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Mit A2-Milch eine neue Nische besetzt

Die Betriebe Reingruber und Wallner sind die ersten A2-Milch-Erzeuger Österreichs. Mit der „Milch für Menschen mit Eiweißallergie“ nehmen die Landwirte die Milchvermarktung selbst in die Hand. Torsten Altmann berichtet für top agrar Österreich...

Lesezeit: 9 Minuten

Die Betriebe Reingruber und Wallner sind die ersten A2-Milch-Erzeuger Österreichs. Mit der „Milch für Menschen mit Eiweißallergie“ nehmen die Landwirte die Milchvermarktung selbst in die Hand. Torsten Altmann berichtet für top agrar Österreich:


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Es hört sich fast so an, wie ein österreichischer Telefonanbieter. Doch es ist vielmehr eine neue Milch. Die Rede ist von A2-Milch. Mit dieser Milch für Menschen mit Eiweißallergie wollen die Betriebe Reingruber aus Inzersdorf im Kremstal und Wallner in Scharnstein (OÖ) in eine Nische vordringen und damit bessere Erlöse aus der Milchproduktion erzielen. Die Anfänge sind vielversprechend.


Regalpreis knapp 2 €


Mit ihrer Marke ,A-zwei, die Urmilch‘ sind sie gerade dabei, in die Regale einer Supermarktkette vorzustoßen. Trotz des stolzen Preises von knapp 2 € pro l soll die Milch Menschen mit Beta-Kasein-Unverträglichkeit zum Kauf bewegen. Und damit beiden Betrieben langfristig ein gutes Einkommen sichern.


„Bisher gab es die A2-Milch nur von Schaf- und Ziegenmilcherzeugern“, so Gerhard Reingruber. „Als wir im letzten Jahr aus Bayern gehört haben, dass dort auch Kuhbetriebe in die A2-Milchproduktion eingestiegen sind, kam uns die Idee, dies auch zu probieren.“ Die Bezeichnung A2 bezieht sich auf eine natürlich vorhandene Variante des Milcheiweißes Beta-Kasein (siehe Erläuterungen unten).


Welche Variante eine Kuh produziert, ist genetisch bedingt und vererbt sich wie Hornlos oder Rotbunt. Neben den reinrassigen A2A2-Kühen, die zwei Allele A2 besitzen, gibt es auch A1A1- oder mischerbige A1A2-Tiere. Der Anteil an A2-Kühen schwankt von Betrieb zu Betrieb zwischen 20 und 70 %, je nach Kuhfamilien und eingesetzten Stieren.


Für Reingrubers lag der Einstieg in die A2-Milch-Produktion quasi nahe. Denn sie sind schon seit über 20 Jahren in der Direktvermarktung aktiv. Sie beliefern knapp 30 Schulen und Kindergärten mit rund 75 000 kg Milch und Joghurt jährlich. Knapp 300 000 kg Milch geht an die Gmundner Molkerei.


Im vergangenen Jahr erlebten Reingrubers neben dem allgemein stark rückläufigen Preisniveau beim Milchpreis mit dem Milchmengen-Begrenzungsmodell der Gmundner Molkerei einen zusätzlichen Nackenschlag. „Denn wir haben 2014 einen neuen Lauftstall für unsere 50 Fleckviehkühe gebaut. Und danach haben wir kontinuierlich aufgestockt. Somit sind wir in den vollen Abzug gekommen.“


Nur 20 % A2-Kühe zum Start


„Dies war schließlich der entscheidende Auslöser, es mit der Produktion von A2-Milch zu versuchen. Sein Rinderzuchtverband, der RZV Vöcklabruck, stellte den Kontakt zu Dr. Thomas Grupp, den Geschäftsführer der Bayern-Genetik, her. Diese Besamungsstation bietet Gentests an. Reingrubers stanzten von allen Kühen Proben aus den Ohren und sandten sie an die Bayern-Genetik zur Untersuchung ein. Eine Untersuchung kostet 20 bis 30 € (abhängig von Anzahl und Probematerial).


Das Ergebnis war etwas ernüchternd für uns“, so Gerhard Reingruber. Mit 20 % reinerbigen A2A2 Kühen lag man am unteren Ende der von Experten angegebenen Schwankungsbreite. Aber Reingrubers wollten nicht warten, um die Herde in langsamen Schritten züchterisch auf A2 umzustellen. Deshalb entschieden sie sich schweren Herzens, die reinerbigen A1- und die mischerbigen Tiere gegen reinerbige A2-Tiere auszutauschen.


Die in der Regel Erstlingskühe hat Reingruber in Ober- und Niederösterreich zugekauft. Vorher hat er sich über verschiedene Quellen über geeignete Kühe informiert und dabei darauf geachtet, „dass sie aus größeren Ställen mit gutem Stalldurchschnitt stammen“, so Reingruber zu seiner Ankaufstrategie. Daneben achtete er aber auch auf weitere Qualitätsmerkmale wie Klauen, Euter etc. Wenn er geeignete Tiere entdeckte, fuhr er zunächst zu den Betrieben und hat DNA-Proben genommen.


500 € Mehrkosten pro Kuh


Unterm Strich schlug der Verkauf der 80 % mischerbigen Kühe und der Ankauf der reinerbigen Tiere mit im Schnitt 500 € Mehrkosten/Tier zu Buche. Die Umstellung dauerte insgesamt rund 10 Monate. Damit haben Reingrubers jetzt aber eine zu 100 % reinerbige A2-Herde im Stall. Und der 37-Jährige betont darüber hinaus: „Bei den neuen Tieren handelt es sich zudem durchwegs um leistungsstarke Kühe.“


Parallel zur Umstellung kümmerten sich Reingrubers um die künftige zusätzliche Vermarktung der A2-Milchprodukte. Schließlich wollen sie einen möglichst großen Teil ihrer Milch künftig selbst vermarkten. Nur über die Schulmilch wäre dies nicht möglich. Allerdings wollen sie diese Schiene auf jeden Fall weiter aufrecht erhalten. Darüber hinaus aber wollen sie in die Supermärkte.


Exklusive Lieferung


Nach intensiven Gesprächen mit verschiedenen Ketten, in denen Reingruber die aus seiner Sicht wichtigsten Vorteile der A2-Milch erläuterte, zeigte der REWE-Konzern großes Interesse. „Ein Firmenvertreter war extra bei uns am Betrieb, um sich über die Produktion zu informieren“, so Reingruber. So kam man ins Geschäft. „Allerdings hat der Konzern eine exklusive Belieferung zur Bedingung gemacht“, ergänzt der landwirtschaftliche Meister.


Seit einigen Wochen sind Reingrubers bereits in regionalen ADEG-Filialen und einem Nah und Frisch-Geschäft gelistet. Reingrubers bieten hier Frischmilch und Naturjohghurt an. Die entsprechenden Anlagen für die Verarbeitung sind am Betrieb aus der Schulmilch-Direktvermarktung vorhanden. Für das Joghurt ist eine moderne Becherabfüllanlage am Betrieb vorhanden. Die Milch füllen sie derzeit händisch in 1 l-Glasflaschen ab.


Reingrubers ist aber bewusst: „Das System mit den Flaschen ist arbeitsaufwändig und teuer.“ In der Anfangsphase der neuen Vermarktungsschiene wollen sie es deshalb zwar noch beibehalten. Langfristig schwebt ihnen aber vor, sich einen externen Partner, sprich eine Molkerei zu suchen, die die A2-Milch für sie in Tetrapackerln abfüllt. Sie haben auch bereits eine nahegelegene kleine Molkerei gefunden, die ihre Milch im Tetrapack abfüllt.


Verkauf gut angelaufen


Im Handel scheint die A2-Milch offensichtlich schon auf Interesse zu stoßen. Die Verbraucher dürften trotz des mit knapp unter 2 € liegenden Preises für die Frischmilch zugreifen. So jedenfalls berichten es Reingrubers. Dazu Roswitha Reingruber: „Viele Leute mit Milcheiweißallergie kommen jetzt schon von weiter her in unsere Region, um die A2-Milch zu kaufen. Das Plus für die Supermärkte ist, dass die Verbraucher natürlich auch gleich weitere Produkte einkaufen.“ Das Plus für Reingrubers ist der Verkaufspreis: Die in Flaschen abgefüllte Milch stellen sie um 1,25 €/l an den Handel zu.


Aktuell beläuft sich die verkaufte Menge im Supermarkt laut Reingrubers auf etwa 300 l Milch pro Woche. Dies dürfte sich allerdings ab Februar schlagartig ändern. Dann sollen die A2-Milchprodukte auch bei Merkur und Billa in mehreren Bundesländern gelistet werden.


Als Vermarktungsziel geben Reingrubers 25 000 kg Milch pro Monat an. Etwa 18 000 kg davon können Reingrubers nach eigener Angabe selbst produzieren. Die übrigen benötigten Mengen liefern Fritz und Maria Wallner aus Scharnstein. Wallners sind derzeit noch in der Umstellungsphase des Betriebes mit knapp 40 Milchkühen. „Wir haben im Moment rund 70 % des Bestandes umgestellt“, so Fritz Wallner. Bis Ende Februar, dem geplanten Verkaufsbeginn bei Merkur und Billa, wird der Bestand aber reinerbig A2 sein. Wallner hat gerade erst wieder vier Jungkühe in Niederösterreich zugekauft.


Für Wallners, die am Betrieb mit Fütterungs-, Melk- und Entmistungsroboter voll auf Automatisierung setzen, ist der Einstieg in die Direktvermarktung Neuland. „Für uns ist das A2-Milch-Projekt natürlich ein Sprung ins kalte Wasser“, räumt Fritz Wallner ein. Doch er freut sich darauf, künftig bei der Vermarktung der Milch mitbestimmen zu können. „Das war bisher halt nicht der Fall“, so der Jungbauer. Mit dem Einstieg in die A2- Schiene ist gleichzeitig auch der Ausstieg aus der Bioproduktion verbunden. „Denn wir bekommen mit der A2-Milch nur einen Regalplatz“, so Wallner. Für ihn ist dies kein Problem, denn ihn „störten die zunehmenden Auflagen von Bio Austria ohnehin“.


„In Sachen Marketing und Vermarktung arbeiten die Betriebe partnerschaftlich zusammen“, erklärt Roswitha Reingruber. Den beiden kommt hier zugute, dass ihre A2-Milch-Vermarktung als Leader Projekt der Region Traunviertel/ Alpenvorland anerkannt wurde. Somit werden alle Marketingmaßnahmen, wie Flyer, Inserate, Gestaltung Homepage etc. mit 40 % gefördert.


Festzuhalten bleibt


Reingrubers und Wallners gehen mit der Umstellung auf die A2-Milch einen mutigen Schritt. Sie gehen diesen absolut zielstrebig und mit klaren Zielen vor Augen. Die Zukunft wird zeigen, ob sich dieses konsequente unternehmerische Handeln für sie auszahlt. So wie das Projekt angelaufen ist, sieht es gut aus für die Betriebe.


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Unterschied liegt im Milcheiweiß


Eine einzelne Aminosäure in dem Milcheiweiß Beta-Kasein macht den Unterschied (siehe Grafik): Bei dem A2-Kasein befindet sich an der Position 67 die Aminosäure Prolin, beim A1-Kasein Histidin. So wird bei der Verdauung von A1 das so genannte Opiat Beta-Casomorphin-7 (BCM-7) abgespalten, bei der A2-Variante nicht. Dieses Stoffwechselprodukt soll die Ursache dafür sein, dass einige Menschen keine Milch vertragen.


Die A2-Milch als erste für sich entdeckt hat die neuseeländische „a2- Milk Company“. Die Firma hat die A2-Milch dort zum Kassenschlager gemacht. Sie verspricht bessere Verträglichkeit und Gesundheit. Auf dem neuseeländischen Markt hat die Trinkmilch einen Marktanteil von 10 % und steht für umgerechnet etwa 2 € pro Liter im Regal.


Auch in den USA, England und den Niederlanden steigt offensichtlich die Nachfrage. In Deutschland setzen erste Pioniere auf Milch von A2-Kühen und vermarkten diese selbst (siehe top agrar 2017, S. R 18, unten verlinkt).


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Das sagen Skeptiker zur A2-Milch


Unabhängige Beweise für die positiven Effekte der A2-Milch fehlen, wird von A2-Kritikern ins Feld geführt. Angezweifelt werden besonders negative Folgen durch den Konsum von „herkömmlicher Milch“, die A1-Kasein enthält. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat Forschungsberichte hierzu analysiert und keine gesicherten Belege gefunden. Denn die Studien seien selten mit menschlichen Probanden durchgeführt worden, nur über kurze Zeiträume erfolgt oder vernachlässigten andere Einflussfaktoren.


Das bestätigt auch das deutsche Max-Rubner-Institut, das das dortige Landwirtschaftsministerium berät. Es weist zudem darauf hin, dass alle bisherigen Studien von Vermarktern der A2-Milch finanziert wurden. Unabhängige Studien fehlen.


Ohne eindeutige Beweise ist aber eine höherpreisige Vermarktung schwierig, meinen Experten. Genau hier sieht Prof. Erhardt von der Uni Gießen den Knackpunkt: „Landwirte sollen investieren, ohne einen garantierten Mehrwert zu bekommen.“ Für Dr. Björn Börgermann vom Milchindustrie- Verband könnte „die A2- Milch für Einzelne eine Möglichkeit sein, sich vom Markt abzuheben. Sie wird aber eine Nische im Premium- Bereich bleiben“.


Zudem warnt Prof. Erhardt: „Wer ausschließlich auf A2A2 selektiert, schränkt sich in der Auswahl der Vererber ein.“ Züchter sollten wichtige Merkmale für das langfristige Zuchtziel nicht einem möglicherweise kurzfristigen Trend opfern. Zudem gebe es Hinweise darauf, dass A2A2 negativ mit der Vererbung von dem für die Käseherstellung wertvollen Kappa- Kasein korreliert. Das sollten besonders Braunvieh-Züchter im Blick behalten.

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