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Vorkontrakte: Was tun, wenn man wegen der Dürre nicht liefern kann?

Die geringen Ernteergebnisse können Landwirte mit weitreichend abgeschlossenen Vorkontrakten in Bedrängnis bringen. Denn Vorkontrakte müssen Sie in der Regel erfüllen, auch wenn das mit einem Zukauf verbunden ist. Wir haben bei einer Rechtsanwältin gefragt, wie Landwirte jetzt am besten reagieren.

Lesezeit: 5 Minuten

Vorkontrakte müssen Sie in der Regel erfüllen, auch wenn das mit einem Zukauf fremder Produkte für die Deckung des abgeschlossenen Vertrages verbunden ist. Nur im Falle der „Unmöglichkeit“ oder der „höheren Gewalt“ muss der Käufer den Landwirt aus seiner Lieferpflicht entlassen. Ob eine solche Rechtslage in diesem Jahr gegeben ist, ist nicht eindeutig geklärt, wie Rechtsanwältin Caroline E. Heil von der Anwaltssozietät Welp & Partner aus Neustadt-Glewe erklärt.


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top agrar: Durch die Dürre und die damit verbunden Ernteausfälle können viele Landwirte ihre Vorkontrakte nicht erfüllen. Wie sollten Landwirte jetzt reagieren?

Heil: Prüfen Sie Ihre Ernteerträge und teilen Sie dies dem Käufer möglichst sofort schriftlich mit. Dies gilt für die gesamte Ernte, also Zuckerrüben, Kartoffeln und Getreide gleichermaßen. Da in vielen Verträgen auf dem Gebiet des Getreidehandels die Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel (EHG) als Geschäftsbedingungen vereinbart sind, hilft in dem Anschreiben auch ein Hinweis auf § 20 Abs. 1 EHG[1]. Die EHG entsprechen an dieser Stelle dem Gesetz, das vorsieht, dass der Anspruch auf Erfüllung ausgeschlossen ist, wenn Unmöglichkeit vorliegt. Kann eine unverschuldete Unmöglichkeit und/oder höhere Gewalt bejaht werden, wird der Verkäufer von seiner Vertragspflicht frei und muss in der Regel auch keinen Schadensersatz an den Käufer leisten. Das wäre also der Idealfall.


top agrar: Liegt denn bei der diesjährigen Dürre überhaupt „Unmöglichkeit“ und damit der beschriebene Idealfall vor?

Heil: Das ist hier die Krux, denn das werden wir eindeutig erst beantworten können, wenn sich die Gerichte damit beschäftigt haben. Für die Frage der Unmöglichkeit kommt es z.B. darauf an, was der Landwirt nach dem Vertrag schuldet: Hat er sich hier zur Lieferung einer bestimmen Ware aus seinem eigenen Vorrat und somit aus der eigenen Ernte verpflichtet oder schuldet er hier allgemein die Lieferung der versprochenen Ware der Gattung nach? Hier streitet sich die juristischen Geister. Zwar gibt es Rechtsprechung des Reichsgerichts (RG) aus den Jahren 1914 und 1917, die davon ausgeht, dass ein Landwirt in der Regel nur seine eigene Ernte verkaufen will und bei außergewöhnlicher Dürre ein Fall der unverschuldeten Unmöglichkeit vorliegt, es gibt aber fast keine neue Rechtsprechung zu dieser Frage. Das LG Münster hat sich in 2015 der Ansicht des RG angeschlossen als es um Holzlieferungen ging und auch die Lieferpflicht nur auf die eigene Ernte beschränkt. Ich finde die Ansicht des RG auch sehr lebensnah und überzeugend, aber es kann auch sein, dass sich die Gerichte der Meinung anschließen werden, dass die Vertragserfüllung wegen der Zukaufmöglichkeiten am Markt noch tatsächlich möglich ist.


top agrar: Ist die Frage nach der „Höheren Gewalt“ eindeutiger zu beantworten?

Heil: Nicht wirklich. Es gibt zwar eine höchstrichterliche Rechtsprechung zum Begriff der „höherer Gewalt“, aber das tatsächliche Vorliegen von „höherer Gewalt“ ist eine Sache, die die Gerichte in jedem Einzelfall prüfen und beurteilen. Nach der Rechtsprechung fallen unter die „höhere Gewalt“ solche Ereignisse, die nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar sind, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln und Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden können und auch nicht wegen ihrer Häufigkeit vom Betriebsunternehmen in Kauf zu nehmen sind. Ich finde, dass das auf die Dürre 2018 gut passt, aber eine sichere Prognose wie die Gerichte das sehen werden, ist auch hier nicht möglich.


top agrar: Es ist also nicht sicher ausgeschlossen, dass die Landwirte Schadensersatz leisten oder die Differenz für Deckungskäufe der Käufer zahlen müssen?

Heil: Nein, hier gibt es ein Risiko, dass die Landwirte zur Kasse gebeten werden. Aus meiner Sicht sprechen aber gute Gründe dafür, dass bei der diesjährigen Dürre die unverschuldete Unmöglichkeit der Vertragserfüllung angenommen werden kann. Die Vereinbarung einer dafür benötigten Vorratsschuld muss aber immer im Einzelfall ordentlich geprüft werden. Wenn sich die Gerichte meiner Ansicht anschließen hieße das im Klartext: Kein Schadensersatz und Deckungskauf zu Lasten der Landwirte. Voraussetzung ist aber natürlich, dass die Kontrakte an Hand von Erfahrungswerten aus der Vergangenheit abgeschlossen und nicht rein spekulativ kontrahiert wurde. Dann ist die schlechte Ernte nämlich kein Allheilmittel. 


top agrar: Welche Taktik sollten die Landwirte denn jetzt im Umgang mit den Käufern an den Tag legen?

Heil: Dass die Rechtslage hier nicht ganz eindeutig ist, werden wohl auch die Käufer, also der Landhandel wissen. In dieser rechtlich für beide Seiten gleichermaßen etwas ungeklärten Situation, kann sich oftmals ein Vergleichsschluss anbieten: Beide Seiten kommen sich dabei entgegen und machen Eingeständnisse. Ich habe in der Praxis jetzt schon einige Fälle gesehen, wo eine solche kaufmännische Lösung zufriedenstellend für beide Seiten funktioniert hat. Wer risikofreudig und streitlustig ist und auch die finanziellen Rücklagen für ein Gerichtsverfahren hat, kann aber hier auch jedwede Zahlungen und Schadensersatzansprüche unter Verweis auf die unverschuldete Unmöglichkeit verweigern und darauf warten, von den Käufern in Regress genommen, also verklagt, zu werden. Bevor man sich für diesen Weg entscheidet, sollte man aber dringend seinen Anwalt des Vertrauens hinzuziehen und diesen die Situation detailliert prüfen lassen.


Das Interview führte top agrar Redakteurin Gesa Harms


[1] § 20 Abs. 1 EDG lautet:„Wird nach Abschluss eines Vertrages dessen Erfüllung durch höhere Gewalt, […] oder sonstige von einer Vertragspartei nicht zu vertretende Umstände verhindert, so ist der Vertrag oder dessen unerfüllter Teil aufgehoben. Die andere Vertragspartei ist von den genannten Ereignissen unverzüglich nach deren Bekannt werden zu unterrichten. Wird das unterlassen, so kann das Erfüllungshindernis nicht

rechtswirksam geltend gemacht werden.“

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