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Tackmann: „Bodeneigentum muss breit gestreut sein“

Die Agrarsprecherin der LINKEN, Kirsten Tackmann, sieht Bewegung in der nationalen Agrarpolitik. Was sie als Oppositionspolitikerin an Agrarministerin Julia Klöckner schätzt und wo sie in der Debatte um die EU-Agrarpolitik, den Bodenmarkt, den Wolf und die Ferkelkastration steht, erläutert sie im Gespräch mit topagrar.

Lesezeit: 9 Minuten

Die Agrarsprecherin der LINKEN im Bundestag, Dr. Kirsten Tackmann, sieht Bewegung in der nationalen Agrarpolitik. Was sie als Oppositionspolitikerin an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner schätzt und wo sie in der Debatte um die EU-Agrarpolitik, den Bodenmarkt, den Umgang mit dem Wolf und die Ferkelkastration steht, erläutert sie im Gespräch mit top agrar.


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Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner besetzt derzeit fast alle Themen in der Agrarpolitik selbst. Macht sie es der Opposition damit schwerer oder einfacher, sich in der Agrarpolitik zu profilieren?


Tackmann: Ich finde es einfacher, weil ich das Gefühl habe, dass man endlich mal mit einer Agrarministerin tatsächlich über die Sachen reden kann und nicht nur mit Worthülsen abgespeist wird. Sie hat einen anderen Politikstil und ich kenne und schätze sie noch aus der parlamentarischen Arbeit im Bundestag. Wenn sie nun als Ministerin sagt, es könnte auch der andere mal Recht haben, ist das für mich in der Opposition eine Ermutigung, mich in Debatten einzumischen. Die Frage ist, was erreicht Julia Klöckner als Ministerin und in ihrer Fraktion. Da bin ich weiter gespannt.


Mit den Vorschlägen von EU-Agrarkommissar Phil Hogan zur Agrarreform ist so recht niemand zufrieden. Welche Veränderungen erwarten Sie von Frau Klöckner an den Entwürfen?


Tackmann: Nicht zufrieden ist harmlos dargestellt. Die Vorschläge von EU-Agrarkommissar Hogan sind unkonkret, wir können nicht abschätzen was kommt und derzeit dominiert ein hin und herschieben von Möglichkeiten. Von Frau Klöckner erwarte ich, dass sie die drängendsten Themen ernsthaft und ergebnisoffen diskutiert. Kappung und Degression sind für mich als Ostdeutsche ein Thema, ich hätte da gern eine sachliche Diskussion. Wenn endlich mit dem öffentlichen Geld öffentliche Leistungen je Hektar honoriert werden, wäre es doch egal, ob der Hektar zu 10 oder zu hundert Hektar gehört. Als LINKE haben wir immer gefordert, die Zahlungen an konkrete ökologische und soziale Leistungen zu binden. Wenn man diesen Schritt aber nicht geht, müssen wir noch kritischer bewerten, wo das Geld landet. Deshalb wollen wir die Investorenlandwirtschaft gar nicht fördern, weil wir das für das falsche Geschäftsmodell halten. Da erwarte ich auch von der Ministerin, dass sie sich um das Thema Investorenlandwirtschaft endlich ernsthaft kümmert. Dazu gehört nicht nur die Frage der Förderung sondern auch die Frage des regulierten Bodenmarktes.


Sie haben vergangene Woche einen eigenen Antrag im Bundestag zum Bodenmarkt zurückgezogen, weil es neue Gesprächsbereitschaft unter den Fraktionen dazu gibt. Wo sehen Sie denn die Kompromisslinien beim Bodenmarkt?


Tackmann: Wir haben den Antrag nicht zurückgezogen sondern nur aufgrund des Gesprächsangebots der Koalition vorläufig auf die Abstimmung verzichtet. Sobald sich aber in der Sache nichts tut, werden wir ihn zur Abstimmung stellen. Im Ausschuss haben alle bestätigt, dass es das Problem der Investorenlandwirtschaft gibt und sich damit vor Ort Dinge verändern, die wir alle nicht wollen. Wir suchen jetzt gemeinsam nach Lösungen, wie man diese Entwicklung stoppen oder wenigstens beschränken kann. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch, zum Beispiel share-deals zu unterbinden oder zumindest unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen, die Grunderwerbssteuerregelung deutlich zu reduzieren auf 50 Prozent.


Wie stehen die anderen Fraktionen hinsichtlich Ihrer Forderung nach einer Eigentümerstatistik? Ist die konsensfähig?


Tackmann: Das ist im Moment sogar konsensfähig, weil das Grundprinzip ‚Bodeneigentum muss breit gestreut sein‘ ein breit getragener politischer Grundkonsens im Nachkriegsdeutschland war und ist. Wir sollten deshalb statistisch feststellen, ob beim Bodeneigentum ein Ungleichgewicht eingetreten ist und wenn ja, was eigentlich klar ist, erhöht sich der Handlungsdruck.


Bisher verweist der Bund immer darauf, dass die Länder für die Grundstückverkehrsgesetze zuständig sind. Wo sollte der Bund Ihrer Ansicht nach Handeln?


Tackmann: Das Abschieben auf die Bundesländer ist eine Ausrede. Insbesondere die share-deals sind nicht Ländersache. Da muss schon Bundesrecht eingreifen. Außerdem geht es überwiegend um bundesweit wenn nicht sogar international agierende Investoren, die verstärkt in die Landwirtschaft einziehen, wie soll man denn da mit einem zersplitterten Länderrecht drauf reagieren? Der Bund hat da mindestens Mitverantwortung. Dieses permanente Wegschieben von Verantwortung bei so wichtigen Themen wie dem Bodenmarkt finde ich eine Katastrophe. Ich hoffe, dass sich Julia Klöckner jetzt auch um dieses Thema ernsthafter kümmert als ihr Vorgänger.


Es bewegt sich im Bundestag mittlerweile auch was zur Unterstützung von Weidetierhaltern gegen den Wolf. Die Koalitionsfraktionen haben die Bundesregierung aufgefordert, den Weidetierhaltern die Präventionskosten und die durch Wolfsübergriffe entstandenen Schäden schneller zu ersetzen. Sind Sie damit zufrieden?


Tackmann: Ja, da stehen einige Dinge drin, die wir seit Jahren fordern und die überfällig sind. Etwa die Rechtssicherheit für Herdenschutzhunde und die Schaffung einer Beratungsstelle für den Herdenschutz. Das ist uns zwar noch zu wenig, wir hätten gern ein ganzes Kompetenzzentrum für den Herdenschutz gehabt. Aber es ist wenigstens überhaupt was, weil bisher hatte der Bund immer gesagt, er sei nicht zuständig. Die Versicherungsrechtlichen Fragen dazu, was passiert, wenn ein Wolf eine Herde angreift und es in der Folge zu einem Unfall kommt, all das ist noch nicht enthalten. Wir werden an dem Thema dran bleiben und die Dinge, die über das nun vereinbarte hinausgehen, einfordern.


Es soll auch ein Kriterien- und Maßnahmenkatalog für die Entnahme auffälliger Wölfe erarbeitet werden. Kann das die heftige Diskussion über den Wolf befrieden?


Tackmann: Meine Erfahrung ist, dass viele Schäfer sagen, ihre Situation war auch vor dem Wolf prekär. Das Thema wird auch instrumentalisiert. Wo zwingende gehandelt werden muss, z. B. bei Problemwölfen, kann man das auch jetzt schon tun. Es wird leider oft so getan, als ob das nicht ginge. Hier wird nur oft nicht entschlossen genug gehandelt. Uns wäre allerdings eine Weidetierprämie mindestens genauso wichtig gewesen und auch ein Rechtsanspruch auf angemessene Hilfe beim Herdenschutz. Die Schäfer brauchen einen Herdenschutz, den sie sich leisten können.


Sie fordern vehement eine Weidetierprämie zur Unterstützung der Schaf- und Ziegenhaltung. Die Koalition lehnt das mit dem Hinweis auf den Entschluss Deutschlands gegen gekoppelte Zahlungen ab. Können Sie das nachvollziehen?


Tackmann: Das ist dogmatisch. Wir haben damals auch der Entkopplung zugestimmt. Natürlich soll man keine Produktion fördern, die sonst nicht gebraucht wird. Aber hier geht es nicht darum, eine Produktion zu fördern sondern die Gemeinwohl-Leistung der Schäfereien in der Kulturlandschaftspflege sowie für den Schutz der Deiche und der biologischen Vielfalt oder den Grünlanderhalt angemessen zu entlohnen. Das ist ein Sonderstatus der Schäferei, der eine Ausnahme von einem Dogma berechtigt zumal es noch dazu um finanziell sehr überschaubare Beträge geht. Das ist überfällig, 22 EU-Mitgliedstaaten haben eine solche Weidetierprämie. Und wenn es schon keine Weidetierprämie aus EU-Mitteln geben soll, dann schlagen wir vor, wenigstens die nationalen GAK-Mittel für die Weidehaltung deutlich aufzustocken. Das hat die Union verweigert mit dem Argument, die Schafhalter bekämen schon so viel. Dann sollen die sich wirklich mal bei den Schäfereien umsehen. Viele sind von Altersarmut bedroht und haben Nachwuchssorgen. Wir werden in den Haushaltsverhandlungen für 2019 das Anliegen wieder vor bringen.


Der EuGH hat Deutschland wegen des Verstoßes gegen die Nitratrichtlinie verurteilt. Auch wenn sich das Urteil auf die Vergangenheit bezieht, ist die Diskussion im Gange, ob die Düngereform von 2017 noch mal aufgeschnürt werden muss. Was meinen Sie?


Tackmann: Ich fürchte, dass man es wieder auf machen muss. Ich habe Zweifel, dass gerade in den so genannten roten Zonen mit extrem hohen regionalen Bestandsdichten die Düngerechtsreform von 2017 ausreicht, um ein erneutes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland abzuweisen. Auf der anderen Seite sehe ich auch, dass die Betriebe nun wirklich mal die Chance haben müssen, im rechtssicheren Rahmen zu arbeiten. Mir wäre es am liebsten, man könnte wirklich mal abwarten, was die Reform von 2017 bringt für die Nitratgehalte, aber die Ursachen des Problems sind zu lange ignoriert worden. Wir müssen, um das Problem an der Wurzel zu fassen, die Tierbestände entflechten und aus der gewerblichen Tierhaltung raus und die Tierhaltung wieder an die Fläche binden. Außerdem muss es eine Deckelung der Tierbestände in bestimmten Regionen und eine bessere Verteilung der Veredelung geben. Das ist schon wegen dem Tierseuchenschutz unerlässlich und rückt gerade jetzt, wo die Afrikanische Schweinepest vor der Tür steht, in den Vordergrund.


Was sagen Sie als ausgebildete Tierärztin eigentlich zum Vierten Weg in der Ferkelkastration? Sollten die Sauenhalter nach dem Aus für die betäubungslose Kastration ab 2019 eine Kastration unter Lokalanästhesie selbst durchführen dürfen?


Tackmann: Ich unterstütze da die Position der praktizierenden Tierärzte. Die Lokalanästhesie gehört nicht in die Hand von Laien. Sie erfordert wirklich tiermedizinischer Kenntnis und Routine und ist nicht mit einer Impfung zu vergleichen. Außerdem werden wir das Tierschutzproblem damit nicht lösen, sondern Rechtsunsicherheit schaffen. Ich sehe für diese aus meiner Sicht sehr risikoreiche Variante auch für die ausführenden Landwirte außerdem keine Notwendigkeit. International gibt es mit der Immunokastration und der Ebermast als Alternativen ohne risikoreiche Eingriffe beim Tier gute Erfahrungen. Ich verstehe bis heute nicht, warum der Handel und die Verarbeitung hier so viel Macht haben, sich dagegen zu stellen. Die mit den beiden Varianten verbundenen Nachteile lassen sich einfacher lösen als die mit dem Vierten Weg verbundenen Risiken.


Das Gespräch führte top agrar Berlin Korrespondentin Stefanie Awater-Esper


Zur Person: Kirsten Tackmann sitzt seit dem Jahr 2005 im Deutschen Bundestag, zunächst für die PDS und dann für die LINKE. Sie hat sich überfraktionell den Ruf als pragmatische und sachorientierte Agrarpolitikexpertin erarbeitet. Zu ihren politischen Schwerpunkten gehören die Themen Bodenmarkt und Agrarstruktur, Herdenschutz und Wolf sowie die Belebung des Ländlichen Raums. Sie ist Tierärztin und aus dem Wahlkreis Prignitz im Nordwesten von Brandenburg.

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