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Schwarz: „Ja, ich bin ein Massentierhalter! Wegducken ist keine Lösung!“

DBV-Vizepräsident Werner Schwarz fragt: War die Insektenstudie Teil einer Kampagne? Warum berichtet keiner über die Brutalität in der Natur? Sein Rat: Nicht warten, bis uns die Scheinwerfer entlarven, sondern selbst bestimmen, welche Bilder rausgehen. Das Problem: Politik lässt sich von Horror-Berichten anstecken.

Lesezeit: 7 Minuten

Über die stete Verteidigungshaltung der Landwirtschaft und Wege aus der Defensive referierte am Donnerstagabend DBV-Vizepräsident Werner Schwarz im westfälischen Beckum. Das Ziel müsse ein starker, selbstbewusster Berufsstand sein, der nicht nur die Deutungshoheit über Agrarthemen habe, sondern auch die Bilder und Informationen für den Bürger selbst liefere.


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„Man darf heute ungestraft in Ställe einsteigen und die Filme veröffentlichen“, charakterisierte er die aktuelle Situation. Entgegen der Behauptung der Tierrechtler sei das keine Aufklärung, sonst hätten sie und die Medien auch darüber berichten müssen, wie erfolgreich die Bauern die N-Düngung und die Antibiotikagaben gesenkt hätten, und wie erfolgreich die Initiative Tierwohl laufe. Solche Nachrichten finde man nicht. „Wir diskutieren heute nicht mehr über Fakten, sondern es gibt einen reinen Meinungsaustausch. Wer am lautesten schreit, gewinnt“, weiß der Bauernpräsident aus Schleswig-Holstein aus Erfahrung.


Insektenstudie: Abgesprochen und Teil einer Kampagne?


Ein aktuelles Ärgernis sind für Schwarz die Vorwürfe, die Bauern seien für das Insektensterben verantwortlich. Vor den Landwirten in der Beckumer Volksbank stellte er die These auf, dass bestimmte Politiker und Umweltverbände gemeinsame Sache machen würden. So hätten sie vor längerer Zeit mit exakt den Zahlen argumentiert, die jetzt angeblich erst durch eine aktuelle Studie von Naturschützern herausgefunden worden sein sollen. Einem Schweizer Journalisten sei diese verblüffende Verbindung kürzlich aufgefallen. Für Schwarz der Beweis, dass das Ziel, die Landwirtschaft damit anzugreifen, schon lange von interessierten Kreisen geplant gewesen sei.


Ähnliches vermutet er beim Thema Glyphosat. „Wenn das Mittel schädlich wäre, hätte es sofort verboten werden müssen. Heute geht es um eine zweifelhafte Annahme, Stichwort „wahrscheinlich krebserregend“. Leider konnte die Politik keine klare Meinung mehr fassen“, bedauert Schwarz, der offen sagt, dass er natürlich ein Lobbyist sei. Er versuche jedoch mit Argumenten Einfluss zu nehmen, nicht mit Druck.


„Warum berichtet keiner über die Brutalität in der Natur?“


Als Sauenhalter mit Webcam und Verantwortlicher für die Öffentlichkeitsarbeit im DBV ist Schwarz ganz nah dran an Vorurteilen aus der Bevölkerung, an Kritik in den Sozialen Netzwerken und Berichten mit illegalem Filmmaterial aus Ställen. „Natürlich gibt es Betriebe, wo was schief läuft, das tut es aber auch in der Natur.


Warum berichtet darüber keiner?“, fragt der Redner. Bilder von gerissenen Kühen durch den Wolf oder Vögeln, die Katzen gefangen haben, passen seiner Meinung nach nicht in die heile Landlust-Heimat-Welt der Verbraucher. „Dabei ist die Natur verstörend brutal. Ist das Tierquälerei oder normal? Wie gehen wir damit um, im Vergleich zu Tieren im Stall?“, fragt der Schweinehalter und stellt fest: Nulltoleranz gibt es nicht! Landwirte jedenfalls würden ihre Tiere nach bestem Wissen und Gewissen halten.


„Glaubt den jemand, die gezeigten Bilder von kranken Schweinen seien Alltag in deutschen Ställen? Wie sollte ein Bauer denn so wirtschaftlich überleben?“ Schwarz plädiert in diesem Zusammenhang offen dazu, kranke Tiere, die keine Aussicht auf Genesung haben, vom Leid zu erlösen. Ein Landwirt leide mit seinen kranken Tieren, daher werde der Verband aus Rendsburg in Kürze Leitlinien zum Umgang mit Tieren veröffentlichen, die erlöst werden müssen.


„Nicht warten, bis uns die Scheinwerfer entlarven“


Laut Schwarz sagen nur die Fakten etwas über die Landwirtschaft aus. Die Medienberichte dagegen nur etwas über die Kritiker. „Wir dürfen nicht warten, bis uns die Scheinwerfer entlarven, sondern wir müssen jetzt selbst zeigen, was wir tun“, so der Verbandsvertreter weiter. Wohlwissend, dass das vielen Berufskollegen schwer fällt. „Der Bürger misstraut uns so sehr, dass die Politik immer schärfere Gesetze beschließt. Und da uns der Bürger nicht glaubt, müssen wir ihm die Informationen und Fakten liefern, damit er sich selbst wieder ein Bild machen kann“, erklärt Schwarz. Nur das dann vom Bürger selbst gefällte Urteil zähle, nicht das von außen aufgedrängte. „Wenn wir wie bisher sagen, wir wissen was wir tun und wir haben recht, funktioniert das nicht.“


Selbst bestimmen, welche Bilder raus gehen


Der DBV-Vizepräsident hält es für ungemein wichtig, dass sich Bauern regelmäßig und positiv vor Ort ins Gespräch bringen. Das könne durch Öffnung der Betriebe geschehen, entweder direkt oder im Internet. Als Beispiel führte er seine Webcam an: „Wer selber Bilder aus dem Stall zeigt, beweist, dass 365 Tage im Jahr alles in Ordnung ist. Und: Man kann selbst entscheiden, was gezeigt wird, was gut läuft, und erklären, warum etwas nicht gut läuft.“


Gegner der Tierhaltung würden dennoch versuchen, Negatives zu finden, berichtete Schwarz aus seinem Alltag weiter. So hätten Tierrechtler ein Kamerabild festgehalten, wo tote Ferkel im Gang lagen. Für Schwarz Gelegenheit per Facebook zu erklären, dass es ja wichtiger sei, sich um die lebenden Ferkel zu kümmern und es Vorgabe sei, tote Tiere im Gang zur unmittelbaren Entfernung aus dem Stall zu sammeln. Mit den Erläuterungen und dem Einstellen der Tierrechtler-Pressemitteilung auf Facebook habe er deren Angriff ins Leere laufen lassen.


„Wie wir uns selber darstellen, haben wir nicht gelernt“


„Wir müssen Bilder der modernen Landwirtschaft zeigen, sonst tun es andere“, so Schwarz, der hervorhebt, dass in seinen Betrieb nicht ohne Grund bei der letzten großen Kampagne gegen hohe Funktionäre der Bauernverbände nicht eingebrochen wurde. Wichtig sei nur, dass sich die Betriebsleiter dauerhaft dem Thema Öffentlichkeitsarbeit verschreiben. Das dürfe keine Eintagsfliege sein. „Wir wissen, was wir tun, wir haben es ja gelernt. Nur wie wir uns selber darstellen, haben wir nicht gelernt. So werden wir zum Opfer von Kampagnen“, sagt Schwarz.


Die Herausforderung für die Landwirte bleibe dabei, dass Kritiker negative Kampagnen fahren können, dabei aber selbst sauber bleiben. Das könnten und wollten die Bauern nicht. Schwarz empfiehlt daher entwaffnende Kampagnen, die die Kritik bloßstellen und widerlegen, mit „Offenheit, Echtheit und Ehrlichkeit“, wie Schwarz sagte. Dann sei man glaubwürdig.


Politik lässt sich von Horror-Berichten anstecken


Bedauerlicherweise werde das Bild von der Landwirtschaft heute von den Agrarkritikern gemacht, und das zeichne ein Horror-Szenario, das die Bürger verunsichert. Leider lasse sich davon zunehmend auch die Politik anstecken. So würden immer neue Regeln und Vorgaben die Freiheit der Landwirte mit ihrer Verbundenheit zur Natur beschneiden. „Wir müssen inzwischen dafür kämpfen, dass man uns noch in und mit der Natur arbeiten lässt“, bedauert der Schleswig-Holsteiner.


Seinen Berufskollegen riet er zum Abschluss, in Gesprächen nicht nur auf Zwänge und Sorgen hinzuweisen, sondern auch auf die Freude des Berufs und das Generationendenken. Junge Landwirte sollten „mit Selbstbewusstsein und geradem Rücken“ durchs Leben gehen. „Wegducken ist keine Lösung“, sagte Schwarz. Mit Freude sehe er, wie zunehmend junge Landwirte in den Sozialen Medien aufstehen.


Nachschlag. „Ja, ich bin ein Massentierhalter!“


In der angeregten Fragestunde im Anschluss an den Vortrag stellte Schwarz offen klar, ein Massentierhalter zu sein. „Nur was ist eine Masse? Drei Schweine sind ebenso eine Masse wie 300 Schweine. Das ist egal, man hält eine undefinierte Masse Tiere“, so Schwarz, der über 4.500 Schweine hält. Er rät zum offenen Umgang mit dem Begriff, ihn „wegzuschweigen“ funktioniere nicht.


Kritisch äußerte sich der Redner auch zu der Flut an Gutachten von allen Seiten. „Damit kommen wir nicht weiter, genauso wenig wie mit der Aussage, ich halte meine Tiere richtig. Wir müssen es den Leuten zeigen“, so Schwarz. Wie wichtig das ist, zeigte eine Wortmeldung aus dem Publikum. Ein Landwirt berichtete, er führe ja Besucher durch seine Ställe, nur die seien trotzdem nachher erschüttert, obwohl alles sauber und gesetzeskonform ist. Das bestärkt Schwarz nur darin, dass die Bürger den Maßstab verloren hätten. Nur durch Information und den direkten Kontakt könne man das wieder geraderücken.

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