Die europäischen Sozialdemokraten sprechen sich für eine starke und offensive Reform der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) aus. Sie veröffentlichen demonstrativ einen Gegenentwurf zum GAP-Strategiepapier der Europäischen Volkspartei (EVP). Den Konservativen werfen sie eine zu defensive Haltung vor.
Als Reaktion auf das Positionspapier der konservativen europäischen EVP-Fraktion haben zehn sozialdemokratische Europaabgeordnete aus dem Landwirtschaftsausschuss einen Aufruf verfasst. Darin werfen sie der EVP, aber auch der EU-Kommission sowie dem Rat vor, zu „defensive“ Positionen bei der Weiterentwicklung der europäischen Agrarpolitik einzunehmen. Sie appellieren, die europäische Landwirtschaft „nicht im Stich zu lassen“. Zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehören unter anderem der Agrarsprecher der Sozialdemokraten, Eric Andrieu aus Frankreich, die deutsche Abgeordnete Maria Noichl sowie die stellvertretenden Vorsitzenden im EU-Landwirtschaftsausschuss, Vasilica Viorica Dancila aus Rumänien und Clara Eugenia Aguilera Garcia aus Spanien.
Die Mitglieder der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) kritisieren insbesondere die Ansichten der EVP, die stellvertretend für „fehlende Visionen“ stünden. Die EVP billige ein System, „das am Abgrund steht und unsere Landwirtinnen und Landwirte erdrosselt“, heißt es in dem Aufruf der sozialdemokratischen Agrarpolitiker. Die Diskussion um die nächste GAP auf nach 2025 zu verschieben, wie es im Papier der EVP gefordert wird, würde die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik im Keim ersticken.
Wettlauf um Freihandelsabkommen stoppen
Die Sozialdemokraten fordern nicht zuletzt aus Umweltschutzgründen, dass über die GAP den Landwirten der Zugang zu neuen innovativen Technologien, wie etwa die Präzisionslandwirtschaft sowie die Robotisierung, eröffnet werden müsse. So verwendeten beispielsweise in Frankreich lediglich rund 20.000 Landwirte Dienstleistungen aus europäischen Satellitenbildern. Kritisch gesehen wird die gerade von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker propagierte offensive EU-Handelspolitik. Europas Landwirte dürften nicht durch die Kumulierung landwirtschaftlicher Zugeständnisse in Handelsgesprächen bedroht werden, so die Abgeordneten. Sie fordern, den „uneingeschränkten Wettlauf“ um Freihandelsabkommen zu stoppen.
Der aktive Klimaschutz kommt ihnen dagegen aktuell deutlich zu kurz. Gerade in der jüngeren Vergangenheit hätten viele Wetterunbilden den Landwirten Ernteausfälle beschert. Nach dem Willen der Sozialdemokraten im EU-Parlament sollten landwirtschaftliche Praktiken unterstützt werden, die die Möglichkeit eröffnen, mehr Kohlenstoff im Boden zu speichern, Wasserressourcen besser zu schützen oder die den Einsatz von Stickstoffemissionen begrenzen.
Die EVP hatte sich bei ihrem Parteikongress in Kopenhagen Anfang September dafür ausgesprochen, die geltenden Regelungen der EU-Agrarpolitik bis zum Jahr 2024 beizubehalten. Begründet hatten sie es damit, dass es zunächst Klarheit über das verfügbare EU-Agrarbudget nach dem Brexit geben müsse.