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Schröder: „Sonst ist eben Schluss"

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, nennt im top agrar-Interview seine Bedingungen, um weiter an der Initiative Tierwohl mitzuarbeiten. Er will auch mit dem Bauernverband kooperieren.

Lesezeit: 8 Minuten

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, nennt im top agrar-Interview seine Bedingungen, um weiter an der Initiative Tierwohl mitzuarbeiten. Er will auch mit dem Bauernverband kooperieren.

 

top agrar: Nach Ihrer Drohung, aus dem Beraterausschuss der Initiative Tierwohl (ITW) auszutreten, hat dieser ein Krisengespräch für den 8. September angesetzt. Das wievielte Krisengespräch der Initiative wird das sein?

 

Schröder: Krisengespräche gab es viele. In jeder Sitzung, in jedem Gespräch habe ich immer meine Kritik an der Methodik der Initiative erläutert. Mit dem Austritt habe ich allerdings zum ersten Mal gedroht. Und ich bin keiner, der das leichtfertig macht. Es muss sich sachlich einiges bewegen, damit ich doch noch dabeibleibe.

 

top agrar:Was ist Ihre Hauptkritik an der Initiative?

 

Schröder:Bislang hat die Initiative keinen einzigen Vorschlag von uns oder auch ihres eigenen Beraterausschusses in irgendeiner Weise für mich erkennbar berücksichtigt.

 

Wir wollten Lösungen, waren kompromissbereit. Wir hatten uns zum Beispiel mit den Johannes Röring und Bernhard Krüsken vom Bauernverband zusammengesetzt, um auszuloten, ob wir uns auf gemeinsame Kriterien für die Schweinemast einigen können. Diese wollten wir dann gemeinsam vorschlagen. Doch dann erfuhren wir quasi zufällig, dass die Projektgruppe Schwein der Initiative schon lange über die Kriterien für die nächsten drei Jahre entschieden hatte. Ich sage immer, wer interpretiert verliert. Aber hier wirkt es so, als wollte man uns durch Beschäftigung lahmlegen.

 

Es gibt viele Beispiele dafür, dass die Kommunikation zwischen den Gremien in der ITW nicht zielführend war. Wir diskutierten zum Beispiel im Beraterausschuss, ob man die Initiative am POS (am Point of Sale im Supermarkt; d. Red.) bewerben kann und wenn, wie. Doch dann mussten wir in der offenen Diskussion erfahren, dass es bereits fertig abgestimmte Werbeformen gab..

 

Uns ist klar, dass der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) freiwillig zahlt und dann auch deutlich mitbestimmt, wie das Geld verwendet wird. Aber auch der Bauernverband ist hier nicht besonders innovativ. Da kommt dann nur Minimum dabei raus. Dafür will ich meinen guten Namen als Tierschützer nicht hergeben. Ob die anderen Teilnehmern des Beraterausschusses (u.a. Johannes Röring, WLV; Prof. Harald Grethe, Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik; Prof. Folkhard Isermeyer, Thünen-Institut; d. Red.).das auch so sehen, dass weiß ich nicht. Ich will es mal so sagen: Ich habe bisher keinen getroffen, der die ITW mit der aktuellen Methodik flammend verteidigt.  

 

top agrar:Sind Ihnen die Kriterien der Initiative zu lasch?

 

Schröder:Vor allem stört mich, dass es keine Zukunftsperspektive gibt. Die Initiative hat ein festes Budget von 100 Millionen Euro jährlich von 2018 bis 2020. Handel und Bauernverband haben offenbar das gleiche Ziel: Sie wollen das Budget unter so vielen Bauern wie möglich aufteilen. Damit kann nur  ein Mindestmaß an Kriterien erfüllt werden, kaum über die mangelhaften Grundanforderungen hinaus.  Quantität geht offenbar vor Qualität.

 

Als Tierschützer kann ich da nicht mitgehen. Die verpflichtenden Grundanforderungen  sind unterhalb dessen, was fachlich zu akzeptieren ist und liegen teilweise nur gleichauf mit den gesetzlichen Anforderungen, z.B. beim Thema Lichteinfall oder zusätzliches organisches Beschäftigungsmaterial

 

Deswegen braucht es einen Masterplan, wie all jene Landwirte, die jetzt einsteigen, in der Zukunft das Tierschutz-Niveau noch weiter erhöhen können, über 2020 hinaus. Denn auch die Landwirte, die bereit sind, mehr im Stall zu machen, brauchen Planungssicherheit. Für weitergehende Maßnahmen  müsste man schon jetzt einen Teil der 100 Millionen reservieren,anstatt sie unter so vielen Landwirten wie möglich aufzuteilen.

 

Wie wir erfahren haben, will  die Initiative die Deckelung pro Tier sogar noch absenken. Für ein Schwein will sie maximal nur noch knapp über  5 Euro zahlen statt wie bisher 9 Euro. Innovative Landwirte werden also bestraft. So wird die Initiative niemals der „Motor für Tierwohl“, der sie sein will. Aus Tierschutz-Sicht ist sie dann schlicht nichts wert.


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top agrar:Was fehlt Ihnen in einem Schweinestall, der die Grundanforderungen erfüllt?

 

Schröder:Da darf man sich nicht im Klein-Klein verschiedener Kriterien verlieren. Wichtig ist, dass wir eine klare Zielvorstellung haben, von der wir die Kriterien dann ableiten. Und diese dann zu Paketen mit Zielsetzungen schnüren.

 

Wir sollten uns zum Beispiel das Ziel setzen, für mehr Bewegung der Tiere zu sorgen. Dazu gehört z.B. zwingend, dass die Tiere mehr Platz haben, dass es passendes Beschäftigungsmaterial gibt, und dass der Stall in Funktionsbereiche aufgeteilt ist, zwischen denen die Tiere hin und herlaufen. Auch Außenklimareize können eine Maßnahme sein, bei zugestanden den baurechtlichen Fragen.

 

Nur mit solchen Zielsetzungen kann ein Masterplan funktionieren, nach dem die Landwirte dann schrittweise noch weitere Kriterien erfüllen. Nur dann passt der zweite Schritt zum ersten, ohne dass alles wieder zusammenbricht.

 

Es wäre die Aufgabe einer Initiative wie dieser, den Bauern mit Beratung und Geldern zu helfen, den zweiten Schritt nach den ersten zu setzen. Aber ein solcher Masterplan ist von der Initiative offenbar überhaupt nicht erwünscht.

 

top agrar:Warum nicht?

 

Schröder:Der LEH hat ein Kommunikationsproblem. Dem Verbraucher ist nur schwer zu vermitteln, dass nicht alles Fleisch mit Tierwohl-Label tatsächlich aus einem Tierwohl-Stall stammt. Deswegen will der LEH schnellstmöglich 100 % der Ställe in die Initiative aufnehmen. Das wäre die einfachste Botschaft an die Verbraucher. Und der Bauernverband will alle beruhigen, mindestens die auf der Warteliste, auch ihr könnt mitmachen. Da gerät Quantität vor Qualität, das verstopft den Auspuff eines Motors für Tierwohl, wie die es sich ja selber zuschreiben, es zu sein.

 

top agrar:Die Initiative plant, ab 2018 einen Tiergesundheitsindex (TGI) einzuführen. Landwirte, die besonders gesunde Tiere liefern, sollen dann einen Bonus erhalten. Ist das ein guter Ansatz?

 

Schröder:Nein. Die Initiative heißt Tierwohl, nicht Tiergesundheit. Ein nach Befund gesundes Tier ist nicht gleichzusetzen mit einem tiergerecht gehaltenen Tier. Eine Kuh aus Anbindehaltung kannbeinen guten TGI haben, die Haltung ist aber aus Tierwohlsicht inakzeptabel. Ein Tier kann sich im Freiland leichter Parasiten einfangen. Dann schneidet es im TGI schlechter ab, obwohl es besser lebt und das Fleisch für Verbraucher zudem völlig unbedenklich ist. Also belohnt der Bonus eine Haltung, die ich als Tierschützer nicht befürworten kann.

 

Zudem will die Initiative nach unseren Informationen 7% ihrer Mittel für diesen Bonus reservieren. Die fehlen dann für die Landwirte, die konkret in Tierschutz investieren wollen. Das halte ich für nicht  vertretbar. Außerdem muss man sich systematisch entscheiden: Entweder bonitiere ich Maßnahmen, oder das Ergebnis. Aber nicht beides. Vor allem nicht, wenn die Gelder knapp sind.

 

top agrar:Ist die Initiative Tierwohl eine Konkurrenz zum Tierschutz-Label Ihrer Organisation?

 

Schröder:Nein. Beides kann miteinander bestehen. Man will uns gerne in die Ecke stellen: Ihr wollt ja nur kritisieren, um euer Label besser aussehen zu lassen. Völlig falsch, ja sogar hinterhältig. Im Gegenteil: Mit meiner Kritik an der Initiative belaste ich meine Partner im Label-Programm. Von Seiten des LEH sind fast dieselben Leute beteiligt. Mit meiner Kritik am TGI treffe ich zum Beispiel einen großen Label-Promoter. Damit tue ich dem Label keinen Gefallen, aber aus Tierschutzsicht müssen wir konsequent bleiben.

 

Der Tierschutzbund verdient an seinem Label kein Geld. Als gemeinnütziger Verein darf er das auch gar nicht. Wir wollen Vorreiter sein für mehr Tierschutz. Wenn andere dann unsere Konzepte übernehmen, freuen wir uns darüber. Ich hatte schon Landwirtschaftsministerin Aigner angeboten, dass Sie unser Label verstaatlichen darf – ohne Rechnungsstellung für unsere bisherigen Leistungen.  Das Angebot wiederhole ich gerne.

 

top agrar:Die Initiative will künftig eine Andock-Möglichkeit für Label-Programme schaffen. Möchten Sie Ihr Label künftig andocken?

 

Schröder:Derzeit lässt sich nicht absehen, wie das funktionieren kann oder soll. Offiziell hat da niemand mit uns geredet, immer nur Einzelrunden. Der Beraterausschuss hat sich dafür ausgesprochen. Wir sind offen dafür, aber es muss vernünftig gestaltet sein und nicht so, dass es nur Hürden sind, damit man sagen kann, es sollte ja, aber niemand wollte. Es konnte dann vielleicht auch niemand.

 

top agrar:Was muss im Krisengespräch am 8. September passieren, damit Sie doch noch weiter in der Initiative mitwirken?

 

Schröder:Der LEH und auch der Bauernverband müssen sich dazu bekennen, dass Quantität nicht vor Qualität geht. Von der Idee, die Deckelung pro Tier herunterzuschrauben, muss die ITW sich verabschieden. Und sie muss sich zu einem Masterplan bekennen, der den vielen willigen Landwirten schrittweise und verlässlich noch mehr Tierschutz im Stall ermöglicht.

 

Der Masterplan muss noch nicht ausgearbeitet sein. Und mir ist klar, dass es auch Kompromisse geben wird. Aber sie müssen für mich als Tierschützer vertretbar bleiben.

 

Am 14.9. trifft sich übrigens wieder die Projektgruppe Schwein. Wir werden also vermutlich am 15.9. wissen, ob sie jetzt bereit ist, auf die Vorschläge einzugehen. Sonst ist eben Schluss.

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