Der Deutsche Raiffeisen-Verband (DRV) und der Milchindustrie-Verband (MIV) tun sich schwer, etwas zu ändern. Die Politik kann die Milchwirtschaft nicht regulieren und sollte es auch nicht. Und die Molkereien haben die Krise viel besser überstanden als die Milchbauern – sie haben einfach die Preise gesenkt. Deshalb müssen wir die Krisen-Prävention selbst angehen, machte Wilhelm Brüggemeier, Vizepräsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), auf dem Milchforum auf den Agrar-Unternehmertagen in Münster deutlich. Er päsentierte dazu ein Positionspapier.
Hier die "Denkanstöße des WLV zur Vermeidung von existenzbedrohenden Preiskrisen in der Milchwirtschaft" im Wortlaut:
Die Schwankungen am Milchmarkt werden auch zukünftig die Erlöse für Milch prägen. Das daraus resultierende Marktrisiko kann und darf jedoch nicht allein von den Milchbauern getragen werden! Vielmehr ist hier die gesamte Wertschöpfungskette gefordert. Deshalb müssen Änderungen in den Geschäftsbeziehungen zwischen Milcherzeugern und Molkereien bis hin zum LEH diskutiert und umgesetzt werden. Ziel ist zwischen den Marktbeteiligten Augenhöhe zu erreichen.
Verbesserte Kommunikation zwischen Molkerei, Milcherzeugergemeinschaft und
Milcherzeuger
Molkereien und Milcherzeuger müssen zukünftig nachfrageorientierter arbeiten und noch stärker eine gemeinsame Mengenplanung und Mengenabstimmung vornehmen (keine staatliche Mengensteuerung!!!!). Eine bessere Balance zwischen den Absatzchancen von Milchprodukten einerseits und dem Rohmilchangebot andererseits ist im Interesse beider Seiten. Dies setzt ein verstärktes gemeinsames Agieren von Molkerei und Milcherzeuger voraus. Bei abnehmender Nachfrage muss das Signal von möglichen Marktkrisen stärker und früher bei den Milcherzeugern ankommen.
Anpassungen der Lieferbeziehungen zwischen Molkerei und Milcherzeuger notwendig! Das genossenschaftliche Kernmodell mit Abnahmegarantie und Andienungspflicht muss bestehen bleiben.
Der WLV fordert aber modernere und marktgerechtere Lieferbeziehungen/Vertragsgestaltungen zwischen Molkereien und Landwirten in Bezug auf Kündigungszeiten/Vertragslaufzeiten, Anlieferungsmenge und Preisgestaltung. Hierzu gehören angemessene Kündigungsfristen in den Milchlieferverordnungen von maximal einem Jahr. ln diesem Zusammenhang ist eine Entkopplung von Kapitalbildung (Genossenschaftsanteile) und Milchanlieferung bei genossenschaftlichen Molkereien überlegenswert. Angesichts der europäischen Bilanzierungsregeln sind Bindungsfristen bei den Genossenschaftsanteilen von 5 Jahren denkbar. Somit bleiben diese Gelder sicheres Eigenkapital der Genossenschaft.
Es darf keine politisch definierten Einheitslösungen geben. Anpassungen bei den Lieferbeziehungen ist allein Aufgabe der Mitglieder einer Genossenschaft.
Preisgestaltung für Rohmilch
Das genossenschaftliche "Rückvergütungsmodell" muss modernisiert werden. Zukünftig muss stärker auf eine gestaffelte Weitergabe der molkerei-internen Verwertungsmöglichkeiten und des dazugehörigen Preisrisikos gesetzt werden.
Möglichkeiten einer Festpreisfestlegung über einen längeren Zeitraum oder Termingeschäfte sind weitere Möglichkeiten, Preisschwankungen abzumildern. Hier sind insbesondere die Molkereien in der Pflicht, entsprechende Möglichkeiten und Angebote zu entwickeln.
Interessensgemeinschaft Milch voranbringen und nutzen
Im Fokus der Interessensgemeinschaft Milch (Zusammenschluss von 6 großen Genossenschaftsmolkereien) muss eine verstärkte Abstimmung über die verschiedenen Nachhaltigkeitsprogramme der Molkereiunternehmen stehen. Ein Wettbewerb in diesem Bereich geht zu Lasten der Milcherzeuger.
Die Plattform bietet die Möglichkeit für intensive Gespräche über Anpassungen der Lieferbeziehungen sowie der Einführung von Absicherungsmodellen an Warenterminbörsen und back-to-back Kontrakte zur Absicherung im KrisenfalL Die Mobilisierung von EU-Mitteln zur Absatzförderung muss hier ebenfalls angepackt werden.
Das Wettrennen um höhere Auflagen und Standards muss beendet werden
Ständig neue Auflagen und höhere Standards erhöhen die Kosten für die Milcherzeuger, ohne dass diese Kosten an der Ladentheke wieder eingespielt werden.
Kostentreibende Auflagen wie Düngerecht, TA-Luft, Baurecht etc. gehen zu Lasten der Erzeuger und heizen den Strukturwandel an. Deshalb ist die Politik gefordert, Augenmaß zu wahren. Der LEH muss seinen Wettlauf um immer höhere Standards bei der Milcherzeugung ohne Preisausgleich beenden! Molkereien müssen dem LEH hier Paroli bieten!
Diese Denkanstöße sollen auf der nächsten WLV-Milchausschusssitzung Ende Februar in die weitere Diskussion gehen und werden anschließend in den WLV- Vorstand eingebracht.