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Ferkelkastration: Wut, Ohnmacht, Kampfeslust

Heftig fallen die Reaktionen auf das Nein der Bundesländer zur Fristverlängerung für die betäubungslose Ferkelkastration aus. Das Wort Wut kommt oft vor. Aber auch die Befürworter des Verbotes sind kampfeslustig.

Lesezeit: 10 Minuten

Heftig fallen die Reaktionen auf das Nein der Bundesländer zur Fristverlängerung für die betäubungslose Ferkelkastration aus. Das Wort Wut kommt oft vor. Aber auch die Befürworter des Verbotes sind kampfeslustig.


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Nachdem die Bundesländer am Freitag das Festhalten an der Frist für die Betäubungspflicht bei der Ferkelkastration ab 1. Januar 2019 bestätigt haben, hagelt es Reaktionen darauf. Das Verbot für die betäubungslose Ferkelkastration ab 2019 war mit der Reform des Tierschutzgesetzes im Jahr 2013 beschlossen worden. Mehrere Bundesländer hatten jedoch versucht, eine Fristverlängerung zu erreichen, da die bisherigen Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration in der Praxis kaum Anwendung finden. Dem gab die Mehrheit der Länder eine Abfuhr. Nun steht der Ruf im Raum, dass Bundesregierung und Bundestag noch eine Fristverlängerung herbeiführen sollen. Hier die Reaktionen im Einzelnen:


Connemann und Stegemann (CDU): „Praktikable Lösungen brauchen mehr Zeit“


„Wir bedauern die Entscheidung der Mehrheit des Bundesrates. Durch die Verweigerungshaltung einiger weniger Länder wurde eine angemessene Übergangslösung verhindert. Damit haben sich diese Länder ihrer Verantwortung entzogen. Gerade die kleineren Betriebe brauchen eine Verschiebung des Zeitpunktes, ab dem die betäubungslose Ferkelkastration verboten ist. Nur so können Ergebnisse derzeit laufender Studien für die Praxis berücksichtigt werden. Und es braucht die Zeit, um geeignete Tierarzneimittel zuzulassen. Ein Inkrafttreten des Verbots zum 1. Januar 2019 ohne praktikable und marktgängige Alternativen würde zu einem Einbrechen der Sauenhaltung in Deutschland führen. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, dies zu verhindern“, teilen die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Gitta Connemann, und der agrarpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann mit.


Gerig (CDU): „SPD muss sich bewegen“


„Nach dem Scheitern der Bundesratsinitiative sieht Alois Gerig, Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft des Bundestages nun den Bundestag am Zug, um Schaden von der Schweinehaltung in Deutschland abzuwenden. Denn besonders kleine Betriebe könnten in der Kürze der Zeit nicht auf alternative Methoden zur Ferkelkastration umstellen und würden aufgeben. „Die Koalitionsfraktionen sind gefordert, sich unverzüglich auf einen Gesetzesentwurf zu verständigen und das Verbot der betäubungslosen Kastration zu verschieben“, mahnt Alois Gerig. Insbesondere die SPD müsse sich bewegen: „Die Sozialdemokraten müssen sich fragen lassen, ob sie mehr Tiertransporte, damit weniger Tierwohl und eine Beschleunigung des Strukturwandels tatsächlich wollen“, sagte er.


Ostendorff (Grüne): „Lackmustest für Ministerin Klöckner“


„Ich habe absolut kein Verständnis für das Agieren von Bundesministerin Klöckner. Es ist ein Zeichen eigener Hilflosigkeit, dass sie heute im Bundesrat ihren Staatssekretär für die Fristverlängerung werben ließ. Ministerin Klöckner will, dass die Länder die Verantwortung zur Fristverlängerung übernehmen und damit ihr Image der freundlich lächelnden Social Media-Ministerin nicht von schrecklichen Kastrationsbildern ramponiert wird. Seit fünf Jahren ist klar, dass ab 2019 nicht mehr ohne Betäubung kastriert werden darf. Und das ist auch gut so! Es wurde in den letzten Jahren schlicht verschlafen, eine Umstellung verantwortungsbewusst zu begleiten. Die Sauenhalterinnen und –halter sind ratlos und wütend, und das völlig zu Recht. Dieses Politikversagen ist unverzeihlich und peinlich. Ich fordere die Ministerin auf, in den verbleibenden 102 Tagen alle Ressourcen zu bündeln und Lösungsstrategien zu entwickeln. Das wird der Lackmustest für Ministerin Klöckner, ob sie den Herausforderungen, die das Amt des Landwirtschaftsministeriums mit sich bringt und über das Drehen von Werbefilmen hinausgeht, gewachsen ist“, sagte Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis‘90/ Die Grünen.


Konrad (FDP): „Deutsches Schweinefleisch gehört bald der Vergangenheit an“


"Wenn man ernsthaft an Lösungen interessiert ist, muss man zu Kompromissen bereit sein. Unsere Nachbarländer Dänemark und die Niederlande haben das längst verstanden und den gesellschaftlichen Wunsch nach mehr Tierwohl mit praktikablen Lösungen in Einklang gebracht. In Deutschland hingegen sind seit der Verabschiedung des Gesetzestextes vor fünf Jahren keine politischen Schritte unternommen worden. Weder wurde die Zulassung der benötigten Medikamente beantragt, noch hat man um Akzeptanz für den vierten Weg geworben. Nun stehen die Ferkelerzeuger in Deutschland vor der Situation, dass sie ab dem 1. Januar 2019 nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera haben: gesetzeswidrig handeln, indem sie weiter ohne Betäubung kastrieren; nicht mehr kastrieren, was bedeutet, dass sie ihr Fleisch nicht mehr loswerden; oder den Betrieb aufgeben, wozu sehr viele verständlicherweise tendieren. Schweinefleisch, das in Deutschland erzeugt wurde, gehört dann bald der Vergangenheit an. Keine der vorliegenden Möglichkeiten überzeugt 100-prozentig, doch für eine muss sich das BMEL jetzt entscheiden. Eine Blockadehaltung nutzt niemandem, sondern gefährdet Existenzen. Wenn man wirklich mehr Tierwohl in Deutschland will, ist jetzt eine schnelle, mutige Entscheidung der Ministerin gefragt und das Vertrauen in Forschung und Innovation, die in Zukunft noch weitere Verbesserungen für mehr Tierwohl ermöglichen werden", sagte FDP Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des Agrarausschusses, Carina Konrad.


Backhaus (SPD): „Ich gebe mich nicht geschlagen“


„Ich bin fassungslos über den Ausgang der Abstimmung. Wir haben wirklich bis zum Schluss für eine Verlängerung der Übergangsfrist gekämpft“, zeigte sich Dr. Till Backhaus, Minister für Landwirtschaft und Umwelt, von Mecklenburg-Vorpommern enttäuscht. Die Gegner des Antrags hätten völlig verkannt, dass es hier nicht um ein „Aufschieben“ gehe, sondern um einen geordneten Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration. „Es darf doch nicht sein, dass die Schweinehalter die Einzigen sind, die in diesem Kreislauf nicht wirtschaftlich arbeiten können“, so der Minister und verwies dabei erneut auf die Verantwortung des Lebensmitteleinzelhandels. „In dieser ohnehin schon schwierigen Situation sind für die Branche die mit dem Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration verbundenen Mehrkosten nicht tragbar“, bekräftigte der Minister. Zudem seien die diskutierten Alternativen auch nicht hinreichend praxistauglich, so der Minister und verwies auf die schwierigen Absatzwege für nicht kastrierte Eber oder das Misstrauen der Verbraucher gegenüber der Impfung gegen Ebergeruch. „Wir müssen daher weiter nach gangbaren Lösungen suchen. Ich gebe mich nicht geschlagen und werde mich auf der kommenden Agrarministerkonferenz in der nächsten Woche weiter für einen gangbaren Kompromiss stark machen“, so Backhaus. Der Minister verwies zugleich auf einen Entschließungsantrag von Mecklenburg-Vorpommern, der nun in den Ausschüssen des Bundesrates beraten wird. Darin fordert er die Bundesregierung einerseits auf, alle relevanten Akteure zusammenzuführen und gemeinsam schnelle und realisierbare Lösungen zu suchen. Andererseits bittet er darin die Bundesregierung, auch die Frage der Herkunftskennzeichnung in der Entwicklung des Tierwohllabels zu berücksichtigen.


Rukwied (DBV): „Die Blockadehaltung ist nicht nachvollziehbar“


Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, kritisiert die Entscheidung des Bundesrates, mit der eine Fristverlängerung für den Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration abgelehnt wurde scharf: „Die Blockadehaltung der Bundesländer ist nicht nachvollziehbar und ein fatales Signal für die Ferkelerzeuger. Damit ist zu befürchten, dass viele Betriebe in Deutschland aufgeben müssen. Jetzt ist der Bundestag gefordert, schnellstmöglich eine Lösung zu suchen, damit die deutschen Ferkelerzeuger eine Zukunft haben und im europäischen Wettbewerb mithalten können.“ In Dänemark, einem bedeutenden Wettbewerber in der Ferkelzucht, ist die Lokalanästhesie zugelassen. Bereits jetzt werden über 11 Millionen Ferkel pro Jahr aus Dänemark und den Niederlanden importiert. Der Deutsche Bauernverband befürchtet, dass sich dieser Trend verstärkt.


Röring (WLV): „Wir geben den Kampf nicht auf“


„Diese Entscheidung ist ein Tiefschlag für unsere Bauern“, erklärt der Präsident des Westfälisch-Lippischen Bauernverbandes, Johannes Röring. „Sie macht uns fassungslos und wütend. Unsere Bauern verstehen nicht, warum die örtliche Betäubung, die in anderen Ländern der EU erlaubt ist und erfolgreich eingesetzt wird, in Deutschland keine Chance bekommt.“ Der Bundesrat hat sich gegen den tierschutzgerechten und praktikablen Weg der örtlichen Betäubung bei der Ferkelkastration entschieden. Ohne diesen Weg hat die Sauenhaltung in Deutschland derzeit keine Perspektive. Die Entscheidung des Bundesrats kann das Aus für viele Sauenhalter bedeuten. Gleichzeitig werden immer mehr Ferkel aus Dänemark und Holland eingeführt. Der WLV fordert die Bundestagsabgeordneten auf, jetzt sehr schnell einen Gesetzesantrag zur Fristverlängerung im Bundestag auf den Weg zu bringen, der noch rechtzeitig vor dem 1. Januar 2019 beschlossen werden kann. Gleichzeitig ist Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner gefordert, alles Notwendige zu tun, um einen Strukturbruch in der deutschen Ferkelerzeugung zu verhindern“.


ISN: „BMEL und Bundestag müssen Notstand lösen“


"Ich bin fassungslos, wie unverantwortlich eine ganze Reihe von Bundesländern sich im Bundesrat verhalten hat und auf die Existenz vieler Familienbetriebe mit Ferkelerzeugung pfeift. Es scheint Ihnen egal zu sein, woher die Ferkel demnächst nach Deutschland kommen" fasst der ISN-Vorsitzende Heinrich Dierkes seine Wut zusammen. "Jetzt muss das Bundeslandwirtschaftsministerium reagieren und die Notlage gemeinsam mit dem Bundestag lösen. Dort hat man es verbockt, dass wir mit der Zulassung von Alternativen und dem Abbau der damit verbundenen bürokratischen Hürden nicht schon viel weiter sind. Dafür gibt es genügend Belege. Jetzt liegt es in deren Verantwortung den Knoten durchzuschlagen", führt Dierkes weiter aus.


DRV: „Votum stellt Fleischwirtschaft vor Herausforderungen“


Mit großer Sorge hat der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) die heutige Entscheidung des Bundesrats zum Umgang mit der betäubungslosen Ferkelkastration aufgenommen. „Dass die Bundesländer keine Mehrheit für eine Fristverlängerung gefunden haben, stellt unsere Mitgliedsunternehmen und die gesamte Fleischwirtschaft in Deutschland vor enorme Herausforderungen“, sagte DRV-Präsident Franz-Josef Holzenkamp. Der Verband setzt sich seit Beginn der Diskussion um den Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration für die Lokalanästhesie als ergänzende Methode ein. „Wir bleiben dabei: Der Vierte Weg muss als eine von mehreren Alternativen möglich sein. Zudem darf das Schmerzmittel Procain nicht als unwirksam abgetan werden. Eine Anwendung durch den Tierarzt ab dem 1. Januar zum Zweck der Ferkelkastration stelle ich aufgrund der gültigen Zulassung des Präparats nicht in Frage“, so Holzenkamp weiter. Nach diesem Votum des Bundesrats setzt der Verband seine Hoffnung auf die Bundesregierung. Holzenkamp: „Wir hoffen sehr, dass sie die Dringlichkeit einer solchen Entscheidung erkennt – damit der deutsche Verbraucher auch in Zukunft heimisches Schweinefleisch essen kann.“


Tierschutzbund: „Aeikens Zusage zur Verlängerung ist eine Kampfansage“


„Alle Anträge, die die Ferkelqual verlängern wollten, haben heute keine Mehrheit erhalten. Das ist eine gute Nachricht. Jetzt aber geht der Kampf weiter, denn der Deutsche Bundestag ist als Gesetzgeber gefordert. Die Fraktionen im Bundestag haben das Gesetz vor fünf Jahren ordnungsgemäß beschlossen, das muss weiterhin gelten. Schmerzausschaltung ist nach Gesetz damit weiterhin Pflicht, alles andere wäre ein Verrat am Tierschutz und ein Verrat am Staatsziel Tierschutz. Die heutige Ankündigung des Staatssekretärs Dr. Hermann Onko Aeikens, im Namen der Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner, sich für eine Verlängerung einsetzen zu wollen, ist eine Kampfansage. Der müssen die Fraktionen im Bundestag widerstehen. Wir fordern die Bundesministerin Klöckner auf, die Aussagen ihres Staatssekretärs nicht gelten zu lassen. Das Gesetz gilt dagegen und das muss der Bundestag bekräftigen. Zudem hat der Staatsekretär als Begründung für eine Fristverlängerung nur ökonomische Interessen vorgetragen, das kann sich der Deutsche Bundestag nicht gefallen lassen und das darf auch nicht mit Blick auf das Staatsziel Tierschutz die Linie der Fraktionen im Bundestag sein. Kein Tier darf ohne vernünftigen Grund leiden und wirtschaftliche Interessen sind keinesfalls als ein solcher Grund zu akzeptieren. Es waren jetzt Jahre genug der Vorbereitung; es ist nicht mehr die Zeit der Verweigerung - das muss auch der Deutsche Bauernverband verstehen. Die vielen umstellungsbereiten Schweinehalter brauchen jetzt jede Unterstützung, um das Gesetz zu erfüllen. Alles weitere Taktieren schafft nur noch mehr Planungsunsicherheit“, kommentierte Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

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