Foldenauer: Ein Jahr mit erneut großen Herausforderungen steht vor uns
Das Jahr 2017 neigt sich dem Ende. top agrar hat Branchenvertreter nach ihren Meinungen und Wünschen für das neue Jahr 2018 gefragt. Los geht es mit Hans Foldenauer, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter.
Das Jahr 2017 neigt sich dem Ende. top agrar hat Branchenvertreter nach ihren Meinungen und Wünschen für das neue Jahr 2018 gefragt. Los geht es mit Hans Foldenauer, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter.
"Ein Blick nach vorne ist im Bereich des Milchmarkts zum Blick in die Glaskugel geworden. Blickt man ausschließlich auf das aktuelle Milcherzeugerpreisniveau, könnte man 2018 entspannt entgegensehen. Richte ich meinen Blick auf sämtliche Marktparameter, schwindet die Entspannung und weicht großer Anspannung. Die Milchanlieferungsmengen steigen weiter und die Börsenwerte weisen alle auf ein Milcherzeugerpreisniveau von unter 30 Cent/kg hin.
Die sehr guten Erlöse im Fettbereich sind Geschichte, der Käsebereich zeigt ebenfalls deutliche Korrekturen nach unten und der Milchpulverbereich ist unterirdisch, um es deutlich auszudrücken. Nicht ohne Grund hat die EU-Kommission die Aussetzung der Intervention im Rahmen des Festpreisverfahrens durchgesetzt. Mit Blick auf die wirtschaftliche Situation der Milchviehhalter dürfte 2018 deutlich weniger erfreulich werden als 2017. Die durch die Krisen der letzten Jahre angesammelten Verluste sowie ein riesiger Investitionsstau lasten immer noch auf den Betrieben und es drohen schon neue Verluste.
Diese besorgniserregende Marktentwicklung bedürfte schneller Marktreaktionen. Die EU-Milchanlieferung muss in den kommenden Monaten dringend eingegrenzt werden. Mit Appellen an die Marktverantwortung der einzelnen Marktakteure ist es dabei nicht getan. Es bedarf verbindlicher Vorgaben für eine zeitlich befristete Mengenbegrenzung auf EU-Ebene. Bei allem Respekt vor vereinzelt angebotenen Molkereiprogrammen zur Mengenreduzierung – es sind und bleiben Insellösungen mit keinerlei Wirkung auf den Gesamtmilchmarkt. Ich würde mir zudem die Einsicht wünschen, dass Warenterminbörsen oder Festpreisvereinbarungen nichts zur Krisenlösung beitragen, da sie keinen Einfluss auf Angebot und Nachfrage nehmen. Sie können nur der Glättung von Preisausschlägen dienen. Die von verschiedenen Molkereiunternehmen angekündigte Entwicklung von Vertrags- und Festpreismodellen darf nicht dazu verleiten, darauf zu vertrauen, damit eine weitere Marktkrise verhindern zu können. Mein Wunsch ist, sofort zu handeln und nicht irgendwann Ende 2018 oder in 2019.
Ob ein Mehr an Eigenverantwortung der Branche zu sinnvollen Ergebnissen für die Milchviehhalter führt, hängt m.E. ganz entscheidend davon ab, wie der Begriff der Branche zukünftig definiert wird. Wird dabei an alle Marktakteure gedacht? Sollen Handel, Verarbeiter, Milchviehhalter und Verbraucher eingebunden werden, wie bisher beispielsweise in den Landesvereinigungen, oder müssen wir nicht doch an eine neue Definition denken? In der bisherigen Definition der Branche sind die Interessen viel zu widersprüchlich und blockieren marktorientierte Lösungen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir Milchviehhalter zusammen mit unseren Verbänden eine eigenständige Branche bilden und dass wir nur in diesem Verbund bestmögliche Lösungen für uns suchen können. Ein Branchenverband der Milchviehhalter könnte und sollte in die Lage versetzt werden, auf Basis der Milchmarktbeobachtungsstelle der EU-Kommission (Milk Market Observatory) Verantwortung für die Umsetzung von zeitlich befristeten Mengenbeschränkungen in krisenhaften Marktphasen zu übernehmen.
Eine weitere Herausforderung sehe ich in der Diskussion um die Weiterentwicklung der GAP 2020. Jeder spricht über die Umverteilung der Agrargelder, aber nur der BDM befasst sich ernsthaft mit der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Marktordnung. Nicht ein wichtiges Problemfeld wird sich über die Umverteilung von Geldern lösen lassen. Man drückt sich seit Jahren vor der Diskussion um eine grundsätzliche Neuausrichtung der GAP und GMO und kuriert mit Mini-Stellschrauben und hohem bürokratischem Aufwand an den Folgen der Fehlausrichtung der Agrarpolitik herum.
Das führt dazu, dass sich die Landwirte zunehmend in einem Konflikt sehen, wie ihre Betriebe wirtschaftlich nachhaltig weitergeführt und gleichzeitig steigende Anforderungen der Gesellschaft erfüllt werden sollen. Der Handel wartet nicht auf die Politik und nutzt die Marktsituation – er verschärft die Situation der Milchviehhalter, indem er einseitig immer mehr Vorgaben durchdrückt, um vermeintliche Kundenwünsche zu bedienen. Diesem Verhalten Einhalt zu gebieten, ist eine weitere Herausforderung."
Morgen lesen Sie die Einschätzung von Karsten Schmal, Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes.
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Das Jahr 2017 neigt sich dem Ende. top agrar hat Branchenvertreter nach ihren Meinungen und Wünschen für das neue Jahr 2018 gefragt. Los geht es mit Hans Foldenauer, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter.
"Ein Blick nach vorne ist im Bereich des Milchmarkts zum Blick in die Glaskugel geworden. Blickt man ausschließlich auf das aktuelle Milcherzeugerpreisniveau, könnte man 2018 entspannt entgegensehen. Richte ich meinen Blick auf sämtliche Marktparameter, schwindet die Entspannung und weicht großer Anspannung. Die Milchanlieferungsmengen steigen weiter und die Börsenwerte weisen alle auf ein Milcherzeugerpreisniveau von unter 30 Cent/kg hin.
Die sehr guten Erlöse im Fettbereich sind Geschichte, der Käsebereich zeigt ebenfalls deutliche Korrekturen nach unten und der Milchpulverbereich ist unterirdisch, um es deutlich auszudrücken. Nicht ohne Grund hat die EU-Kommission die Aussetzung der Intervention im Rahmen des Festpreisverfahrens durchgesetzt. Mit Blick auf die wirtschaftliche Situation der Milchviehhalter dürfte 2018 deutlich weniger erfreulich werden als 2017. Die durch die Krisen der letzten Jahre angesammelten Verluste sowie ein riesiger Investitionsstau lasten immer noch auf den Betrieben und es drohen schon neue Verluste.
Diese besorgniserregende Marktentwicklung bedürfte schneller Marktreaktionen. Die EU-Milchanlieferung muss in den kommenden Monaten dringend eingegrenzt werden. Mit Appellen an die Marktverantwortung der einzelnen Marktakteure ist es dabei nicht getan. Es bedarf verbindlicher Vorgaben für eine zeitlich befristete Mengenbegrenzung auf EU-Ebene. Bei allem Respekt vor vereinzelt angebotenen Molkereiprogrammen zur Mengenreduzierung – es sind und bleiben Insellösungen mit keinerlei Wirkung auf den Gesamtmilchmarkt. Ich würde mir zudem die Einsicht wünschen, dass Warenterminbörsen oder Festpreisvereinbarungen nichts zur Krisenlösung beitragen, da sie keinen Einfluss auf Angebot und Nachfrage nehmen. Sie können nur der Glättung von Preisausschlägen dienen. Die von verschiedenen Molkereiunternehmen angekündigte Entwicklung von Vertrags- und Festpreismodellen darf nicht dazu verleiten, darauf zu vertrauen, damit eine weitere Marktkrise verhindern zu können. Mein Wunsch ist, sofort zu handeln und nicht irgendwann Ende 2018 oder in 2019.
Ob ein Mehr an Eigenverantwortung der Branche zu sinnvollen Ergebnissen für die Milchviehhalter führt, hängt m.E. ganz entscheidend davon ab, wie der Begriff der Branche zukünftig definiert wird. Wird dabei an alle Marktakteure gedacht? Sollen Handel, Verarbeiter, Milchviehhalter und Verbraucher eingebunden werden, wie bisher beispielsweise in den Landesvereinigungen, oder müssen wir nicht doch an eine neue Definition denken? In der bisherigen Definition der Branche sind die Interessen viel zu widersprüchlich und blockieren marktorientierte Lösungen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir Milchviehhalter zusammen mit unseren Verbänden eine eigenständige Branche bilden und dass wir nur in diesem Verbund bestmögliche Lösungen für uns suchen können. Ein Branchenverband der Milchviehhalter könnte und sollte in die Lage versetzt werden, auf Basis der Milchmarktbeobachtungsstelle der EU-Kommission (Milk Market Observatory) Verantwortung für die Umsetzung von zeitlich befristeten Mengenbeschränkungen in krisenhaften Marktphasen zu übernehmen.
Eine weitere Herausforderung sehe ich in der Diskussion um die Weiterentwicklung der GAP 2020. Jeder spricht über die Umverteilung der Agrargelder, aber nur der BDM befasst sich ernsthaft mit der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Marktordnung. Nicht ein wichtiges Problemfeld wird sich über die Umverteilung von Geldern lösen lassen. Man drückt sich seit Jahren vor der Diskussion um eine grundsätzliche Neuausrichtung der GAP und GMO und kuriert mit Mini-Stellschrauben und hohem bürokratischem Aufwand an den Folgen der Fehlausrichtung der Agrarpolitik herum.
Das führt dazu, dass sich die Landwirte zunehmend in einem Konflikt sehen, wie ihre Betriebe wirtschaftlich nachhaltig weitergeführt und gleichzeitig steigende Anforderungen der Gesellschaft erfüllt werden sollen. Der Handel wartet nicht auf die Politik und nutzt die Marktsituation – er verschärft die Situation der Milchviehhalter, indem er einseitig immer mehr Vorgaben durchdrückt, um vermeintliche Kundenwünsche zu bedienen. Diesem Verhalten Einhalt zu gebieten, ist eine weitere Herausforderung."
Morgen lesen Sie die Einschätzung von Karsten Schmal, Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes.