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Schlagabtausch zur Lieferbeziehung

Die Lieferbeziehung zwischen Milcherzeuger und (Genossenschafts-)Molkerei wird sich ändern. Das bringt aber nicht zwangsläufig höhere Milchpreise. Dazu müssen die Molkereien insbesondere ihre Wertschöpfung und Vermarktung verbessern, lautet das Fazit der Milchwirtschaftlichen Kundgebung 2017 in Rendsburg.

Lesezeit: 6 Minuten

Die Lieferbeziehung zwischen Milcherzeuger und (Genossenschafts-)Molkerei wird sich in den nächsten Jahren ändern. Das bringt aber nicht zwangsläufig höhere Milchpreise. Dazu müssen die Molkereien insbesondere ihre Wertschöpfung und Vermarktung verbessern. Dieses Fazit lässt sich von der Milchwirtschaftlichen Kundgebung 2017 ziehen, zu der die Milcherzeugervereinigung Schleswig-Holstein am Mittwoch nach Rendsburg geladen hatte.

 

„Werden nicht alle deutschen Milcherzeuger durchziehen“

Peter Guhl, Milcherzeuger und Vorsitzender der MEG Milch Board, forderte die komplette Abschaffung von Andienungspflicht und Abnahmegarantie bei Genossenschaften. Stattdessen plädierte er für schuldrechtliche Kaufverträge, in denen Landwirt und Molkerei eine Milchmenge sowie einen Milchpreis im Voraus fixieren. Idealerweise sind die Milcherzeuger in einer starken Milcherzeugergemeinschaft gebündelt. „So schaffen wir es, marktkonform zu produzieren“, sagte Guhl. Seiner Auffassung nach haben die deutschen Milcherzeuger durch die Mengensteigerungen im letzten Jahr am Markt vorbei produziert. Die Molkereien hätten die Produkte zu Billigpreisen im Export verramschen müssen. Deshalb seien die deutschen Milchpreise stärker als in anderen EU-Ländern abgestürzt. Für die vertragsgebundene Milchproduktion räumte er aber ein: „Wir stehen nicht dafür, dass wir alle deutschen Milcherzeuger durchziehen. Die Tüchtigen sollen mehr haben als die Dummen und Faulen.“

 

„Aus zwei Blinden wird kein Sehender“

Karsten Schmal, Milcherzeuger und Milch-Präsident des Deutschen Bauernverbandes, setzte sich für marktgerechte und moderne Lieferbeziehungen für die Milch ein. Drei Punkte liegen ihm besonders am Herzen: Milchpreise langfristig absichern, Mengen genau planen sowie steuern und Preissignale früh weitergeben (vgl. aktuelle top agrar-Ausgabe 9/2017, Seite R 6). „Wir müssen jetzt diskutieren, was wir ändern wollen – nicht erst, wenn der Markt wieder dreht. Und wir Milcherzeuger sind gefordert, uns einzubringen“, sagte Schmal. Er plädierte dafür, dass Genossenschaftsmitglieder das Genossenschaftswesen mehr leben sollten. Eine Änderung der Lieferbeziehung führt seiner Meinung nach nicht automatisch zu höheren Milchpreisen. Aber sie biete mehr Kalkulierbarkeit. Für seinen Betrieb würde er bei einem Milchpreis von 36,5 ct/kg die Hälfte der Milchmenge absichern. Und auch die Mengenplanung biete Sicherheit. „Wenn die Molkerei verlässlicher weiß, wie viel Milch kommt, kann sie besser planen – und möglicherweise besser zahlen. Deshalb sollten Milcherzeuger, bevor sie ihren Stall spiegeln, zuerst mit ihrer Molkerei reden“, sagte Schmal. Entscheidend für höhere Milchpreise sei aber vor allem eine höhere Wertschöpfung. So komme die niederländische FrieslandCampina auf 1,39 € pro kg Milch, deutsche Genossenschaften nur auf 0,77 €/kg Milch. „Was Theo Müller in Deutschland hinbekommt, müssen doch die Genossenschaften auch schaffen“, so der Milch-Präsident. Auch Fusionen könnten helfen, die Leistungsfähigkeit von Molkereien zu stärken. Allerdings schränkte Schmal ein: „Aus zwei Blinden wird noch lange kein Sehender!“

 

„Bestimmungen von außen lehnen wir ab“

Dr. Thomas Memmert vom Deutschen Raiffeisenverband stellte zunächst klar, dass die Mitglieder in Genossenschaften über die Satzungen und Milchlieferordnungen entscheiden würden. Und, dass Änderungen eine Frage der Mehrheiten seien. „Was wir aber ablehnen, sind Bestimmungen, die von außen an uns herangetreten werden“, sagt Dr. Memmert. Damit spielte er auf die Untersuchung des Bundeskartellamtes an. Grundsätzlich zeigte sich Dr. Memmert aber offen für Änderungen in den Lieferbeziehungen – sofern die Mehrheit es wünscht, es sinnvoll ist und gesetzes- sowie kartellrechtskonform ist. „Die Genossenschaften diskutieren das Thema intensiv. Aber sie wollen an den Grundelementen, also Andienung- und Abnahmepflicht, festhalten. Änderungen sind dagegen möglich bei z.B. der Kündigungsfrist oder der Milchpreis-Differenzierung“, so Dr. Memmert. Den Einfluss der Lieferbeziehung auf den Milchpreis hält er für überschätzt. Dafür gebe es wichtigere Baustellen. Und hier zeigte er sich selbstkritisch: „Einige Genossenschaften haben Probleme in der Verwertungstiefe. Zudem muss der Strukturprozess weitergehen.“ Beispielsweise würden die französischen Molkereien hochwertigeren Käse produzieren und die Bündelung in den Niederlanden oder Skandinavien sei größer.

 

„Niedriger Milchpreis für abgelegene Betriebe“

Dr. Felix Engelsing vom Bundeskartellamt erläuterte, dass seine Behörde mit der Untersuchung der Milchlieferbeziehung sowie dem Sachstandsbericht für mehr Wettbewerb sorgen will. Sie hätten inzwischen fast 40 Stellungnahmen bekommen. Schuldrechtliche Milchkaufverträge, wie von Peter Guhl gefordert, sieht er als eine Option an. Dieser Wunsch komme vor allem von großen Milchviehbetrieben aus Ostdeutschland. Den Vorwurf aus dem Publikum, dass somit insbesondere Großbetriebe gestärkt würden und kleinere Milcherzeuger in abgelegenen Regionen auf der Strecke bleiben, konnte er nicht ausräumen. Er stimmte zu, dass Betriebe mit beispielsweiser schlechter Logistik-Anbindung demnach einen schlechteren Milchpreis bekommen würden. Ein ausdrückliches Lob erteilte Dr. Engelsing dem Deutschen Milchkontor dafür, dass die Molkerei die Kündigungsfrist auf ein Jahr verkürzt habe. Das sei ein Schritt in die richtige Richtung. Er geht davon aus, dass weitere Molkereien nachziehen und sich die Kündigungsfristen somit reduzieren. Absprachen zwischen Erzeugern, Molkereien und Handel wie in Frankreich, hält er in Deutschland für kartellrechtswidrig. Auch bei weiteren Molkereifusionen müsste das Kartellamt je nach Region genau hinsehen. Dem Publikum versicherte Dr. Engelsing aber, auch die Nachfragemacht des Lebensmittelhandels genau zu prüfen.

 

„Wollen nicht alles auf den Kopf stellen“

Joachim Burgemeister vom Genossenschaftsverband betonte, dass die Meiereien in Schleswig-Holstein bereits jetzt verschiedene Lieferverträge hätten: Die einen würden ausschließlich Mitgliedermilch verarbeiten, die anderen würden auch Milch zukaufen, wiederum andere Unternehmen hätten bereits Kriseninstrumente in der Schublade liegen. Dass schuldrechtliche Kaufverträge das Milchpreis-Niveau im Durchschnitt erhöhen, glaubt er nicht. „Nur für einzelne, größere Betriebe, weil sie durch die größere Milchmenge eine bessere Verhandlungsposition haben. In Genossenschaften sind aber alle gleich“, sagte Burgemeister. Zudem erinnerte er daran, dass bei der vertragsgebundenen Milchproduktion auch die Molkerei den Liefervertrag beenden könnte. Er sieht kein grundsätzliches Verlangen der Genossenschaften, alles auf den Kopf zu stellen. Zu dem Vorwurf von Peter Guhl, die Molkereien hätten die Produkte im Export verramscht, sage er: „Die Märkte und Kühlregale in Deutschland und Europa sind voll. Hier geht es nur über den Preis. Deshalb brauchen wir den Export – weil die Niederlande und Skandinavien hier aber schon viel länger unterwegs sind, sind sie besser aufgestellt.“

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