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Sonnleitner: „Die EU ist ein Segen für die Landwirte“

Was hat die EU den Bauern gebracht? Und wohin sollte die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Süddeutschland und Österreich steuern? Das top agrar-Magazin "Südplus" (Ausgabe 3/2017) sprach darüber mit dem langjährigen Bauernpräsidenten Gerd Sonnleitner.

Lesezeit: 7 Minuten

Was hat die EU den Bauern gebracht? Und wohin sollte die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Süddeutschland und Österreich steuern? Das top agrar-Magazin "Südplus" (Ausgabe 3/2017) sprach darüber mit dem langjährigen Bauernpräsidenten Gerd Sonnleitner.


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Herr Sonnleitner, Sie wurden kürzlich mit dem Großen Ehrenzeichen, dem wichtigsten Orden der Republik Österreich, ausgezeichnet. Wie haben Sie als Niederbayer das geschafft?


Gerd Sonnleitner: Durch meine sehr gute Zusammenarbeit mit den Präsidenten der österreichischen Landwirtschaftskammerkonferenz, mit denen ich in der COPA (Dachverband der europäischen Bauernverbände) europäische Politik gestaltet habe. Mir ging es darum, dass wir einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Ländern in der EU finden. Dabei sollten auch die Interessen der Länder mit kleineren landwirtschaftlichen Strukturen und schwierigen Landschaften nicht zu kurz kommen. 


In seiner Laudatio betonte der österreichische Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter, dass Sie eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Agrarpolitik im Sinne der von Familien getragenen Landwirtschaft im Blick hatten.


Sonnleitner: Wenn man auf so einem alten Bauernhof wie ich aufgewachsen ist, dann denkt man immer in Generationen. Dies habe ich auch versucht, in der Politik umzusetzen. Die meisten Bauern leben Nachhaltigkeit ja vor. Dazu gehört aber auch die unternehmerische Landwirtschaft. Deshalb müssen die Rahmenbedingungen von der Politik so gestaltet werden, dass wir Bauern auch mithalten können. Wir können die Globalisierung nicht aufhalten. Deshalb müssen wir versuchen, sie zu gestalten.


Sie wohnen direkt an der bayerisch-österreichischen Grenze. Welche Gemeinsamkeiten haben die Landwirtschaft in Süddeutschland und Österreich und wo unterscheiden sie sich?


Sonnleitner: Wir haben etwa die gleiche Mentalität. Das mag auch daran liegen, dass die Grenze immer mal wieder hin- und hergeschoben wurde. In beiden Ländern gibt es neben den Vollerwerbsbetrieben immer schon die Zu- und Nebenerwerbslandwirtschaft. Es war üblich, dass man die Einkommensbasis verbreitert. Dass schätzungsweise 80 % der Bauern noch ein zusätzliches Einkommen haben, hat die Wirtschaftskreisläufe in unseren ländlichen Regionen enorm gestärkt. Die Österreicher haben noch kleinere Strukturen in der Landwirtschaft erhalten als in Bayern, weil die Regierung dort den Bauern bei den Steuern und in der Sozialpolitik stärker entgegengekommen ist als bei uns.


Also macht Österreich die bessere Agrarpolitik …


Sonnleitner: Das ist in Einzelbereichen zutreffend. Anderswo läuft es in Bayern besser. Ich würde mir natürlich diese Agrarsozialpoltik für Deutschland auch wünschen, aber das ist finanzpolitisch unrealistisch.


Österreich und die süddeutschen Bundesländer setzen in der Agrarpolitik gleichermaßen sehr stark auf Wertschöpfung, Diversifizierung und Agrarumweltprogramme. Ist das der richtige Weg?


Sonnleitner: Ja, weil das in der Kultur dieser Länder bzw. Regionen verankert ist. Das System der zwei Säulen in der EU-Agrarpolitik passt gut zu unseren Betriebsstrukturen in Österreich, Bayern und Baden-Württemberg. Es ist lobenswert, dass die 2. Säule stark mit nationalen und regionalen Mitteln ausgestattet wird. Das bayerische Kulturlandschaftsprogramm ist gut für Umwelt und Tiere. Ich sehe es aber auch als Ausgleich für Wettbewerbsnachteile, damit Betriebe in schwierigeren Lagen und Strukturen eine ökonomische Chance haben.


Stoßen wir angesichts des zunehmenden Widerstands der Bevölkerung gegen neue Ställe an eine Grenze und wird das betriebliche Wachstum künftig langsamer gehen?


Sonnleitner: Österreich war seit jeher etwas vorsichtiger, was Größenwachstum angeht, und hat mehr auf Verbreiterung des Einkommens gesetzt. Wenn ich die Schulen dort anschaue, dann lernen die Schüler nicht nur Landwirtschaft, sondern zeitgleich Fremdenverkehrsmanager oder klassische Berufe wie Metzger bzw. Bäcker. In Bayern ist die Diskussion noch nicht so ausgeprägt. Wollen wir uns zu einem Spezialitätenladen mit hohem Image entwickeln oder durch Größenwachstum wettbewerbsfähiger werden? Vor dieser Frage stehen wir in Bayern, um einen gesunden Mix zu bekommen.


Und wie ist Ihre Meinung dazu?


Sonnleitner: Ich würde in Richtung Image gehen, da haben wir noch alle Chancen. Beim Größenwachstum sind unsere natürlichen Voraussetzungen schwieriger: Mit der Verzahnung der Gesellschaft und bei den engen Räumen ist keine großräumige Bewirtschaftung möglich. In einigen Regionen müssen wir auch bei der Veredlungsdichte aufpassen, dass wir nicht eine kritische Grenze überschreiten.


Europakritische Parteien haben aktuell großen Zulauf. Auch mancher Landwirt überlegt, bei der nächsten Wahl sein Kreuz dort zu machen. Hat die EU den Bauern in den letzten Jahrzehnten mehr geschadet als genutzt?


Sonnleitner: Ich bin oft schockiert und traurig, dass man in manchen Kreisen so negativ über die EU und die gemeinsame Agrarpolitik denkt. Europa ist ein Segen für uns Landwirte gewesen und bleibt es. Man muss sich nur vorstellen, was mit uns Bauern bei bilateralen und multilateralen Handelsverträgen passiert wäre, wenn wir die gemeinsame europäische Agrarpolitik nicht gehabt hätten. Da wäre die Landwirtschaft untergebuttert oder aufgegeben worden. In Deutschland hätte die Industrie die Verhandlungen dominiert und Handelsverträge gemacht. Dann gäbe es in Deutschland vielleicht gar keine richtige Landwirtschaft mehr, oder nurmehr extreme Großbetriebe, und andere Flächen wären stillgelegt worden.


Durch die EU konnte sich die Landwirtschaft wirtschaftlich mitentwickeln, ohne durch einen Bruch unterzugehen. Fürchterlich geärgert hat mich auch immer, wie Landes- oder Bundespolitiker ihr eigenes Versagen jedes Mal nach Brüssel geschoben haben. Das ist eine wesentliche Ursache für das negative Image der EU. Übrigens ist die EU für mich mehr als Agrarpolitik. Europa ist auch Friedens- und Stabilitätspolitik. Erst unter solchen Rahmenbedingungen kann ich als Unternehmer langfristig planen. Denn Frieden ist, anders als manche das denken, leider nicht selbstverständlich.


Welche Folgen hätte es für die Bauern, wenn die EU auseinanderbräche?


Sonnleitner: Das wäre unkalkulierbar. Es würden vermutlich sofort alle Zahlungen eingestellt. Es müssten überall neue Handelsverträge gemacht werden und Grenzen würden wieder entstehen. Die Politik würde dann die Pfründe neu verteilen. Das würde ein Hauen und Stechen werden. Und die Planungssicherheit wäre weg für unsere Bauern für Investitionen, für betriebliche Entwicklungen etc.


Schlimmer als unter der Preiskrise leiden die Bauern unter der Dauerkritik seitens der NGOs, Medien und Teilen der Politik. Was sind nach Ihrer Beobachtung die Ursachen für dieses Bauern-Bashing?


Sonnleitner: Gegen diesen Begriff wehre ich mich etwas. Es werden auch andere Bevölkerungsschichten durch den Kakao gezogen. Ich habe immer gesagt: Nehmt die Kritik bitte nicht zu persönlich und zeigt nach außen einen gesunden Bauernstolz. Wenn ich in der Defensive bin und mich ständig verfolgt fühle, strahle ich nach außen keine Selbstsicherheit mehr aus. Die Menschen wollen Siegertypen, die selbstbewusst sind. Wir Bauern müssen  höllisch aufpassen, dass wir die Köpfe nicht hängen lassen. Denn dann trampeln die anderen noch mehr auf uns herum.


Es bleibt uns nur der Weg, über verschiedene Wege Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben: über Pressearbeit, über Tage des offenen Hofes usw. Und jeder einzelne Bauer als Eigentümer und Bewirtschafter muss auf seine Nachbarn und sein Umfeld besser eingehen. Wir können das nicht alles an den Bauernverband delegieren. Was viele Bauern immer wieder vergessen: Wir sind Eigentümer von unserem Grund und Boden und wir haben sehr viel zu verlieren. Wir müssen so mit unserem Umfeld umgehen, dass nicht von der Masse der Druck kommt, denen könnten wir ja was wegnehmen.


Sie sind im Ruhestand wieder auf Ihren Hof zurückgekehrt. Betreiben Sie noch aktiv Landwirtschaft?


Sonnleitner: Ja, ich bewirtschafte ca. 100 ha Land. Als ich während meiner Präsidentschaft für den Hof nicht mehr greifbar war, haben wir die Tierhaltung aufgegeben. Wir hatten bis dahin Fresseraufzucht und Schweinemast. Jetzt haben wir einen reinen Ackerbaubetrieb mit Mais, Zuckerrüben, Weizen und dieses Jahr erstmals 4,5 ha Kürbiskerne. Wir dehnen die Kürbisproduktion vorerst nicht aus, weil die Preise um die Hälfte gesunken sind. Dafür bauen wir jetzt erstmals auf 1,5 ha Amaranth an.

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