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Professoren: BDM-Konzept und neue Milchquote nicht sinnvoll

Als ökonomisch wenig sinnvoll bewerten mehrere Agrarökonomen eine freiwillige Mengenreduzierung mit Entschädigung oder eine staatlich kontrollierte Begrenzung der Milchmenge als Lösung für den Milchmarkt. Somit bleibe nur die marktwirtschaftliche Anpassung – weniger wettbewerbsfähige Betriebe müssten aussteigen.

Lesezeit: 7 Minuten

Als ökonomisch wenig sinnvoll bewerten mehrere Agrarökonomen eine freiwillige Mengenreduzierung mit Entschädigung oder eine staatlich kontrollierte Begrenzung der Milchmenge als Lösung für die aktuelle Situation auf dem Milchmarkt. Somit bleibe nur die marktwirtschaftliche Anpassung – weniger wettbewerbsfähige Betriebe müssten aussteigen. Hier die komplette Pressemitteilung:


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Viele Landwirte können bei den derzeitigen Erzeugerpreisen von durchschnittlich ca. 24 Cent/kg nicht mehr kostendeckend Milch produzieren. Sie erwirtschaften Verluste und sehen ihre betriebliche Existenz gefährdet. Als wesentliche Ursache für den aktuellen Rückgang der Milchpreise werden neben einer Ausweitung des Angebots nach dem Wegfall der Michquote vor allem der Rückgang der Auslandsnachfrage nach Molkereiprodukten gesehen. Vor diesem Hintergrund wird eine „Steuerung“ der Angebotsmenge im Sinne einer Begrenzung gefordert. Grundsätzlich bestehen drei Optionen, um das Überangebot an die Nachfrage anzupassen:


  1. Ein „Milchkartell“, bei dem sich Landwirte zusammenschließen und (ggf. gemeinsam mit den Molkereien) eine Reduzierung der Milchmenge vereinbaren. Dies würde die Verhandlungsmacht gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) stärken. In eine ähnliche Richtung zielt auch der Vorschlag des Bundes Deutscher Milchviehhalter (BDM) einer freiwilligen Mengenreduzierung verbunden mit einer Entschädigung.
  2. Eine staatlich kontrollierte Begrenzung der Milchmenge, also quasi eine Rückkehr zu dem 2015 ausgelaufenen Quotensystem.
  3. Eine wettbewerbsorientierte Anpassung, bei der diejenigen Produzenten mit den ungünstigsten Kostenstrukturen aus der Milchproduktion aussteigen. Wir argumentieren, dass die beiden erstgenannten Optionen ökonomisch wenig sinnvoll sind.


Ein Preiskartell, nichts anderes ist ein Zusammenschluss aller Anbieter auf einem Markt, mit dem Ziel, höhere Preise durchsetzen zu wollen, ist in einer Marktwirtschaft wettbewerbspolitisch problematisch und wettbewerbsrechtlich unzulässig. Unabhängig davon wird es schwer sein, ein Milchkartell durchzusetzen, denn die Kräfte des Marktes lassen sich nicht ohne weiteres aushebeln. Entscheidend ist, dass es Milcherzeuger gibt, die in der Lage sind, sehr kostengünstig zu produzieren und die kein Interesse daran haben, ihre Produktionsmengen zu begrenzen. Diese Milcherzeuger gibt es nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Niederlanden, Dänemark, Großbritannien und anderen Ländern. Das Angebot dieser effizienten Milcherzeuger sorgt für einen Preisdruck und bildet einen Anreiz für Discounter, sich Milchprodukte dort zu beschaffen, wo sie am günstigsten sind. In einer globalisierten Wirtschaft kann ein Milchkartell keine stabile Lösung sein. Hinzu kommt, dass eine freiwillige Mengenreduzierung kurzfristig schwer zu realisieren ist: Eine Reduzierung der Fütterungsintensität ist tierphysiologisch umstritten, da hier tiergesundheitliche Probleme auftreten können.


Daher fordern einige Landwirte eine staatlich durchgesetzte Begrenzung der Milchmenge, mit anderen Worten, die Wiedereinführung einer staatlich administrierten Milchquote. Dies ist aus ökonomischer Sicht ebenfalls abzulehnen, weil Produktionsquoten verhindern, dass Preise als wichtige Signale für sich ändernde Knappheiten und damit für die zukünftigen Entscheidungen von Anbietern und Nachfragern funktionieren können. Ganz unabhängig davon, dass es unsinnig ist, Lebensmittel künstlich zu verknappen, stellt sich die Frage nach dem Niveau der Quote und des daraus resultierenden Milchpreises. Die oft zitierten 35 Cent als anzustrebender „fairer Preis“ sind mehr oder weniger willkürlich gewählt. Angesichts der hohen Kostenunterschiede zwischen den Produzenten würden bei einem solchen Preis effiziente Betriebe Mitnahmeeffekte erzielen, während weniger effiziente Betriebe immer noch kein ausreichendes Einkommen erwirtschaften würden. Eine Quote verhindert, dass Milch dort erzeugt wird, wo es am kostengünstigsten ist. Die EU Agrarpolitik hat diese leidvolle Erfahrung über 30 Jahre gemacht und sich konsequenterweise gegen den Fortbestand der Milchquote entschieden. Hinzu kommt, dass es schlicht keine Mehrheit für die Wiedereinführung der Milchquote in der EU gibt und ein deutscher Alleingang aufgrund des freien Warenverkehrs innerhalb der EU wirkungslos wäre.


Der dritte Weg, eine marktwirtschaftliche Anpassung, impliziert, dass die am wenigsten wettbewerbsfähigen Betriebe aus der Milcherzeugung ausscheiden, wodurch das Angebot sinkt und die Preise tendenziell steigen. Soziale Härtefälle müssen hierbei durch Instrumente der Sozialpolitik abgefedert werden. Allerdings könnte es zu weiter reichenden Problemen kommen, nämlich dann, wenn bei anhaltend niedrigen Milchpreisen landwirtschaftliche Betriebe massenhaft in den finanziellen Ruin getrieben würden, darunter auch solche, die unter „normalen“ Marktbedingungen wettbewerbsfähig sind. Kritiker einer marktwirtschaftlichen Anpassung der Produktionsmenge argumentieren, diese Entwicklung könne irreversible Folgen für die durch die bäuerlichen Familienbetriebe geprägte Agrarstruktur sowie für das Landschaftsbild haben. Gegen eine solche Entwicklung sprechen folgende Punkte: Erstens kauft die EU derzeit Butter und Magermilchpulver, um ein weiteres Absinken der Preise zu verhindern. Zweitens haben die Milcherzeuger in Phasen hoher Milchpreise (z.B. mehr als 40 Cent/kg in 2013/14) die Möglichkeit, finanzielle Reserven aufzubauen und drittens trägt die auf dem jüngsten Milchgipfel zugesagte Liquiditätshilfe der Bundesregierung zumindest in bescheidenem Umfang dazu bei, finanzielle Engpässe zu überbrücken. Darüber hinaus müssen bei einer kurzfristigen Betrachtung zunächst nur die variablen Produktionskosten durch die Milcherlöse gedeckt werden. Problematisch ist die Situation allerdings für Betriebe, die in Erwartung hoher Milchpreise fremdfinanzierte Investitionen durchgeführt haben und nun die Kredite bedienen müssen. Eine naheliegende Lösung besteht darin, dass sich Landwirte und Banken zusammenfinden und gemeinsam Wege suchen, um finanzielle Engpässe zu überbrücken. An einer Insolvenz der Betriebe können auch die Banken kein Interesse haben, da eine Verwertung der Vermögensgegenstände oft schwierig und langwierig ist.


Die derzeit in den Medien geführte Diskussion zur angespannten Lage auf dem Milchmarkt geht über die Suche nach kurzfristigen Problemlösungen hinaus. Sie hat vielmehr grundsätzlichen Charakter, denn sie betrifft folgende Fragen: Wer ist für die wirtschaftlichen Folgen von Investitions- und Produktionsentscheidungen verantwortlich und wer haftet für Risiken in einer Marktwirtschaft? Bedarf der Strukturwandel in einem Sektor staatlicher Steuerung, um die Erreichung gesellschaftlicher Ziele sicherzustellen? Soll es ein Leitbild für die Landwirtschaft in Deutschland geben und wenn ja, welches und warum? Unabhängig davon, wie die Antworten auf diese Fragen ausfallen, sollte die Wahl der Mittel und Instrumente zur Zielerreichung rational erfolgen. Wenn die Gesellschaft kleine, unter derzeitigen Markbedingungen nicht wettbewerbsfähige Landwirte fördern will, die in schwierigen Regionen wirtschaften, z.B. Mittelgebirge, Almlandwirtschaft oder reine Grünlandgebiete an der Küste, dann sollte das nicht indirekt durch Eingriffe in den Milchmarkt, sondern durch direkte Zulagen erfolgen. Aus guten Gründen hat die Europäische Union in den letzten 20 Jahren ihre Agrarsubventionen, die rund ein Drittel des Einkommens eines Landwirts ausmachen, von Preisstützungen auf sog. Direktzahlungen und Zulagen für spezielle Umwelt- und Klimaschutzleistungen umgestellt. Gleichermaßen gilt dieses Prinzip für Haltungsformen, die nicht unter allen Bedingungen rentabel sind, wie die Sommerweidehaltung von Milchkühen. So könnte die Weidehaltung einerseits als Umweltleistung staatlich deutlich höher honoriert werden und andererseits durch spezielle Programme von Molkereien und LEH über Preisaufschläge insgesamt besser entlohnt werden.


Fazit: Viele Verbraucher haben eine hohe Sympathie für die Landwirtschaft und Verständnis für ihre wirtschaftlich schwierige Situation. Die öffentliche Resonanz auf die Demonstrationen der Milchbauern verdeutlicht dies. Eine Aushebelung des Marktes ist aber das falsche Instrument, um Landwirten zu helfen, und Konsumenten sollten bei der Kaufentscheidung für kostengünstige Lebensmittel auch kein schlechtes Gewissen bekommen. Stattdessen sollten die wertvollen Leistungen, die die Landwirtschaft zum Erhalt der Umwelt und der Kulturlandschaft in Deutschland erbringt, direkt honoriert werden.


Autoren:

I. Georg-August-Universität Göttingen

Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung

Platz der Göttinger Sieben 5

37073 Göttingen

  • Prof. Dr. Bernhard Brümmer
  • Prof. Dr. Stephan von Cramon-Taubadel
  • Prof. Dr. Oliver Mußhoff
  • Prof. Dr. Matin Qaim
  • Prof. Dr. Achim Spiller
  • Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
II.Humboldt-Universität zu Berlin

Department für Agrarökonomie

Philippstr. 13

10115 Berlin

  • Prof. Dr. Martin Odening
III.Universität Rostock

Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät

Justus-von-Liebig-Weg 2

18059 Rostock

  • Prof. Dr. Silke Hüttel

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