Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

topplus News

Welche Zukunft haben Bayerns Bauern?

Wie gut ist die bayerische Landwirtschaft im internationalen Vergleich? Und wie verändern sich die Rahmenbedingungen für die Bauern in den nächsten Jahrzehnten? Eine Prognose von Christian Stockinger, Vizepräsident der LfL, in der aktuellen top agrar-Südplus 2/2017

Lesezeit: 9 Minuten

Wie gut ist die bayerische Landwirtschaft im internationalen Vergleich? Und wie verändern sich die Rahmenbedingungen für die Bauern in den nächsten Jahrzehnten? Eine Prognose von Christian Stockinger, Vizepräsident der LfL, in der aktuellen top agrar-Südplus 2/2017:


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Ist die Landwirtschaft in Bayern trotz ihrer kleinteiligen Produktionsstrukturen auch künftig international wettbewerbsfähig? Die Antwort lautet ja und nein. Was spricht für und was gegen die Konkurrenzfähigkeit der bayerischen Bauern?


Die Antwort ist ja. Die natürlichen Produktionsbedingungen (Klima, Boden usw.) sind im internationalen Vergleich sehr gut. Bayern zählt zu den Hochleistungsstandorten dieser Welt mit hohen und sicheren Erträgen. Das garantiert nicht nur höhere Deckungsbeiträge, sondern ist auch eine stabile Grundlage für langfristig bindende Investitionsentscheidungen und Pachtverträge.


Die bayerische Landwirtschaft ist Teil eines hochfunktionellen und leistungsstarken Agribusiness. Damit sind die Bezugs- und Absatzströme regional wie international problemlos, sicher und effizient zu gestalten. Und schließlich: Bayern ist im internationalen Vergleich gesamtwirtschaftlich ein hervorragender Standort:

  • Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf liegt bei 43 000 €. Das BIP wuchs von 2010 bis 2016 real zwischen 2,0 und 3,3 % pro Jahr.
  • Das Einkommen bzw. die Kaufkraft pro Kopf beträgt 24 000 €.
  • Die Arbeitslosenquote ist mit 3,5 % sehr niedrig.


Somit steht der Landwirtschaft ein sehr kaufkräftiger heimischer Markt zur Verfügung und es bieten sich bessere Diversifizierungschancen als anderswo.


In Bayern gibt es ein stabiles, funktionales Staatswesen mit hoher Rechtssicherheit und einer mehrheitlich getragenen über Generationen tradierten Werteordnung.


Bayerns Landwirte sind gut ausgebildet und können die vorhandenen Potenziale durch produktionstechnisches Können weitgehend ausschöpfen. Die hohen Erträge in der Pflanzenproduktion und die Leistungen in der Tierhaltung sind der beste Beleg dafür. Ausgebildete und erfahrene Betriebsleiter bewegen sich erfolgreich am Markt – sowohl im Einkauf als auch Verkauf.


Das Wissen um die Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Produktionsverfahren und die Fähigkeiten zur strategischen Unternehmensentscheidung sind heute fest in der Branche verankert. Dabei können interessierte Landwirte auf eine hochqualifizierte Beratung zurückgreifen, die ihnen flächendeckend zur Verfügung steht.


Die bayerischen Betriebe stehen als historisch gewachsene Familienbetriebe auf einer weitgehend eigenkapitalfinanzierten Vermögensstruktur. Bei durchschnittlich 52 % Eigentumsfläche und Bodenwerten von 20 000 bis 120 000 € pro ha LF sind die Betriebe extrem stabil und mit hoher Bonität ausgestattet. Damit verfügen sie – gerade bei den aktuell geringen Fremdkapitalkosten – über ein großes Finanzierungspotenzial für Investitionen.


Die Antwort ist nein


Die Einkommensentwicklung der letzten fünf Jahre in der Landwirtschaft kann mit dem kontinuierlichen Zuwachs von Unternehmergewinnen und/oder Löhnen von qualifiziertem Fachpersonal nicht mithalten. Die Renditen sind unter Vollkostenbetrachtungen absolut unzureichend, für Investitionen bestehen dauerhaft zu geringe Anreize.

Entwicklungsfähige und -willige Betriebe stoßen an die Grenze der Familienarbeitskapazität. Der Kostensprung bei Einstieg in die Fremdlohnbelastung ist bei gleichzeitig sehr hohen Pachtpreisen unter den derzeit geltenden Preis-/Kosten-Verhältnissen zu hoch.


Aufgrund der geringen Produktionsumfänge in der Innen- und Außenwirtschaft ist der Einsatz moderner Technik zumindest einzelbetrieblich immer weniger realisierbar.


In der Veredelungsproduktion bremst der schon bestehende und vermutlich wachsende Widerstand gegen professionelle Anlagen die Investitionsbereitschaft zusätzlich. Eine kritische Gesellschaft und eine weitgehend ablehnende bis feindlich gesinnte Medienwirtschaft verunsichert mit ihren Forderungen die Branche massiv. Damit entsteht eine fundamentale Krise, die sich langfristig deutlich negativ auswirken wird.


Die Branche schrumpft seit Jahren kontinuierlich und stellt heute nur noch eine marginale Größe dar. Mit einer Bruttowertschöpfung von 3 Mrd. € liefert sie nur noch 0,6 % der gesamtbayerischen Wertschöpfung von fast 500 Mrd. € (2015) und stellt mit ca. 140 000 Beschäftigten nur noch knapp 2 % der Erwerbstätigen des Landes. Damit wird das wirtschaftliche, gesellschaftliche und in der Folge auch politische Gewicht geringer.


Politik im Allgemeinen und Agrarpolitik im Besonderen werden in kritischen Fragestellungen zunehmend den nicht landwirtschaftlichen Mehrheiten folgen. Dabei ist die Branche mit 17 Landwirten – das entspricht 8 % aller Sitze – im Bayerischen Landtag heute noch überproportional vertreten.


Andererseits bewirtschaften die rund 90 000 bayerischen Landwirte rund 3,1 Mio. ha und somit ca. 50 % der gesamten Landesfläche (ohne Forst) und prägen damit ganz wesentlich das Gesicht des Landes.

Außerhalb von Metropolregionen sind die Landwirte immer noch ein Wirtschaftsfaktor, der die Gesamtwirtschaft in den Regionen als Produzenten, Investoren und Konsumenten stabilisiert und damit auch den ländlichen Raum in Funktion hält.


Agrarpolitik im Wandel


Was folgt aus diesen Fakten? Die Agrarpolitik wird sich von einer Einkommenspolitik hin zu Anpassungshilfen zur Einhaltung gesellschaftlich akzeptierter Produktionsmethoden wandeln. Transferzahlungen zur Verbesserung der Einkommen bzw. zum Ausgleich für historische Preise werden angesichts massiver Sparzwänge in öffentlichen Haushalten und schwacher Begründbarkeit in bisheriger Höhe auf Dauer nicht zu halten sein. Es ist zu erwarten, dass die Einhaltung guter fachlicher Praxis nicht mehr subventioniert, sondern deren Nicht- Einhaltung sanktioniert wird.


Die Landwirtschaft sollte deshalb davon ausgehen, dass die öffentlichen Leistung weitgehend abgebaut sind, und ihre Zukunftsstrategien danach ausrichten. Das Szenario für 2030 könnte folgendermaßen aussehen: Es gibt so gut wie keine Maßnahmen der 1. Säule mehr, auch keine Investitionszuschüsse und schon gar keine Dieselbeihilfe. Preisstützende Markteingriffe und Exportsubventionen sind vermutlich ersatzlos gestrichen.


Andererseits sind die Rechtsbereiche des Tier-, Umwelt- und Klimaschutzes stark ausgebaut, mit starken Einschränkungen und komplexen Produktionsauflagen für die Landwirtschaft. Neben den Boden-, Gewässer- und Tierschutzregelungen werden erheblich verschärfte Vorschriften zur CO2-Reduzierung besondere Bedeutung haben.


Klimawandel fordert Tribut


Mit der zunehmenden Wahrscheinlichkeit, dass sich die Erde bis zum Jahr 2100 um bis zu 4 °C erwärmt, sind folgende Eingriffe denkbar:

  • Energieintensive Produktionsprozesse, wie Pflugfurche oder mehr als vierschnittige Grünlandnutzung werden eingeschränkt oder ganz verboten.
  • Der Mineraldüngereinsatz wird strikt gedeckelt. Überhöhte Nährstoffgehalte der Böden werden sanktioniert und gleichzeitig geeignete Maßnahmen zur Stickstoffreduzierung gefördert.
  • Strenge Fruchtfolgeauflagen werden den Maisanbau regional deckeln.


Zuchtfortschritt läuft schneller


In der Tier- und in der Pflanzenzucht ist ein enormer Zuchtfortschritt zu erwarten. Vor allem die genomische, markerbasierte Selektion wird nicht nur die Geschwindigkeit des züchterischen Fortschritts wesentlich beschleunigen, sondern auch neue Zuchtziele erschließen. Zukünftig dürften aber Tierwohlaspekte wie Hornlosigkeit beim Rind oder Geschmacksneutralität von Eberfleisch wichtiger sein als klassische Leistungszuwächse.


Die Gentechnik in der Pflanzenzucht wird weltweit zunehmen. In der EU und in Deutschland wird die Ablehnung grüner Gentechnik voraussichtlich dauerhaft bleiben. Daher werden die intensiven Veredelungsstandorte Europas für Schweine und Geflügel im internationalen Geschäft wegen der Futterkostennachteile an Wettbewerbskraft verlieren.


Die Digitalisierung wird die Produktionsprozesse automatisieren. Der technische Fortschritt wird vor allem in der tierischen Produktion zu einer weiteren Reduzierung des Arbeitszeitbedarfs führen. Die Durchschnittskuh im 400er-Stall kann zukünftig mit weniger als 25 Akh/Jahr gehalten werden, als wirtschaftliche Zielgröße gelten 5 Sekunden/kg Milch.


In der Technik der Außenwirtschaft werden sich die Entwicklungen weniger auf Schlagkraft, Maschinengröße und PS-Leistung konzentrieren als auf Präzisierung, Dosierung und Genauigkeit, maximale Bodenschonung und optimale Behandlung der Erntegüter.


Konzentration setzt sich fort


Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe wird sich bei Fortschreibung bisheriger Entwicklungen bis 2030 etwa halbieren. In 20 Jahren werden ca. 8 000 Landwirte mit mehr als 100 ha LF bzw. 12 % aller Betriebe mehr als ein Drittel der bayerischen LF bewirtschaften  (s. Übersicht unten). Die Veredelungsbetriebe im Haupterwerb verdreifachen bis dahin ihre durchschnittlichen Bestandsgrößen.


Profi-Landwirtschaft mit Haupterwerbscharakter wird sich künftig nicht nur in der Größe von heute unterscheiden. Bis 2030 dürfte der Pachtflächenanteil auf nahezu 75 % steigen, eine Fremd-AK im Haupterwerbsbetrieb die Regel sein und die vertikale Integration zunehmen.


Viele Landwirtschaftsbetriebe werden zu managergesteuerten Unternehmen, nicht selten konzernartig strukturiert, mit landwirtschaftlichen und nicht landwirtschaftlichen Tochterunternehmen. In der gewerblichen Energieproduktion zeigt sich das bereits.


Der Anteil einkommenskombinierter Nebenerwerbsbetriebe wird hoch bleiben und mit mehr als 60 % der Betriebe und rund 20 % der Produktion weiterhin eine bedeutende Rolle spielen. Dies wird besonders in Regionen mit attraktiven außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplätzen der Fall sein.



Einkommen stagniert


Die mit dem Produktivitätsfortschritt verbundenen Kostenvorteile werden aufgrund der kleinteiligen Produktionsstruktur zumindest teilweise an die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche abgegeben werden müssen. Deshalb, und weil erfahrungsgemäß die Entwicklung von Preisen und Kosten in engem Zusammenhang stehen, werden die Unternehmergewinne selbst bei steigenden Produktpreisen stagnieren.

Es ist im Übrigen anzunehmen, dass höhere Agrarpreise die klein- und mittelbäuerlichen Strukturen in keiner Weise stabilisieren, sondern eher strukturbereinigend wirken.


Inflationsbereinigt werden die Kapitalrenditen (Gewinn pro Hektar, pro Kuh, pro Schwein etc.) kaum steigen. Die Stundenverdienste können  nur bei höherer Arbeitsproduktivität mit der Gesamtlohnentwicklung mithalten. In klein- und mittelbäuerlich strukturierten Betrieben werden die zu hohen Wachstumskosten zum zentralen Problem.


Hoher Investitionsbedarf für neue Produktionsanlagen und gleichzeitig kaum oder nur zu extrem hohen Preisen beschaffbare Nutzflächen setzen der bayerischen Landwirtschaft enge Expansionsgrenzen.


Wir halten fest


Die Stärken-Schwächen-Analyse der bayerischen Landwirtschaft ergibt, dass im Freistaat auch in Zukunft eine flächendeckende Landwirtschaft stattfinden wird. Trotz der aufgezeigten Schwächen wird es weiterhin einen starken Wettbewerb innerhalb der Landwirtschaft geben. Für die Zukunftssicherung ist entscheidend, großbetriebliche Arbeitsabläufe unter kleinbetrieblichen Betriebsstrukturen zu realisieren. Das gelingt nur, wenn überbetriebliche Lösungen entwickelt, horizontale und vertikale Verbünde geschaffen und effiziente Dienstleistungsangebote abgerufen werden können.


Die Kombination von landwirtschaftlichen und nicht landwirtschaftlichen Einkünften ist ein für Bayern richtiges Entwicklungskonzept, zumal die Voraussetzungen dafür hervorragend sind. Die Beratung sollte deshalb bei Investitionsentscheidungen die nicht landwirtschaftlichen Alternativen stärker als bisher thematisieren.


Europa verliert Marktanteile


Nach Einschätzungen der FAO wird das weltweite Angebot an Nahrungsmitteln der Nachfrageentwicklung folgen können. Dies kann nur mit der Kombination von stetiger Produktivitätssteigerung (2 bis 3 % Ertragszuwachs pro Jahr) und weiterer Inkulturnahme nutzbarer Flächen gelingen.


Die Flächenpotenziale und großen Produktivitätsreserven liegen in den nachfragegetriebenen Regionen Asiens, Südamerikas und auch Afrikas. Diese werden umso mehr realisiert, wie die landwirtschaftlichen Produktpreise steigen.


Im internationalen Vergleich wird die Europäische Landwirtschaft dagegen weiter Produktions- und Marktanteile verlieren, weil die Produktivitätsreserven bereits weitgehend ausgeschöpft sind, die Nutzflächen abnehmen und über den Inlandsmarkt keine Wachstumsimpulse zu erwarten sind.

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.