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Straßenbau: Aufpassen bei der Flurbereinigung

Weiträumige Flurbereinigungen sind für große Verkehrswegebauten Pflicht. Wie Sie dabei für Ihren Betrieb die Weichen richtig stellen, erklärt Rechtsanwalt Alexander Völke aus Helmstedt in der aktuellen top agrar 4/2017

Lesezeit: 10 Minuten

Weiträumige Flurbereinigungen sind für große Verkehrswegebauten Pflicht. Wie Sie dabei für Ihren Betrieb die Weichen richtig stellen, erklärt Rechtsanwalt Alexander Völke aus Helmstedt in der aktuellen top agrar 4/2017:


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Neue Verkehrswege verändern die Landschaft und Bewirtschaftung der ganzen Region. Ist mit dem Planfeststellungsverfahren (top agrar 3/2017, S. 46) geklärt, was passieren soll, geht es um die konkrete Umsetzung in der Fläche. Für Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan kommt es in der Regel zu einer weiträumigen Unternehmensflurbereinigung. Sie ordnet die Flächen neu, und ist auch das Enteignungsverfahren. Der Hintergrund:


  • Der größere Landverlust soll sich weiträumig auf viele Landeigentümer „verteilen“. Die Flurbereinigung umfasst deshalb auch viel Land, das nicht bebaut wird.
  • Die neuen Straßen, Schienen und Kanäle sollen keine Betriebe zerschneiden. Die Behörde braucht daher viel Manövriermasse, um wieder wirtschaftsfähige Einheiten herzustellen.


Landabzug ist zu tragen


Ziel der Flurbereinigung ist, die Landverluste des Verkehrswegebaus durch angekauftes Land komplett auszugleichen. Das klappt in der Praxis aber eher selten. Die Folge: Die Landeigentümer müssen meist Landabzüge in Höhe von 2 bis 3 % des Flurbereinigungsgebietes unentschädigt tragen. Die Kosten für die Umsetzung der Flurbereinigung hat bei einer Unternehmensflurbereinigung für Verkehrsprojekte der Straßenbauträger zu übernehmen. Umfasst die Flurbereinigung allerdings auch weitere agrarstrukturelle Maßnahmen, die nichts mit dem Verkehrswegebau zu tun haben, fallen diese den Landeigentümern als Teilnehmergemeinschaft zur Last. Dafür profitieren die Betriebe von größeren Schlägen, neuen Wegen etc.


Wichtig zu wissen ist außerdem


Der Flurbereinigungsplan kann zwar auch als Enteignung gegen den Willen der Landeigentümer durchgesetzt werden. Allerdings muss die Flurbereinigungsbehörde, die das Verfahren leitet, das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachten. Danach muss sie auch nach rechtlich und wirtschaftlich vertretbaren Lösungen suchen, die eine Enteignung vermeiden.


Neben dem Landverlust geht es für die Landwirte vor Ort aber auch um die langfristige Weichenstellung für den Betrieb. Signalisieren Sie der Behörde frühzeitig eindringlich, dass mit Ihnen zu rechnen ist. Suchen Sie gemeinsam nach Lösungen, machen Sie aber auch klar, dass Sie im Zweifelsfall vor gerichtlichen Schritten nicht zurückschrecken.


Nah am Verfahren bleiben!


Beachten Sie im Flurbereinigungsverfahren folgende fünf Etappen besonders:


1. Flurbereinigungsbeschluss: Er legt das Flurbereinigungsgebiet fest. Haben Sie Flächen im Gebiet, klären Sie folgendes:

  • Warum sind die Flächen einbezogen?
  • Was sieht der Planfeststellungsbeschluss auf den Flächen vor?
  • Hat die Behörde das Flurbereinigungsgebiet nach den Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses ordnungsgemäß festgestellt?
Nachfragen sollten Sie insbesondere, wenn Ihr Land nicht im Planfeststellungsbeschluss auftaucht, aber trotzdem im Flurbereinigungsgebiet liegt. Hier könnte es Sinn machen, zu versuchen, die Grundstücke wieder herauszulösen. Dazu müssen Sie allerdings den Flurbereinigungsbeschluss anfechten. Ansatzpunkte dabei können sein:

  • Haben Planfeststellungs- und Flurbereinigungsbehörde gemäß der Leitlinien der Ländern korrekt zusammengearbeitet?
  • Wurde das Flurbereinigungsgebiet nach Maßgabe des Planfeststellungsbeschlusses ordnungsgemäß festgelegt?


2. Wertermittlung: Nur wenn die Bewertung der Grundstücke im Verhältnis zueinander stimmt, kann die Flurbereinigung gerecht ablaufen. Denn jeder Landeigentümer bekommt eine Punktzahl für seine eingebrachten Flächen. Am Ende soll er in der neuen Ordnung dann wieder auf die gleiche Punktzahl kommen. Die Wertzahl pro 100 m2 orientiert sich dabei an den Bodenpunkten mit Auf- und Abschlägen.


Prüfen Sie unbedingt sofort die Wertermittlung Ihrer und der Nachbarflächen: Haben aus Ihrer Sicht gute Flächen im Verhältnis zu anderen auch bessere Wertzahlen? Falls Sie hier Zweifel haben, sprechen Sie bei der Flurbereinigungsbehörde vor.


Immer wieder zu Verwerfungen führt, dass die Wertzahlen nur den allgemeinen landwirtschaftlichen Nutzwert bemessen. Innerbetriebliche „Sonderwerte“ wie günstige Lage zum Hof, mögliche Windvorranggebiete, potenzielle Stallbaustandorte, Weideflächen in Stallnähe oder ortsrandnahe Flächen mit Baupotenzial bleiben außen vor. Versuchen Sie deshalb am besten, diese Standorte zu behalten. Gelingt das nicht, drängen Sie auf eine Bewertung und wertgleiche Abfindung. Übrigens: Wenn das Windgebiet schon ausgewiesen ist, kann es sinnvoll sein, Windpachtverträge mit Grundbuchsicherheit abzuschließen und so eine Rechtsposition zu schaffen. Gibt es kein ausgewiesenes Windgebiet, nützt ein Windpachtvertrag wenig, er könnte sogar eher den Wert der Fläche durch das belastete Grundbuch mindern.


Steht der Wertermittlungsbeschluss, können Sie gegen ihn innerhalb von vier Wochen Rechtsmittel einlegen.


3. Planwunschtermin: Bei diesem oftmals unterschätzten Termin teilen die Landeigentümer ihre eigenen Vorstellungen mit. Zwar muss die Behörde Ihre Wünsche nicht umsetzen, aber bei der späteren Verhältnismäßigkeitsprüfung beachten. Bereiten Sie sich vor und gehen Sie mit klaren Vorstellungen zum Termin:

  • Legen Sie konkret dar, warum Sie bestimmte Flächen wünschen bzw. andere nachteilig finden.
  • Erläutern Sie geplante Projekte wie eine Aussiedlung oder neue Produktionszweige am besten schriftlich.
  • Schlagen Sie der Behörde flächensparende Alternativen für den naturschutzfachlichen Ausgleich vor (s. top agrar 5/2015, S. 28 oder www.topagrar.com/heft+).
  • Suchen Sie gemeinsam mit der Behörde nach Lösungen, wenn Sie z. B. zum Verkauf stehende Flächen kennen, die Sie als Ersatz für Ihre Flächen akzeptieren würden.
  • Stellen Sie sicher, dass die Behörde ordnungsgemäß und für Sie nachweisbar alles dokumentiert.
Nutzen Sie den Planwunschtermin unbedingt – wer dies versäumt, kann später nur schwer argumentieren, dass die Behörde Ihre Vorhaben nicht ausreichend berücksichtigt habe.


4. Vorläufige Besitzeinweisung:Hat die Behörde die Flächenverteilung geklärt, erhalten die Eigentümer oft schon ihre neuen Flächen, bevor der Flurbereinigungsplan rechtlich feststeht. Das macht bei Verkehrsprojekten Sinn, da die Baumaßnahmen meist schon die alte Feldeinteilung zersplittern, bevor der Flurbereinigungsplan greift. Sie müssen aber nicht befürchten, dass Sie durch eine Bewirtschaftung automatisch den Flurbereinigungsplan billigen.


Greift allerdings schon die Besitzeinweisung so stark in ihren Betrieb ein, dass hier erhebliche wirtschaftliche Verluste bis hin zur Existenzgefährdung drohen, sollten Sie Rechtsmittel gegen die vorläufige Besitzeinweisung einlegen. Die Erfolgsaussichten sind zwar meist nicht hoch. Allerdings kann man auf diesem Weg der Behörde die Probleme aufzeigen und mit ihr ins Gespräch kommen.


5. Flurbereinigungsplan: Der ausführliche Flurbereinigungsplan legt die Neuzuteilung sowie die Höhe des Landverlustes endgültig fest. Stellt Sie die Lösung nicht zufrieden und erleiden Sie  erhebliche Eingriffe und wirtschaftliche Verluste in Ihrem Betrieb, müssen Sie Widerspruch einlegen. Geht die Behörde darauf nicht ein, bleibt nur die gerichtliche Überprüfung.


Vor Gericht geht es meist um die Aussagekraft der Wertzahlen. Denn auch wenn die Wertzahlen der alten Grundstücke mit denen der neuen übereinstimmen, ist die gleiche Fläche nicht für jeden Betrieb gleich viel wert.


Die Flurbereinigungsgerichte gehen deshalb bei einer späteren Beurteilung der ordnungsgemäßen Abfindung nicht zwingend allein von den Wertzahlen aus, sondern von den Gesamtauswirkungen der Neuzuteilung auf Ihren landwirtschaftlichen Betrieb.


Diese wirtschaftlichen Einschränkungen müssen Sie dem Gericht mithilfe eines Sachverständigen darlegen, um eine andere Neuzuteilung zu erreichen.


Wertzahl und Verkehrswert passen nicht immer!


Eine Fläche hat nicht zwingend für jeden Betrieb den gleichen Wert, so Bodengutachter Dr. Egon Janssen, Gillersheim.


Auch wenn die auf den Bodenpunkten basierende Wertzahl für die Behörden ein gut greifbarer Maßstab ist, um die Flächen in einer Flurbereinigung möglichst gerecht neu zu verteilen: Für den einzelnen Betrieb bemisst sich der Wert einer Fläche auch an ganz anderen Eigenschaften. Anhand von zwei Praxisbeispielen zeigt Dr. Egon Janssen, Sachverständiger für Bodenschutz und Bodenkunde aus Gillersheim, wo Sie ansetzen können, wenn Sie sich ungerecht behandelt fühlen.


Gleiche Wertzahl – halber Ertrag


Einem Milchviehbetrieb wird eine 8 ha große Grünlandfläche entzogen. An anderer Stelle erhält er dafür eine gleich große Grünlandfläche mit gleicher Wertzahl zurück. Doch der Landwirt kann auf der Neufläche nicht einmal die Hälfte des auf der Altfläche erreichten Ertrags erzielen. Eine daraufhin veranlasste bodenkundliche Nachschätzung bestätigt jedoch die Wertzahlen, beide Standorte sind als lehmiger Sand einzustufen.


Die Ursachen für das unterschiedliche Ertragsniveau ermittelt erst ein im Zuge eines Klageverfahrens beauftragter Sachverständiger für Bodenkunde. Er stellt gravierende Unterschiede bei der Wasserversorgung fest. Während die Altfläche das ganze Jahr über aus dem Grundwasser heraus mit Wasser versorgt wird, ist das Wassernachlieferungsvermögen auf der Neufläche äußerst gering. Zudem sind die bodenphysikalischen Gegebenheiten für die Weidenutzung auf der Altfläche wesentlich günstiger als auf der Neufläche.


Das Beispiel zeigt, dass die Wertzahlen – auch wenn sie richtig ermittelt wurden – in manchen Fällen die Ertragskraft und damit den Nutzen für den landwirtschaftlichen Betrieb nicht angemessen wiedergeben. Die Parameter der Bodenschätzung sind teils nicht ausreichend, den pflanzenbaulichen Wert einer Fläche hinreichend genau anzugeben. Zwar geht auch die sogenannte Wasserstufe in die Berechnung der Wertzahl ein, sie verändert diese jedoch nur um wenige Punkte. Im geschilderten Fall kam es dadurch zu einer krassen Fehleinschätzung der tatsächlichen Ertragsfähigkeit.


Auch andere Parameter, die nicht mit der Wertzahl erfasst werden, können den Nutzwert einer landwirtschaftlichen Fläche beeinflussen. Als Beispiele seien Flächenform, Hangneigung, Erosionsanfälligkeit, Beregnungsmöglichkeit, Schadstoffbelastung und Nährstoffversorgung genannt. So steht ein Acker mit Phosphorwerten in Gehaltsklasse E langfristig nicht für eine organische Düngung zur Verfügung. Sehr niedrige Nährstoffgehalte muss man dagegen teuer ausgleichen.


In vielen Fällen kann ein Gutachten eines qualifizierten Sachverständigen dafür sorgen, dass nicht in der Wertzahl berücksichtigte Faktoren angemessen gewürdigt werden und in die Flächenzuteilung oder in der Bemessung von Ausgleichszahlungen einfließen.


Verkehrswert zu niedrig


Kann Betrieben in der Flurbereinigung keine entsprechende Ausgleichsfläche zur Verfügung gestellt werden, muss der Flächenentzug monetär entschädigt werden.


In der Regel wird dann der aus statistischen Daten der vergangenen Jahre ermittelte Verkehrswert herangezogen. In Zeiten steigender Landpreise ist der so berechnete Wert aber meist erheblich niedriger als der auf dem freien Markt zu erzielende Verkaufspreis. Aber selbst wenn ein aktuell realistischer Preis gezahlt wird, stellt sich die Frage, ob dieser den finanziellen Schaden für den Landwirt überhaupt abdeckt.


Das zeigt ein aktuelles Beispiel: Ein 400 ha Ackerbaubetrieb verliert 3,6 ha Ackerfläche. Denn bei Trassenbaumaßnahmen wurde das Land als Baustreifen so verdichtet, dass dort dauerhaft keine landwirtschaftliche Nutzung mehr möglich ist. Eine passende Ersatzfläche ist nicht auffindbar, der Landwirt erhält eine Entschädigung. Setzt man den Verkehrswert mit 24 000 € pro ha an, würde sich eine Entschädigungssumme von 86 400 € ergeben.


Aber: Da der Betrieb keine neue Fläche in Betriebsnähe zukaufen kann, muss der Betrieb dauerhaft auf den Erlös aus der entzogenen Fläche verzichten. Auf der Kostenseite reduzieren sich zwar die Direkt- und die variablen Kosten, die Fixkosten bleiben jedoch gleich. Der Betrieb erzielte in den vergangenen 5 Jahren bei einer Raps-Getreide-Fruchtfolge einen mittleren Deckungsbeitrag von 911 € pro ha. Dieser Wert korrespondiert gut mit den Zahlen aus den Richtwert-Deckungsbeiträgen der zuständigen Landwirtschaftskammer.


Dazu ist zu berücksichtigen, dass die angeschnittene Restfläche nicht mehr rechteckig und deutlich kleiner ist, so dass sich hier die pro ha berechneten Kosten der Arbeitserledigung erhöhen.


Anhand der betriebsspezifischen Daten errechnen sich 358 € Mehraufwand pro Jahr. Es ergibt sich ein dauerhafter, jährlicher Schaden von 3,6 ha x 911 € + 358 € = 3 637,60 €


Geht man von einem langfristig erzielbaren Zins von jährlich 2,5 % aus, ergibt sich eine Schadenssumme von 145 504 €. Dieser Betrag ist 59 104 € höher als die Entschädigung auf Basis des Verkehrwerts. Aufgrund des Sachverständigengutachtens musste der Bauträger diese Summe an den Landwirt auszahlen.

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