend für eine Behörde, die es im Prinzip nur mit Ordnungswidrigkeiten zu tun hat. Die Wettbewerbshüter wollen aber nicht nur geltendes Recht durchsetzen, sie wollen selber Markmechanismen definieren. Das geht zu weit.


Für derartige „Sachstandsberichte“ fehlt dem Bundeskartellamt schlicht die Rechtsgrundlage. Die öffentliche Debatte sollte das Amt den politischen Institutionen überlassen. Sogar in Wahljahren.“

 

 

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