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Gastkommentar: Brexit schlimmer als Russland-Embargo

Wie wirkt sich der Austritt Großbritanniens aus der EU-28 auf die Milchwirtschaft aus? Einschätzungen von Peter Giørtz-Carlsen, Europa-Vorstand der Molkereigenossenschaft Arla Foods.

Lesezeit: 5 Minuten

Wie wirkt sich der Austritt Großbritanniens aus der EU-28 auf die Milchwirtschaft aus? Einschätzungen von Peter Giørtz-Carlsen, Europa-Vorstand der Molkereigenossenschaft Arla Foods.



Es wird erwartet, dass sich die Europäische Union und Großbritannien bis Ende Oktober auf die Grundsätze ihrer zukünftigen Beziehungen geeinigt haben. Für diesen Fall planen beide Seiten, bis Ende März 2019 ein Abkommen zu ratifizieren. Zu diesem Zeitpunkt tritt Großbritannien offiziell aus der EU aus. In den anschließenden Gesprächen wird es um die Details der zukünftigen Zusammenarbeit gehen, besonders bei den Handelsbeziehungen.



Viel steht auf dem Spiel


Die Entscheidungen, die nun in den kommenden rund zwei Jahren getroffen werden, bestimmen die Zukunft eines einheitlichen Europas und die Grundlagen für die künftigen Beziehungen Großbritanniens zu seinen engsten Nachbarn und dem Rest der Welt. Für alle Beteiligten steht politisch viel auf dem Spiel. Gleiches gilt für den europäischen und britischen Lebensmittel- und Getränkesektor. Dieser ist gemessen am Umsatz von mehr als eine Billion Euro die größte verarbeitende Industrie in der EU, mit einer Wertschöpfung von über 212 Milliarden Euro und mehr als 4,25 Millionen Beschäftigten. Großbritannien ist mit rund 16 Milliarden Euro pro Jahr einer der führenden Exporteure von Agrarerzeugnissen in die EU, mit der Milchindustrie in zentraler Rolle.



Dabei ist die Marktdynamik kompliziert. Die britische Milchwirtschaft ist nur zu 82 Prozent autark. Der größte Teil des Defizits, etwa 2,7 Milliarden Kilogramm Milch, wird aus der EU importiert. Eine Analyse der European Dairy Association hat gezeigt, dass diese Milch einen neuen Markt in der EU finden muss, sollten die Handelsbeziehungen nach dem Brexit auf WTO-Regeln beruhen. Dies wirkt sich wiederum auf den Milchpreis aus und führt zu erheblichen Unsicherheiten in der Branche – sowohl in Großbritannien als auch in der EU. Die Auswirkungen wären deutlich größer als die des russischen Embargos 2014.



Daher würden künftige Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU nach dem Brexit, die den zollfreien Handel mit Milchprodukten über die Grenzen hinweg ermöglichen und frei von nichttarifären Handelshemmnissen sind, zahlreiche Chancen bieten. Dagegen würde ein Abkommen, das Zölle auferlegt und Handelshemmnisse errichtet, das Gegenteil bewirken.



Freier Handel ist notwendig


Als nordeuropäische Molkereigenossenschaft im Besitz von 11.200 Landwirten in sieben EU-Mitgliedstaaten, darunter fast 2.500 in Großbritannien, ist Arla Foods ein gutes Beispiel dafür, wie erfolgreich der Binnenmarkt bisher war. Durch ihn hatten unsere Landwirte die Sicherheit, in ihre Betriebe zu investieren. Und in der Produktion konnten wir Größenvorteile nutzen, um die Herstellungskosten zu senken. Außerdem konnten wir so Märkte in Europa und weltweit erschließen, die uns mit Handelshemmnissen und ohne europäische Zusammenarbeit verschlossen geblieben wären. Zudem ist der Binnenmarkt ein Katalysator für Innovationen im Lebensmittel- und Getränkebereich.



Arla Skyr, der isländische Joghurt, ist eines unserer erfolgreichsten Produkte der vergangene zwei Jahre und ein hervorragendes Beispiel dafür, wie eine gemeinsame Vision und die Zusammenarbeit in Europa ein Produkt hervorgebracht hat, das in vielen Ländern eine neue Kategorie im Kühlregal geschaffen hat.



Der Verbraucher steht an erster Stelle


Bei Arla Foods und in der gesamten Lebensmittel- und Getränkeindustrie gibt es zahlreiche Beispiele wie dieses. In jedem Fall können Verbraucher im Ergebnis aus mehr qualitativ hochwertigen und erschwingliche Produkten wählen. Das ist eine gute Sache – aber nicht selbstverständlich. Es gibt bereits Anzeichen dafür, wie der Brexit den Alltag beeinflusst. Nach den Aussagen des Gouverneurs der Bank of England bedeutet der Brexit, dass die realen Haushaltseinkommen etwa 900 Pfund niedriger sind, als im Mai 2016 prognostiziert.

Sollte der Handel zwischen den EU27 und Großbritannien eingeschränkt werden, wird das Folgen haben: Wir riskieren, die integrierte Lebensmittel- und Getränkeversorgungskette zu unterbrechen, den Verbrauchern Möglichkeiten bei der Produktwahl zu nehmen, und die Inflation der Lebensmittelpreise.



Die Fakten sprechen für sich


Die wirtschaftlichen und sozialen Argumente für Handelsbeziehungen ohne Zölle und Handelshemmnisse nach dem Brexit liegen also auf der Hand. Alle werden davon profitieren, insbesondere die Verbraucher. Aber in der heutigen Debatte geht es nicht um einfache Ökonomie. Es ist eine leidenschaftliche und emotionale Debatte.



Und obwohl ich die Entscheidung Großbritanniens, die EU zu verlassen, voll und ganz respektiere und die roten Linien verstehe, die beide Seiten gezogen haben, erwarte ich von den Politikern Großbritanniens und der EU, ihre Anstrengungen zum Schutz der Verbraucher zu verdoppeln, indem sie sich auf möglichst freie Handelsbeziehungen einigen.



Wenn eine Lösung gefunden wird, wird der Milchsektor in Großbritannien und Europa weiter wachsen und qualitativ hochwertige, erschwingliche Produkte entwickeln, die den Anforderungen der Verbraucher in ganz Europa und Großbritannien entsprechen.

 

Der Däne Peter Giørtz-Carlsen, verantwortet seit 2016 als Vorstand das Europageschäft von Arla Foods. Zuvor war er unter anderem als Landeschef für das Arla Geschäft in Großbritannien und Dänemark verantwortlich. 

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