Konventionell erzeugte Lebensmittel unterliegen nach Einschätzung verschiedener Umweltschutzvertreter einer verzerrten Preispolitik, die soziale, gesundheitliche und umweltrelevante Folgekosten ausblendet.
Die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast sprach sich für eine „umfassende Bilanzierung“ der Erzeugungskosten für Nahrungsmittel aus, die in die öffentliche Debatte gezogen werden müssten und „Grundlage einer soliden Politik“ bilden sollten. Die Aufmerksamkeit der Bevölkerung für mittelbare monetäre Auswirkungen von Umweltbelastungen lassen sich laut Künast nur über eine „Internalisierung der Kosten“ in die Lebensmittelpreise erreichen, da diesen die „entscheidende Signalfunktion am Markt“ zukomme.
Drei Prinzipien führte Künast an, um eine „gerechtere Kostenverteilung“ bei der Lebensmittelerzeugung herbeizuführen. Ihrer Ansicht nach ist es nicht begründet, dass Unternehmen „das Eigentum aller wie Wasser, Luft oder Bodenfruchtbarkeit kostenlos verbrauchen“. Deswegen müssten diejenigen, die etwas davon „nutzen oder verbrauchen“, auch dafür bezahlen. Umsetzungsbeispiele könnten beispielsweise eine Pflanzenschutzmittelabgabe oder Gebühren für einen Stickstoffüberschuss sein.
Künast forderte außerdem, dass „öffentliche Gelder nur für öffentliche Güter aufgewendet“ werden. Zuletzt müssten Verbraucher das Recht haben, über die verwendeten Mittel bei der Herstellung der Produkte informiert zu werden.
Töpfer warnt vor Folgen von teureren Lebensmitteln
Der frühere Bundesumweltminister Prof. Klaus Töpfer riet dazu, auch die sozialen Folgen zu bedenken, wenn sich Lebensmittel stark verteuerten. Über solche Erwägungen dürfe man „nicht nur in der Kirche reden“. Man sollte auch offen kommunizieren, wie Verbraucher ihre Ausgaben umgestalten müssten. Der CDU-Politiker regte an, über konkrete Maßnahmen gegen die Externalisierung von Umweltbelangen bei der Nahrungsmittelproduktion nachzudenken und schlug die Gründung einer Umweltgewerkschaft vor. Eine Selbstregulierung des Marktes hält er für wenig aussichtsreich.
David Gould von der Internationalen Vereinigung ökologischer Landbaubewegungen (IFOAM) unterstrich indes die Notwendigkeit einer Vereinfachung des „komplexen Themas der wahren Lebensmittelkosten“, um eine breite Bevölkerungsschicht zu erreichen. Er bezeichnete „Geld“ als das „beste Mittel, um gesellschaftliche Veränderungen zu erreichen“. Bislang seien nicht Ökolebensmittel zu teuer, sondern konventionelle Produkte zu günstig.
Keine freie Marktwirtschaft
Beispiele für ein „nachhaltiges System der Agrarindustrie“ stellte der Geschäftsführer des niederländischen Ökolebensmittelhändlers Eosta, Volkert Engelsmann, vor. Lebensmittel würden von den Verbrauchern immer stärker als „Hebel der Veränderung“ wahrgenommen, den sein Unternehmen beim Marketing daher auch gezielt bediene.
Die Freiheit der Marktwirtschaft hängt Engelsmann zufolge direkt von der Berücksichtigung aller Faktoren bei der Wertschöpfung ab. Insofern könne bei den modernen Wirtschaftssystemen keine Rede von einer „freien Marktwirtschaft“ sein. Er formulierte daher ebenfalls das Ziel, die Auswirkungen der Landwirte auf Umwelt, Gesundheit und Gesellschaft zu monetarisieren.
Bei der Umsetzung müsse man jedoch berücksichtigen, dass zu viele Bewertungen und Standards die Betriebe „ersticken“ und bekam in diesem Punkt die Zustimmung von Gould. Der IFOAM-Vertreter sprach sich dafür aus, die ökologischen Bewirtschaftungsstandards stärker zu kommunizieren und darauf hinzuweisen, dass durch versteckte Preise „die Ausbeutung von Natur und Mensch belohnt wird“.
„Allgemeineigentum“ nicht kostenlos nutzen