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Quotenende: Kommt jetzt die Bruchlandung?

Am Zuckermarkt wird es ungemütlich. Die erste Kampagne ohne Quote bringt deutlich mehr Rüben und wohl auch schlechtere Preise. Denn der Weltmarkt schwächelt deutlich. Maike Schulze Harling hat sich für die top agrar-Ausgabe 11/2017 in der Branche umgehört.

Lesezeit: 8 Minuten

Am Zuckermarkt wird es ungemütlich. Die erste Kampagne ohne Quote bringt deutlich mehr Rüben und wohl auch schlechtere Preise. Denn der Weltmarkt schwächelt deutlich. Maike Schulze Harling hat sich für die top agrar-Ausgabe 11/2017 in der Branche umgehört.


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Es ist wie die Ruhe vor dem Sturm: Während Rübenanbauer und Verarbeiter in der EU noch die guten Zuckerpreise genießen, stürzen die Preise vor den Toren der Gemeinschaft regelrecht ab. Weißzucker am Weltmarkt war zuletzt 40 % günstiger als die EU-Ware. Mit dem Quotenende zum 1.10. haben sich die Schleusen zum Weltmarkt aber geöffnet. Der Außenschutz bleibt zwar. Aber die EU-Zuckerunternehmen wollen künftig mehr exportieren und bringen so den Weltmarktpreis zu uns. Was heißt das für den Rübenanbau in Deutschland?


Produktion steigt


Deutsche Anbauer steigerten die Rübenfläche 2017 um 28 %. Dank idealer Witterung sind auch die Erträge ergiebig. Nur im Norden drohen wegen der Starkregen im Sommer z. T. Ernteausfälle. „Auf einigen Flächen sind uns die Rüben verfault“, berichtet der Dachverband Norddeutscher Zuckerrübenanbauer (DNZ).


Auch auf EU- und Weltmarkt stehen die Zeichen auf Wachstum: In der laufenden und der darauffolgenden Kampagne werden die EU-Landwirte mehr ernten als die Verbraucher essen. Auf 16,3 % mehr Fläche haben die Landwirte in diesem Jahr Zuckerrüben angebaut. Die Nachfrage dagegen bewegt sich seit Jahren auf einem fast konstanten Niveau. Aktuell hat die EU noch einen Selbstversorgungsgrad von 89 % an Weißzucker – 8 % mehr als im letzten Jahr. Somit sollte das Zuckerloch bald durch heimische Rüben gestopft werden. Am Weltmarkt besteht in diesem Jahr ein Überschuss von 4,6 Mio. t.




Sinken die Preise?

 

Die Konsequenz aus dieser süßen Schwemme: Experten gehen davon aus, dass die Zuckerpreise in der EU bald fallen werden und sich dem Weltmarktkurs nähern. Dieser ist für Weißzucker bereits am Boden. Die Londonder Börse notierte im Februar für Weißzucker 534 €/t. Acht Monate später sind es 40 % weniger: 317 €/t!


Anbauverbände sowie Zuckerfabriken halten sich mit Schätzungen zum Rübenpreis für die laufende Kampagne sehr bedeckt. Vor allem bei den Verträgen mit variablen Preisen verweisen sie darauf, dass sich dieser an den Erlösen aus dem Zuckerverkauf orientiert. Das kann bis ins Frühjahr 2018 andauern. Wie genau sich dann die Preise zusammensetzen, bleibt Unternehmensgeheimnis. Bei Pfeifer und Langen z. B. soll ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer die Verkaufserlöse kontrollieren. Ruhig schlafen können die Nord- und Südzuckerbauern mit Festpreisverträgen. Für sie springen 28 bis 30 €/t raus.


Um dieses Niveau mit den variablen Verträgen zu erreichen, sind Zuckerpreise von 420 €/t nötig. Die Nordzucker AG sieht für die nächsten Monate fallende Zuckerpreise voraus. „Die Überschussmenge auf dem Weltmarkt führt zu temporär niedrigeren Preisen, die wir in einigen Monaten in den EU-Preisberichten sehen werden“, glaubt der scheidende Vorsitzende der Nordzucker AG, Hartwig Fuchs. Er hofft aber, dass die Mehrmenge der EU in Drittländer exportiert werden könne. Die anderen Unternehmen wollten gegenüber top agrar lieber gar keine Preisprognosen geben.


Rettung im Export

 

Was wollen die Zuckerunternehmen mit dem Mehrzucker machen? Eine Möglichkeit ist der Außenhandel. Mit dem Quotenende sind die Exportschranken offen, und die Fabriken scharren schon mit den Hufen. So planen Nord- und Südzucker ihre Ausfuhren in Zukunft zu erhöhen. „Wir werden den Zuckerexport verdoppeln bis verdreifachen auf bis zu 800 000 t pro Jahr“, so ein Experte der Südzucker AG dazu. Um auf dem Weltmarkt gegen den subventionierten Zucker aus Ländern wie Brasilien oder Indien zu bestehen, müssen die Firmen entweder billig verkaufen oder mit mehr Qualität punkten. Nordzucker-Chef Fuchs sieht sich gut aufgestellt: „Unsere Kunden wissen die Qualität von Nordzucker zu schätzen.“ Eine Prämie von 20 bis 50 €/t hält er daher für möglich.


Neben dem Export ist die Verdrängung von Importen eine weitere Option. So wollen Pfeifer und Langen vor allem auf Regionalität setzen und die „Verarbeitung von Rohrzucker komplett durch die heimische Rübe ersetzen.“


Experten rechnen in der EU trotzdem mit einem Verdrängungswettbewerb. Die Fabriken versuchen daher, ihre Kosten pro Tonne Zucker weiter zu senken. Wie schaffen sie das?

  • Effizienter Anbau: Die Unternehmen unterstützen die Anbauer durch Saatgut-Vorteilspakete, Anbauberatung etc. Dadurch sinken die Anbaukosten.
  • Größere Lager: Aus dem Lager können die Fabriken kontinuierlich liefern. Auch fangen sie Preisschwankungen besser ab, da sie bei niedrigen Zuckerpreisen mit dem Verkauf warten.
  • Intensivere Nachkampagne: Die Fabriken nehmen möglichst viele Rüben auf, verarbeiten diese zu Rübendicksaft. Dieser ist leichter zu lagern und zu transportieren als die Rübe selbst.
  • Längere Kampagne: Um die höhere Menge an Rüben zu verarbeiten, haben sie in einigen Werken die Kampagne von 80 auf 120 Tage hochgefahren. Inklusive der Nachkampagne sind sogar bis zu 260 Tage möglich.


Aktuelle Vertragsmodelle


DNZ-Geschäftsführer Dr. Heinrich Hubertus Helmke glaubt an den Zuckerrübenanbau in der Zukunft: „Die Rübe wird sich auf dem Feld weiter behaupten.“ Dies bestätigen auch andere Anbauverbände. Die Bauern haben die Mengen deutlich überzeichnet und auch die Verträge für die Kampagne in 2018/19 stehen schon fest.


Bei der Nord- und Südzucker geht nichts mehr. Wer hier keine Lieferrechte besitzt, hat als Anbauer für die freie Menge kaum eine Chance – egal wie lange er schon in der Vergangenheit geliefert hat. Hier entscheidet vor allem die Entfernung zum Werk. Wer Glück hat, liegt vielleicht noch im nahen Umkreis eines anderen Unternehmens.


Um diese Landwirte nicht komplett zu verlieren, bietet Nordzucker seit August den Landwirten ein einmaliges Angebot: 25 €/t für Rüben mit einem Zuckergehalt von 17,9 %. „Gut, dass ich schon gezeichnet habe“, mag sich ein Rübenbauer sagen, der seinen Vertrag schon in der Tasche hat.


Bei diesem Dumpingpreis zeigt sich, dass die Firmen mit einer solchen Mengensteigerung nicht gerechnet haben. Aber die Bauern sind durch den freien Markt keiner Quote Rechenschaft schuldig. Sie können jedes Jahr neu entscheiden, welche Frucht sich am Besten rechnet und bei oben stehendem Angebot werden Raps oder Weizen immer interessanter.

 

Rüben näher ans Werk?


„Durch die neuen EU-Regeln erhöht sich die Abhängigkeit zwischen Zuckerfabrik und Anbauer“, merkt Dr. Fred Zeller, Geschäftsführer vom Verband Süddeutscher Zuckerrübenanbauer (VSZ) an. Angst haben viele Bauern vor regional gestaffelten Preisen. Bei Pfeifer und Langen sowie Südzucker zahlen die Anbauer z. T. schon den Transport zum Werk, bei Nordzucker ist er für Vertragsrüben noch kostenlos.


„Regional unterschiedliche Rübenpreise können wir uns derzeit schwer vorstellen“, stellt Helmke klar. Das gilt aber augenscheinlich nur für die Vertragsrüben bei Nordzucker, da bei den Überrüben die Nähe zum Werk sehr wohl eine Rolle spielt.


Neue Regeln


Die Schutzmauer um die EU-Zuckerbranche stürzt ein. Das gilt seit dem 1. Oktober:

  • Keine Quote und kein Mindestpreis mehr
  • Freier Export in Drittländer
  • Importzölle als Außenschutz bleiben: 419 €/t für Weißzucker
  • Ermäßigte Zölle für bestimmte Länder. Zu diesen Begünstigten gehören auch die Weltmarktriesen Brasilien und Indien.
  • Sicherheitsnetz: Hilfsmaßnahmen (private Lager etc.) bei Preisen für Weißzucker unter 404,40 €/t.
Insgesamt werden Mengen- und Preisschwankungen für EU-Anbauer steigen. Glücklich können sich noch polnische oder spanische Ackerbauern schätzen. Diese befinden sich in einem der elf Länder in der EU, die den Rübenanbau mit gekoppelten Direktzahlungen fördern. Diesen unfairen Wettbewerb mit EU-Geldern wollen die Anbauverbände nicht dulden. „Wir setzen uns dafür ein, dass diese Zahlungen mit der nächsten Agrarreform abgeschafft werden“, fordert Günter Tissen von der WVZ.


„Deutsche Rüben haben Zukunft.“


Wir sprachen mit Prof. Dr. Martin Banse, Direktor im Bereich Marktanalyse am Thünen-Institut in Braunschweig, über das Thema:


Wie ist die aktuelle Marktlage auf dem EU-Zuckermarkt?

Banse: Dieses Jahr ist die EU reichlich versorgt. Die Zuckerfirmen haben sich mit Rüben eingedeckt, da sie nicht wussten, wie die Bauern auf den Wegfall der Quote reagieren würden. Gleichzeitig hofften sie, von den hohen Weltmarktpreisen im vergangenem Jahr durch Exporte zu profitieren. Der Weltmarktkurs liegt mittlerweile deutlich unter dem EU-Niveau, sodass sich die Hoffnung auf lukrative Ausfuhren zerschlagen hat. Bis langfristig ein Gleichgewicht am EU-Zuckermarkt erreicht ist, wird noch etwas Zeit vergehen. Beim aktuellen Preisniveau ist europäischer Zucker international nicht konkurrenzfähig. Bei höheren Preisen würden die EU-Exporte aber steigen.


Glauben Sie, dass sich der EU-Preis über dem Weltmarktpreis halten kann?

Banse: Aktuell stützen noch hohe Importzölle den EU-Preis. Durch künftige Handelsabkommen würde der bestehende Zollschutz mehr aufweichen. Falls diese kommen sollten, wird sich der EU-Preis dem Weltmarktniveau noch stärker anpassen.


Konkurriert Rübenzucker bald stärker mit Isoglucose in der EU?

Banse: Der Marktanteil von Isoglucose wird weiter wachsen. Ich rechne aber nicht damit, dass dieser über 10 % steigt und den Rübenzucker massiv verdrängt.


Was halten Sie von Investitionen deutscher Zuckerfirmen in Drittländern?

Banse:Das sehe ich skeptisch. Die Märkte in Übersee sind sehr beweglich. Sie reagieren flexibel zwischen Ethanol, Weißzucker und Isoglucose. Kooperationen mit ansässigen Firmen könnten funktionieren.


Verzerren die gekoppelten Prämien einiger EU-Staaten auf den Rübenanbau den Wettbewerb auf Dauer?

Banse: Ich halte die gekoppelten Prämien langfristig für ein Auslaufmodell und hoffe, dass sie mit der Agrarreform 2020 wegfallen. Der Anbau wird sich in Zukunft auf die Gunststandorte – vor allem Frankreich und Deutschland – konzentrieren.

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