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Saftig und teuer: Wagyu bleibt gefragt

Japanische Wagyu-Rinder sind für extrem marmoriertes und teures Fleisch bekannt. Was sind die Besonderheiten? Dunkelrot und von weißen Fettadern durchzogen. 2 kg Roastbeef liegen vor Melanie Holtmann auf dem Tisch. Daraus schneidet sie zentimeterdicke Steaks. Jede Scheibe ist rund 50 € wert.

Lesezeit: 9 Minuten

Japanische Wagyu-Rinder sind für extrem marmoriertes und teures Fleisch bekannt. Über die Besonderheiten berichtet Anke Reimink in der aktuellen top agrar 6/2018, Spezialteil Rinderhaltung:



Dunkelrot und von weißen Fettadern durchzogen. 2 kg Roastbeef liegen vor Melanie Holtmann auf dem Tisch. Daraus schneidet sie zentimeterdicke Steaks. Jede Scheibe ist rund 50 € wert.



Dass es sich nicht um gewöhnliches Rindfleisch handelt, erkennt jeder Laie: Die extreme Marmorierung ist das Markenzeichen der Rasse Wagyu. Mindestens 10% Fettanteil sorgen für ein aromatisches, saftiges und zartes Fleisch auf dem Grill, im Burger oder als Sonntagsbraten.



Dafür zahlen Feinschmecker gerne den etwa vierfachen Preis. Die breite Aufmerksamkeit und die lukrativen Fleischpreise locken immer mehr Rinderhalter an. „Doch wer erfolgreich Wagyu mästen will, braucht einen langen Atem“, weiß Züchter Reinhard Holtmann nach acht Jahren Erfahrung (siehe Kasten rechts).



Wagyu-Hype


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Die mittelrahmigen, in der Regel schwarzen Wagyu-Rinder stammen aus Japan. Häufig verwechselt werden sie oft mit „Kobe-Rindern“. Diese gehören zwar zur gleichen Rasse, der Begriff Kobe ist aber geografisch geschützten für Tiere, die in der gleichnamigen japanischen Region geboren, gemästet und geschlachtet werden.



Japan exportiert seit 1997 keine lebenden Wagyu-Rinder, -Embryonen oder -Sperma. Die weltweite Zucht beruht auf rund 200 Tieren, die in den 70er- und 90er-Jahren nach Amerika kamen. Seit über zehn Jahren gibt es Wagyus in Deutschland. Mittlerweile sind es rund 1000 reinrassige Tiere, sogenannte „Fullbloods“.


Zum Vergleich: In Japan stehen ca. 1,8 Mio. und in den USA 10000 Tiere. Rund 100 deutsche Betriebe halten Wagyus. „Wenige davon sind professionelle Züchter. Viele mästen die Tiere neben anderen Fleischrassen oder haben Milchvieh“, sagt Hubertus Diers, Geschäftsführer der Zuchtorganisation PrismaGen, der zusammen mit Holtmann Wagyus züchtet.



Wertvolle Zuchttiere kosten nicht selten bis zu 15000 €, Embryonen 1000 € und auch eine Portion Sperma kann bis zu 2000 € kosten. Bei diesen Summen investieren mehr und mehr Unternehmer aus Immobilien- oder Software-Branchen in die Wagyu-Zucht. Wie Franz Kirchner aus München: „Ich war lange in der Immobilien-Branche. Irgendwann wollte ich wieder etwas Handfestes machen. Qualität statt Menge. Das hat mich bei den Wagyus sofort fasziniert.“ Kirchner kaufte einen Hof und hält heute 180 Wagyu-Rinder (siehe Kasten Seite R 31).



Vier-Linien-Zucht


Bei der Zucht steht die Fleischqualität im Vordergrund und Reinhard Holtmann macht deutlich: „Etwa 60% der Fleischqualität bestimmt die Genetik, der Rest kommt dann über Haltung und Fütterung.“



Wagyu-Züchter unterscheiden vier Linien, die auf verschiedene Regionen in Japan zurückgehen und bestimmte Eigenschaften haben:

  •     Tajima: beste Marmorierung und leichte Geburten, eher klein, weniger Rahmen und Zunahmen
  •     Kedaka: Wachstum und Exterieur, Muttereigenschaften
  •     Shimane: Rahmen, Muttereigenschaften und Fruchtbarkeit
  •     Okayama: guter Rahmen, Muttereigenschaften und Milchleistung
Ein Nachweis darüber, welchen Anteil die Tiere aus welcher Linie haben, ist genetisch nicht möglich, sondern nur über die Analyse des Pedigrees. „Obwohl der Begriff nicht ganz richtig ist, ‚kreuzen‘ wir die Linien und erzeugen so optimale Eigenschaften“, sagt Holtmann.



Fett in der Endmast


Neben der Zucht beeinflusst die Haltung die Fleischqualität. Japanische Rinderhalter massieren die Tiere angeblich täglich und füttern Bier, um den Appetit anzuregen. „Das gibt es bei mir zwar nicht, aber ein ruhiger Umgang während der Aufzucht und besonders in der Endmast sind Voraussetzung für Qualität“, so Kirchner.



Auch wichtig ist das Kastrieren. „Unsere ersten Tiere haben wir nicht kastriert. Doch Bullen sind zu unruhig, aktiv und lagern so weniger Fett ein“, so Holtmann. Weibliche Tiere hat er nie geschlachtet, denn diese sind zu wertvoll.



Weil die Rasse züchterisch kaum bearbeitet ist, liegen die Zunahmen bei 800 bis 1000 g pro Tag. Bis zur Schlachtreife mit rund 800 kg Lebendmasse brauchen die Ochsen drei bis vier Jahre. Nach dem Absetzen folgt eine extensive Mittelmast, wenn möglich auf der Weide mit Zufütterung. Hier sollen die Tiere langsam auswachsen.



Erst in den letzten sechs Monaten folgt die Endmast. „Wagyus haben das genetische Potenzial, Fett einzulagern. Das muss man aber auch ausfüttern“, erklärt Holtmann. Er setzt auf eine energiereiche Bullenmastration aus Mais- und Grassilage sowie wenn verfügbar Biertreber. Zusätzlich füttert er Kraftfutter (25 MJ/kg TM) und CCM.



Die Schlachtreife bestimmt der Landwirt tierindividuell, hält sich aber an den Grundsatz: „Am Ende müssen Wagyus aussehen wie ein Würfel.“



Wagyu vom Discounter?


Das Fleisch vermarkten die meisten Wagyu-Halter direkt an feste Kunden. Doch mehr Rinderhalter steigen ein. Selbst Discounter greifen den Trend auf. So gab es bei Aldi schon Steak für ca. 30 € pro kg. „Allerdings aus der Oberschale und von Wagyu-Kreuzungen“, meint Dr. Diers.



Um größere Mengen zu produzieren, kreuzen einige Rinderhalter z.B. Angus ein. Das Fleisch darf nur als „Kobe-Art“ oder „Wagyu-Style“ bezeichnet werden. Direktvermarkter befürchten: Wenn Verbraucher den Hinweis übersehen, könnte es dem Image von qualitativem Wagyu-Fleisch schaden. Sie deklarieren ihre Produkte daher als 100% reinrassig.



Vor dieser billigen Konkurrenz hat Kirchner aber keine Angst: „Gutes Wagyu bleibt eine Nische. Ähnlich wie Kaviar oder Trüffel polarisieren Preis und Geschmack.“ Holtmann sieht das Fleisch beim Discounter sogar positiv: „Supermärkte bieten das fürs Marketing an. Das bestätigt, dass wir im Trend liegen und ist kostenlose Werbung für uns.“ Zudem werde das Angebot reinrassiger Wagyus nicht schnell genug steigen, um die Nachfrage bedienen zu können.



Nachfrage bleibt hoch


Die Vermarktung der exklusiven Produkte kostet viel Zeit. Kunden bestellen konkrete Teilstücke und haben Extrawünsche. Viele Direktvermarkter bieten Kochkurse an, um die Zubereitung zu erklären.



Und die Nachfrage bricht nicht ab: Neben zahlungsfähigen Feinschmeckern bestellen immer mehr Kunden für besondere Anlässe z.B. einen Wagyu-Braten. BBQ- und Burger-Trend sowie das Interesse an regionalen Produkten steigern die Nachfrage zusätzlich.



Und so kommen schon die nächsten Vorbestellungen per Mail, während Melanie Holtmann die letzten Portionen abpackt. Welches Tier geschlachtet werden soll, steht noch nicht fest.


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Wagyu-Züchter durch Zufall


Bereits vor dem Wagyu-Hype kaufte Familie Holtmann die ersten Rinder. Heute sind sie erfolgreiche Züchter.


Internationale Zuchtvieh-Auktionen, Gala-Events und Koch-Shows. Der Betrieb Holtmann aus Münster ist für wertvolles Wagyu-Fleisch und -Zucht-tiere bekannt. Zu den japanischen Rindern kam der Schweine- und Rindermastbetrieb aber durch Zufall.


„Für eine Weide am Hof hatte ich 2006 nach einer passenden Rinderrasse gesucht. Ein TV-Bericht über das „teuerste Rindfleisch der Welt“ hat mich auf die Idee gebracht“, sagt Reinhard Holtmann. Wenig später importierte Holtmann die ersten Embryonen aus den USA. Durch die enge Zusammenarbeit mit Dr. Hubertus Diers von PrismaGen entstand die heutige Herde mit 140 Wagyu-Rindern. Etwa die Hälfte davon gehört PrismaGen.


Holtmanns vermarkten schlachtreife Tiere an Händler und einzelne Tiere selbst. Dabei können sie mit rund 50 Stammkunden plus Laufkundschaft kalkulieren. Das war zu Beginn anders. „Vor zehn Jahren wusste keiner, was Wagyu-Fleisch ist. Wir haben Anzeigen geschaltet, telefoniert und E-Mails geschrieben, um das erste Fleisch zu vermarkten“, so Holtmann. Nach einem Hoffest und Zeitungsartikeln stieg das Interesse.


Mit der Nachfrage stiegen auch die Preise für Zuchtrinder und so investierte Holtmann mehr und mehr in wertvolle Genetik. Zweimal jährlich veranstaltet der Betrieb Auktionen mit eigenen und externen Tieren. Die Käufer zahlen Spitzenpreise von bis zu 23000 €. Im Schnitt kosten weibliche Rinder 5000 bis 10000 €. „Je älter die Genetik, also je näher die Tiere an den ursprünglichen Generationen aus Japan sind, umso wertvoller sind sie“, erklärt Holtmann.


Auch die Nachfrage nach Wagyu-Fleisch bleibt hoch. Immer neue Kunden kommen dazu und bestellen teures Filet oder günstigeres Hackfleisch. Mindestens 90% Fleisch sind vorbestellt, wenn Holtmann ein Tier schlachtet. Auch wenn ein Ochse je nach Qualität bis zu 10000 € Schlachterlös bringt: „Mehr als fünf bis sechs Tiere pro Jahr schaffen wir zeitlich nicht selber zu vermarkten.“ Neben dem Zusammenstellen der individuellen Wünsche kostet das Marketing viel Zeit. Deshalb will Holtmann sich weiter auf die Zucht fokussieren.



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Marmorierung in zwölf Noten


Ziel bei Zucht und Haltung der Wagyus ist ein möglichst hoher Anteil intramuskulären Fettes. „Die Marmorierung wird mit zwölf Noten beurteilt, wobei 10 als optimal gilt. Fleisch der Note 12 ist wie Butter und für deutsche Gaumen nicht gemacht“, sagt Dr. Hubertus Diers. Zudem sollen die Tiere dafür extrem gemästet werden und sich kaum bewegen dürfen. Das sei schon aus Tierschutzsicht nicht vertretbar.

Im Vergleich zu anderen Rinderrassen enthält das Fett der Wagyus einen etwa doppelt so hohen Anteil ungesättigter Fettsäuren. Damit gilt es auch als „gesundes Fleisch“.

Neben Pedigrees nutzen Züchter genetische Tests, um die potenzielle Fleischqualität der Tiere zu ermitteln:


  • SCD: Die Genotypen A und V bestimmen die Fettzusammensetzung; Typ A ist wünschenswert, da es für einen hohen Anteil ungesättigter Fettsäuren sorgt.
  • Tenderness: Die Zartheit des Fleisches wird mit Note 1 bis 10 bewertet.
  • Exon 5: Sechs Genotypen beeinflussen das Wachstum und die Fetteinlagerung.


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Gummistiefel statt Aktentasch


Franz Kirchner investierte in 180 Wagyus. Mit dem exklusiven Fleisch will er Münchens Feinschmecker begeistern.


Mit Rinderhaltung hatte Franz Kirchner bis vor vier Jahren nichts zu tun. Er war Immobilienkaufmann in München. „Nach einem kurzfristig geplatzten Auftrag habe ich mich gefragt: Wozu machst du das eigentlich alles“, sagt Kirchner. Landwirtschaft hatte ihn schon immer gereizt. Als er Wagyu-Fleisch probierte, war er begeistert. „Ein Wahnsinn. So aromatisch, saftig und zart. Da schmeckst du das Aroma der Weide.“

Zusammen mit seinem Firmenpartner Thomas Lindinger kaufte Kirchner einen Hof bei München, pachtete 80 ha Acker- und Grünland und baute einen Mutterkuhstall für 80 Tiere. Sie investierten in Zuchtrinder und Embryonen.


Heute besitzt der Betrieb „Westerberger Fullblood“ rund 180 Wagyus. Eine Herdenmanagerin ist verantwortlich für die Mutterkuh-Herde. Ein Pachtbetrieb übernimmt die Aufzucht nach dem Absetzen. Kirchner selbst ging in die Landwirtschaftsschule, ließ sich beraten und brachte sich den Rest selbst bei.


Marketing und Vermarktung stehen für ihn im Mittelpunkt: „Als erstes haben wir uns gefragt: Wer sind unsere Kunden, was wollen die und wie erreichen wir das“ Bei der Planung nutzte Kirchner seine Kontakte in München. Zahlungsfähige Privatkunden und Restaurants standen auf der Warteliste, bevor die ersten Tiere auf den Hof kamen. „Um die Nachfrage decken zu können, müssen wir drei bis vier Tiere pro Monat schlachten“, kalkuliert Kirchner.


Tierwohl und Qualität haben für ihn oberste Prioriät. Das Futter baut er zum Großteil selbst und ökologisch an. Zur Haltung gehören Weidegang, großzügige Buchten und ganzjähriger Auslauf auch für die Ochsen in der Endmast. Eine stressfreie Haltung ist ihm wichtig. Um Stress kurz vor dem Schlachten zu vermeiden, lässt er ein Schlachthaus neben dem Endmaststall bauen.


Im Sommer will Kirchner das erste Fleisch vermarkten. Neben der Direktvermarktung in München plant er spezielle Wagyu-Events. Dafür baut er auf der Hofstelle auch eine Show-Küche. So will er Landwirtschaft und Wagyus zu einem Erlebnis für seine Kunden machen.

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