Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus News

Weckruf: „Vermarktung muss digitaler werden!“

Die landwirtschaftlichen Produktion erfasst immer mehr Daten, um Prozesse zu optimieren. In Sachen Vermarktung müsste aber viel mehr passieren, meint Dr. Josef Efken vom Thünen-Institut. Die Digitalisierung wird die Landwirtschaft verändern. Da sind sich alle Experten einig.

Lesezeit: 9 Minuten

Die landwirtschaftlichen Produktion erfasst immer mehr Daten, um Prozesse zu optimieren. In Sachen Vermarktung müsste aber viel mehr passieren, meint Dr. Josef Efken vom Thünen-Institut.

 

Die Digitalisierung wird die Landwirtschaft verändern. Da sind sich alle Experten einig. Schon jetzt fahren Schlepper auf dem Acker weitgehend autonom. Und in deutschen Kuhställen werden heute so viele Einzeltierdaten erfasst wie nie zuvor. Doch es gibt einen Bereich auf deutschen Höfen, an dem die digitale Revolution bisher spurlos vorbeizieht: die Vermarktung. Das könnte sich rächen.

 

In der Produktion top

 

Deutsche Mäster gehören, z. B. hinsichtlich fortschrittlicher Produktion, sicherlich zu den besten der Welt. Wenn es um die Vermarktung von Schweinen und Rindern geht, läuft es aber im Prinzip noch so wie vor 30 bis 40 Jahren. Dabei verändern sich die Bedingungen rasant: Die gesellschaftlichen Ansprüche an Tierhaltung und Fleisch werden nicht nur höher, sondern immer vielfältiger und spezieller. Jedem Schnitzel soll praktisch ein Lebenslauf beigelegt werden. Ob die Daten am Ende wirklich gebraucht werden, spielt keine Rolle.

 

Hier nur eine Auswahl am Beispiel Schwein:

  • Wo ist das Schwein geboren?
  • Ist es kastriert – wenn ja, wie?
  • Wo ist es aufgewachsen?
  • Ist der Betrieb QS-zertifiziert?
  • Ist das Tier mit gentechnisch verändertem Sojaschrot gefüttert worden?
  • Wurde es auf Stroh gehalten?
  • Hat es Antibiotika erhalten?
  • Hat es einen intakten Ringelschwanz?
Es ist fraglich, ob es mit der herkömmlichen Vermarktung auf Dauer gelingt, all diese Informationen an den Schlachthof bzw. bis zum Kunden zu tragen. Mäster und Vermarktungsorganisationen verpassen den Wandel und bekommen, wenn sie nicht aufpassen, die neuen Standards durch Pionierunternehmen vorgesetzt. Der Aufwand in der Erzeugung könnte unkontrolliert steigen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit leiden. Deshalb ist es so wichtig, sich in die Gestaltung der Vermarktung 4.0 einzubringen.

 

Was heißt Digitalisierung?

 

Die Digitalisierung in der Tierhaltung bedeutet, dass Sensoren, Geräte und Programme über Unternehmensgrenzen hinweg Entscheidung automatisiert treffen – ohne menschliches Zutun. Die „Dinge“ kommunizieren über das Internet miteinander. Mit anderen Worten: Das Endprodukt sucht sich selbstständig die Rohwaren und Prozesse, um zu entstehen. Experten halten dabei den Lebensmittelhandel und die Landwirtschaft für Branchen mit dem höchsten Digitalisierungspotenzial.

 

Ein Beispiel: Der Verbraucher kauft im Supermarkt eingeschweißten Kochschinken, der QS-zertifiziert ist, ein „ohne Gentechnik“-Siegel trägt und in Bayern erzeugt wurde. Die Scannerkasse meldet dies der Datenzentrale und setzt damit eine Entscheidungskette in Gang: Aus dem Kauf des Kochschinken im Supermarkt entsteht ein elektronischer Auftrag im Fleischwerk, genau diesen Kochschinken zu produzieren und zu liefern. Das System beauftragt dann automatisch den Schlachthof, den nötigen Rohschinken zuliefern.

 

All das geschieht praktisch zeitgleich. Von hier geht es weiter bis zum Mäster, der QS-Betrieb ist, GVO-frei füttert und in Bayern liegt. Obwohl das Schwein noch 20 Tage im Stall steht, sind die Hinterschinken schon vermarktet. Kämen noch Grillfackelkäufe im Supermarkt hinzu, wäre „der Bauch auch weg“. Der Tierhalter könnte im Computer nachvollziehen, welches Schwein bereits verkauft ist. Die tierindividuelle Ohrmarke speichert Futterverbrauch, Lebendgewicht, Herkunft usw. Das System legt dann eigenständig fest, wann das Tier abgeholt wird. Der Transport zum Schlachthof wird ebenfalls automatisch zusammengestellt.

 

Ist das Utopie?

 

Zumindest bis zum Schlachthof würde diese Kette schon heute ganz gut funktionieren. Doch dann beginnen die Probleme. Nicht, weil die Schweine fehlen, sondern weil hier die digitalisierte Kette endet. Ab jetzt beherrschen wieder Telefonate, Rückfragen und persönliche Beratung auf dem Hof das Geschehen. Der Händler organisiert noch, wie die Tiere zum Schlachthof kommen und so weiter …

 

Dabei scheitert die automatische Kette nicht an der Technik, die den Datenaustausch auf dem Hof und zwischen Hof und Abnehmern leistet. Denn auf den Betrieben können schon heute viele Prozesse elektronisch erfasst werden. So gibt es bereits Systeme zur automatischen Erkennung der Schlachtreife und RFID-Ohrmarken (Transponder zur berührungslosen Identifizierung) für Schweine, mit denen Einzeltierdaten ausgelesen werden können.

 

Außerdem stecken die Hofrechner voll mit Informationen: QS, Cross Compliance, Sauenplaner, Farm-Manager, Abrechnungskontrolle etc. Hinzu kommen Ergebnisse der amtlichen Kontrollen im Schlachthof. Das Problem: Obwohl viele Daten vorliegen, werden sie kaum für die Vermarktung verwendet. Die Chancen werden nicht genutzt, weil Erzeugergemeinschaften, Viehverwertungsgenossenschaften und auch Tierhalter sich bisher kaum bewegen. Ist es die Angst vor einer Strukturdebatte? Oder die Unsicherheit, was mit den eigenen Daten passiert?

 

Der Wandel läuft schon


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Aufhalten lässt sich der Wandel sicherlich nicht: Tönnies setzt schon seit 2016 RFID-Ohrmarken bei Schweinen ein. Der Konzern soll die elektronischen Ohrmarken beim Rewe-Qualitätsprogramm „Meat-4-You“ nutzen, das antibiotikafreie Mast garantiert. Um diesen „Personalausweis des Tieres“ in größerem Umfang nutzen zu können, müssen die Prozesse allerdings stärker standardisiert sein. Dann können auch andere EDV-Systeme darauf zugreifen.

 

Da vor allem Züchter und Mäster die Daten liefern, stellt sich die Frage, warum sie nicht das Heft selbst in die Hand nehmen. Tierhalter können schließlich die geforderte Transparenz am glaubwürdigsten vermitteln. Gleichzeitig profitieren sie, wenn durch den Datenaustausch mit den Lieferanten und Abnehmern die Effizienz steigt. Der Landwirt verliert keine Persönlichkeitsrechte, wenn Daten seiner Schweine auf dem Kochschinken im Supermarkt stehen, sondern gewinnt eventuell verlorenes Verbrauchervertrauen zurück. Dadurch lässt sich der Qualitätsvorsprung im Wettbewerb mit ausländischer Ware sichern.


Wichtig ist dabei, dass die wertvollen Informationen auch bei der Ablieferung des Schlachtschweines einen Wert bekommen. Kern der Digitalisierung ist, dass wertgebende Informationen auch bezahlt werden.

 

Aktiv einbringen

 

Jetzt werden die Weichen für die Standards gesetzt. Nur wenn Erzeuger und ihre Vertreter sich aktiv einbringen, werden ihre Interessen bei den Konditionen berücksichtigt. Es gibt aber noch viele offene Fragen:

  • Wer darf welche Daten nutzen?
  • Wie kommt in diesem System der Preis zustande?
  • Will der Landwirt direkt Partner eines Schlachtunternehmens sein und seine Daten in die Wertschöpfungskette einspeisen?
  • Oder wollen Mäster über eine Vermarktungsorganisation ihre Daten bündeln, sodass für z. B. 50 000 Schlachtschweine pro Woche die Konditionen ausgehandelt werden?
Gefährlich ist, wenn Unternehmen abhängig werden, weil die genutzte Software keinen Wechsel erlaubt. Dann ist es mit dem Wettbewerb vorbei. Dafür gibt es aber Lösungen, wie es die Datenbanken für Salmonellenstatus oder Antibiotikaeinsatz zeigen.

 

Landwirte und Vermarkter sollten sich möglichst bald mit Software-Unternehmen zusammensetzen, um die neue Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Vermarktung und Schlachthof zu entwickeln.


Was halten Sie von dem Weckruf von Josef Efken? Schreiben Sie uns Ihre Meinung mit dem Stichwort „Digitalisierung“ an: E-Mail: redaktion@topagrar.com; Fax: 02501/801654





--------------- S T I M M E N ---------------


Fleischvermarktung ist komplizierter als Eierverkauf


Es ist schlichtweg falsch, dass die Vermarktung heute noch so läuft wie zu Großvaters Zeiten. Unsere EZG ist an den Schlachtbetrieben in Vilshofen und in Landshut beteiligt und nutzt digitale Möglichkeiten sehr wohl. Mit „Qualifood“ verfolgen wir Daten vom Bauern über den Vermarkter bis hin zum Schlachtbetrieb. Wir leiten Daten automatisch weiter, um Fehler zu vermeiden und geben Daten der Fleischbeschau oder Klassifizierung an die Bauern zurück. Im Rindfleischbereich können wir über die Verpackung sogar den landwirtschaftlichen Herkunftsbetrieb nachvollziehen.

 

Ein automatisches Bestellwesen vom Supermarkt bis in den Stall sehe ich aber auch in Zukunft nicht. Dann müssten an der Ladentheke schon halbe Schweine verkauft werden. Bei Eiern mag das möglich sein, aber wir sprechen doch schon in der Grobzerlegung bereits von über 100 Artikeln, die aus einem Schwein oder Rind geschnitten werden. Am Ende muss der gesamte Schlachtkörper zuverlässig verkauft sein. Digitale Systeme können nicht zaubern. Letztlich entscheidet immer noch der Mensch.


„Der Wettbewerb darf nicht auf der Strecke bleiben.“


Schweinehalter müssen die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen. Vor allem bei der Datenvernetzung wird sich in den kommenden Jahren viel tun. Auch die Einzeltiererkennung beim Schwein, die heute noch mit hohen Fehlerquoten kämpft, wird ein Thema sein. Hier dürfen wir das Feld nicht nur Pionierunternehmen überlassen.

 

Wir halten den ökonomischen Vorteil, den digitale Prozesse bringen, aber für begrenzt. Denn leider will der Lebensmittelhandel Informationen wie Herkunft, Geburt etc. meist zum Nulltarif.

 

Zudem gibt es auch Gefahren für Erzeuger: Ist die gesamte Produktion in einer Hand, haben Schlachter oder Lebensmittelhändler wesentlich einfacher Zugriff auf alle Daten des Landwirts. So treibt die Digitalisierung die vertikale Integration voran. Nicht ohne Grund ist Tönnies in den Viehhandel eingestiegen.

 

Für eine auskömmliche Erzeugung muss der Wettbewerb um Schweine erhalten bleiben. Wir als ISN setzen uns deshalb für Branchenlösungen und offene Systeme ein, wie z. B. IQ-Agrar oder QS. So bleibt man in der Vermarktung frei.


„Neue Technologien müssen sich auch rechnen.“


Landwirte sind längst digital unterwegs. Aber auch digitale Prozesse müssen sich auszahlen, d. h. Arbeitszeit einsparen oder Erlöse steigern. Ein gutes Beispiel dafür ist Schlachtdaten-Online der IQ-Agrar, mit dem Landwirte ihre Vermarktung verbessern können.


Bei QS werden derzeit Millionen von Schlachtkörperbefunddaten gesammelt und zu einem Index verdichtet. Das macht Sinn, weil Landwirte neue Möglichkeiten bekommen, die Gesundheit in ihren Beständen zu optimieren. Mit dieser Rückkopplung ist die deutsche Tierhaltung führend in Europa. Neue Technologien sind immer nur Mittel zum Zweck. Wir brauchen keine Datenfriedhöfe.

 

Ob die neuen Möglichkeiten für Marketing-Programme wie „ohne Gentechnik“ oder „antibiotikafreie Mast“ genutzt werden sollten, ist fraglich. Denn Unternehmen müssen dafür die Warenströme aufwendig trennen. Und die Marktanteile sind meist gering.

 

Es ist auch fraglich, ob die Konsumenten wirklich wissen wollen, von welchem Schwein das Schnitzel stammt. Ziel muss eine hohe Grundqualität sein, die digital erfasst wird.


„Landwirte werden von digitalen Systemen profitieren.“


Die Digitalisierung ist der Schlüssel zur perfekten Rückverfolgbarkeit und Transparenz, um das Vertrauen der Verbraucher zu gewinnen, davon bin ich überzeugt. Von der Schlachtung, Zerlegung, Herstellung und Lieferung bis in die Regale des Einzelhandels sind digitale Systeme bereits etabliert. Es ist an der Zeit, dass nun die landwirtschaftliche Stufe mit Willen einsteigt.

 

Das ist auch ein Grund, warum Tönnies Livestock das RFID-UHF-Ohrmarkenprojekt vorantreibt. Die elektronische Einzeltiererkennung stößt die Tür zur digitalen Zukunft in der Tierhaltung auf. Wir testen das System derzeit mit Erfolg. Von der Sau über die Ferkel bis zum Schlachtschwein lassen sich Abläufe und Einzeltierdaten mühelos sammeln, analysieren und steuern.

 

Wichtig ist nun, das Ganze in die Abläufe so einzubinden, dass der Dokumentationsaufwand für den Landwirt sinkt. Künftig ist eine vollständig online-basierte Form des Vermarktungsprozesses denkbar. Der Papierkrieg verschwindet und verständliche Analysen zur Betriebssteuerung bringen spürbare Mehrwerte.

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.