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„Jetzt können die Kunden kommen!“

Josef Gelb und seine Familie haben einen tierfreundlichen Maststall mit befestigten Liegeflächen, Stroheinstreu und Auslauf gebaut. Was noch fehlt, sind Abnehmer, die den Mehraufwand bezahlen. Es berichtet Marcus Arden für die top agrar-Ausgabe 9/2017

Lesezeit: 10 Minuten

Josef Gelb und seine Familie haben einen tierfreundlichen Maststall mit befestigten Liegeflächen, Stroheinstreu und Auslauf gebaut. Was noch fehlt, sind Abnehmer, die den Mehraufwand bezahlen. Es berichtet Marcus Arden für die top agrar-Ausgabe 9/2017:

 

Die ständigen Anfeindungen von Tierschützern lassen keinen Schweinehalter mehr kalt. Auch Landwirt Josef Gelb macht die Hetzjagd in den Medien zu schaffen. „Wenn im Fernsehen eine Sendung zum Thema Tierhaltung angekündigt wird, habe ich schon keine Lust mehr einzuschalten. Denn zu 99 % werden nur Bilder von verletzten und verschmutzten Tieren gezeigt. Hauptsache, es sieht skandalös aus. Das jüngste Beispiel von NRW-Landwirtschaftsministerin Christina  Schulze  Föcking bestätigt mich in meiner Einschätzung“, ärgert sich der 55-jährige bayerische Landwirt über die einseitige Berichterstattung.

 

Verbraucher will andere Ställe

 

Josef Gelb ist allerdings davon überzeugt, dass die Bilder die Realität in den allermeisten Fällen nicht widerspiegeln. Und trotzdem bereitet ihm die Entwicklung Kopfzerbrechen. „Wir Landwirte müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Verbraucher anscheinend eine andere Art der Tierhaltung wünscht. Sonst würde man uns solche Bilder im Fernsehen und Internet nicht ständig vorhalten“, erklärt der Unternehmer, der in Steinach, südlich von Augsburg, einen Betrieb mit 300 Sauen im geschlossenen System führt. Zum Betrieb gehören außerdem 135 ha Ackerland und eine Biogasanlage mit einer Leistung von 385 kW.


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Zwischen Bio und konventionell


Als Landwirt Gelb und sein Sohn Josef (31) den Entschluss fassten, die eigenen Ferkel zu mästen, überlegten sie lange, wie der neue Maststall aussehen soll. Fest stand für beide von Anfang an, dass es kein konventioneller Stall werden sollte. Familie Gelb wollte aber auch keinen klassischen Biostall mit Tiefstreu bauen. Öko ist und bleibt eine Nische, ist der Landwirt überzeugt. „Unser Ziel war eine Zwischenlösung mit mehr Platz pro Schwein, Auslaufmöglichkeit und automatischer Strohvorlage. Auch sollte uns die Arbeit nicht über den Kopf wachsen, wir wollten im Stall so viel wie möglich automatisieren. Denn das Fleisch soll für jedermann bezahlbar bleiben“, erinnert sich der agile Unternehmer noch genau an die ersten Überlegungen.

 

Im Frühjahr 2016 startete dann der Stallbau. Familie Gelb entschied sich für das NatureLine-Konzept der Firma Schauer (siehe Übersichten 1 und 2 auf Seite S 5). Hier liegen die Mastschweine in einem wärmegedämmten Innenbereich auf Festflächen, die der Landwirt mithilfe von Wasserrohren in der Bodenplatte wahlweise aufheizen oder kühlen kann. Eine unter der Decke befestigte Rohrkette fördert etwa 100 g gehäckseltes Stroh pro Tier und Tag auf die Festflächen. Mehr Technik ist im Innenraum des Stalles nicht verbaut, lediglich die Futterleitungen laufen hier noch entlang.

 

An den inneren Liegebereich schließt sich der Auslaufbereich an, der komplett überdacht ist. „Das Dach schützt die Schweine sehr gut vor zu starker Sonneneinstrahlung“, erklärt Josef Gelb. Durch Pendeltüren betreten die Schweine die Funktionsbereiche.

 

Etwa 20 % des Auslaufs ist mit Dreikantrosten aus Stahl ausgelegt, der Rest ist betonierte Festfläche mit ca. 2 % Gefälle. Hier stehen auch die Längströge der Sensor-Flüssigfütterung. Unter den Rosten läuft ein Spaltenschieber auf und ab. Dieser schiebt Strohreste und anderes festes Material alle zwei Stunden in eine Vorgrube am Ende des Maststalles. Von dort wird die Gülle dann automatisch in den Güllebehälter gepumpt.

 

Der Kanalboden weist ein Gefälle zur Mitte hin auf. Dadurch laufen Flüssigkeiten sofort in eine Rinne ab, was die NH3-Emissionen möglichst gering halten soll.

 

An den beiden Längsseiten sowie mittig im Stall verlaufen drei Kontrollgänge. Über die äußeren Gänge stallt Josef Gelb die Schweine ein und aus. Den innen liegenden Gang nutzt er ausschließlich zur Tierkontrolle. Windschutznetze an den Außenseiten halten Vögel und Schadnager draußen.

 

Der gesamte Stall kommt ohne Zwangslüftung aus. Der Luftaustausch im Außenbereich erfolgt auf natürliche Weise durch die Windschutznetze. Im Innenbereich arbeitet eine Schwerkraftlüftung, die Abluft strömt durch drei Abluftkamine nach draußen. „Energiekosten habe ich quasi keine“, nennt Josef Gelb einen großen Vorteil.




 

Richtige Entscheidung



Inzwischen ist das „Schweinehotel Gelb“, so haben die örtlichen Medien den Stall mittlerweile getauft, gut ein Jahr in Betrieb. „Bereut haben wir unseren Entschluss nicht. Denn der Stall funktioniert bis auf ein paar Kleinigkeiten prima“, freut sich Josef Gelb junior.


Sauberer als zunächst gedacht halten die Schweine die Festflächen im Innern des Stalles. Nur selten muss Familie Gelb hier Kot und Urin entfernen. „Das funktioniert deshalb so gut, weil die Buchten mit den Tieren mitwachsen“, schildert Senior Gelb die Situation. Sobald der Platz in der Bucht zu eng wird, verschiebt er  die hintere Buchtentrennwand Richtung Kontrollgang. Dazu muss er nur zwei Bolzen lösen.

 

Bei Wärme Probleme

 

Kritisch sind allerdings die Tage, an denen es sowohl tagsüber als auch nachts sehr warm ist. Dann verkoten die Schweine auch mal die innen liegenden Buchten. „Die Tiere liegen in lauen Sommernächten gerne im Außenbereich und nutzen dann den Innenbereich als Toilette. Dann muss ich schnell sein, die Buchtenfläche sofort verkleinern und Kot möglichst schnell entfernen. Festflächen sind halt immer gefährlich“, berichtet Josef Gelb.

 

Wesentlich problematischer ist die Sauberkeit der Festflächen im Außenbereich. Diese sind öfter verschmutzt. Woran das liegt, kann Josef Gelb nicht genau sagen. Das Problem ist jedenfalls bis heute nicht gelöst. Selbst eine Wasserdusche über den Dreikantrosten hält die Schweine nicht davon ab, ihr Geschäft auf den Festflächen zu verrichten. „Wir müssen weiter nach der Ursache suchen. Vielleicht liegt es an der Flüssigfütterung. Auf jeden Fall würde ich im nächsten Stall mehr Gefälle einbauen“, berichtet Gelb.

 

Wenig Probleme bereitet dem Landwirt der Einsatz von Stroh. Das liegt unter anderem an dem hohen Mechanisierungsgrad. Alle zwei Tage wird ein 2,5 m langer Quaderballen per Frontlader in den Ballenauflöser gelegt. Das dauert ca. 15 Minuten. Von hier aus fördert der Rohrkettenförderer das gehäckselte Stroh zu den Buchten im Innenbereich. Dort wird es von den Tieren fast vollständig aufgefressen.

 

„Anfangs hatte ich Bauchschmerzen wegen des Strohs. Jetzt möchte ich nicht mehr darauf verzichten. Denn das Stroh fördert die Magen-Darm-Gesundheit und es verdrängt auch das Kraftfutter nicht. Die Tageszunahmen liegen bei rund 850 g, die Verluste bei 1 %. Zudem verbindet der Verbraucher Stroh mit mehr Tierwohl“, ist Landwirt Gelb sehr zufrieden mit seiner Entscheidung.

 

Wo bleiben die Kunden?

 

Josef Gelb und seine Familie sind mit ihrem Stallbaukonzept dem Wunsch der Verbraucher nach mehr Tierwohl ein großes Stück entgegengekommen. „Das positive Feedback beim Tag der offenen Tür und von Besuchergruppen bestätigen uns. Wir ernten viel Zustimmung“, berichtet Josef Gelb junior.

 

Doch leider ist es wie so oft: Der Verbraucher findet es toll, wenn die Tiere mehr Platz haben, auf Stroh knabbern und Außenluft schnuppern. Nur zahlen will dafür niemand. „Aktuell vermarkten wir wöchentlich nur 15 Schweine für 30 Cent Aufschlag pro kg an Metzger. Das sind nicht einmal 20 % der Jahresmenge. Alle anderen Tiere müssen wir derzeit wegen der ausbleibenden Nachfrage zum regulären Preis verkaufen“, ärgert sich Unternehmer Gelb.

 

Und selbst der Absatz der 15 Metzgerschweine lief nicht von selbst. Josef Gelb musste dafür ordentlich trommeln. Er hat z. B. einen Vortrag vor der bayerischen Metzgerinnung gehalten und die Tiere Metzgern und Hoteliers in der Umgebung angeboten. „Ohne Werbung läuft gar nichts. Von allein kommt niemand“, so Landwirt Gelb.

 

Dabei ist der Bonus, den Gelb fordert, nicht überzogen. Denn er bietet jedem Mastschwein 1,4 m2 Fläche an. Allein das kostet ihn im Vergleich zur gesetzlichen Vorgabe rund 10 € mehr pro Tier. Und auch die Strohvorlage kostet. Hinzu kommt der höhere Kontrollaufwand im Stall, weil die Tiere sowohl im Innen- als auch im Außenbereich kontrolliert werden müssen. „Die jährliche Arbeitszeit pro Mastplatz liegt bei 1,5 Stunden und damit um gut 0,7 Stunden höher als bei konventioneller Mast. Bei einem Stundensatz von 20 € sind das 14 € Mehrkosten pro Mastplatz bzw. 5 € je Mastschwein“, rechnet Josef Gelb vor.

 

Auch nicht vergessen werden darf bei der Kalkulation, dass der Stall an sich teurer ist als ein konventioneller Maststall. Unternehmer Gelb hat knapp 950 € brutto pro Mastplatz inklusive Planung, Erschließung, Strohlager und Güllelagerraum bezahlt. Das ist selbst unter Berücksichtigung der Zusatzkosten für die Erschließung usw. mehr als ein konventioneller Stall kostet. „Das größere Platzangebot erhöht die Baukosten enorm“, erklärt Josef Gelb den Hauptgrund.


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Preisaufschläge notwendig

 


Das Beispiel von Josef Gelb zeigt, dass Landwirte bereit sind, Geld in neue Haltungsformen zu investieren. Doch wie rechnet sich die Investition für die Veredler? Und welchen Preisaufschlag braucht man? Hinweise von Josef Weiß, LfL Bayern:

 

Die folgende Beispielrechnung zeigt das: Die Investitionskosten für einen Tierwohlstall mit 1 500 Mastplätzen, der vergleichbar mit dem des Betriebes Gelb ist, liegen bei rund 950 € brutto pro Platz, wie Übersicht 3 zeigt. Das sind gut 1,4 Mio. € inklusive Planung, Genehmigungsverfahren, Standorterschließung, Güllelager und Mehrwertsteuer.



Zuschüsse nutzen


Erhält man Gelder, zum Beispiel aus dem bayerischen Agrarinvestitions-Förder-Programm (AFP), sinkt der Finanzierungsbedarf um 100 000 €. Dazu müssen die Landwirte allerdings einige Auflagen erfüllen. Vorgeschrieben sind u. a. zusätzliche Tränken, 20 % mehr Platz, Stroheinstreu oder Komfortliegefläche und mindestens drei verschiedenartige manipulierbare Beschäftigungselemente.

 

Für den verbleibenden Finanzierungsbedarf von gut 1,3 Mio. € wurde mit zwei Annuitätendarlehen mit unterschiedlichen Laufzeiten entsprechend der Nutzungs- und Abschreibungsfristen der Bauteile kalkuliert. Für 78 % der Investitionssumme beträgt die Darlehenslaufzeit 20 Jahre, der Zinssatz 3 %. Der höhere Zinssatz wurde bewusst gewählt, um das Risiko eines Zinsanstieges nach Ablauf der üblichen Zinsbindung von zehn Jahren abzudecken. Für die kurzfristiger abzuschreibenden und zu finanzierenden Investitionen wurde mit dem aktuellen Zinssatz von 2 % gerechnet.

 

Für den Gebäudeunterhalt und die Versicherung sind 2 % der Investitionssumme in Ansatz gebracht worden. Als Zinsansatz für das Tier- und Umlaufvermögen wurden in beiden Fällen 100 € je Mastplatz und Jahr mit 2 % Zins unterstellt.

 

Die Kalkulation der Arbeitskosten beruht auf einem Arbeitszeitbedarf von 1,5 Stunden je Mastplatz und Jahr. Bei dieser Annahme wurde der höhere Aufwand für das Strohhandling sowie die weiteren Wege und der höhere Reinigungsaufwand infolge des größeren Platzangebotes für die Tiere berücksichtigt. Bei einem Lohnansatz von 20 € je Stunde errechnen sich damit Kosten von 30 € je Mastplatz und Jahr.

 

In der Summe betragen die Gebäude- und Kapitalkosten, inklusive Lohnanspruch, 119 € je Mastplatz und Jahr mit Förderung bzw. 124 € ohne Förderung. Bei 2,9 Umtrieben ist je gemästetem Schwein damit ein Deckungsbeitrag von mindestens 41 € beziehungsweise 43 € erforderlich, um noch  rentabel arbeiten zu können.




 

Mindestens 18 Cent mehr nötig

 

Der erforderliche Deckungsbeitrag liegt deutlich höher als die durchschnittlichen Ergebnisse der Mäster in den vergangenen Jahren. Demnach müssen die Mastschweine aus dem Tierwohl-Stall teurer verkauft werden.

 

Doch welcher finanzielle Aufschlag ist nötig? Wie Übersicht 4 zeigt, muss der Abnehmer 18 bzw. 20 Cent je kg Schlachtgewicht (SG) mehr zahlen, wenn 100 % der Schweine mit Zuschlag vermarktet werden. Werden nur 75 % der Schweine z. B. über die Metzgerschiene o. Ä. verkauft, steigt der erforderliche Preisaufschlag auf 24 Cent je kg SG an. Wird nur die Hälfte der Tiere anderweitig vermarktet, sind 36 Cent Aufschlag je kg SG notwendig.


Und damit nicht genug. Fordert der Abnehmer den Einsatz von GVO-freiem Futter, sind sehr schnell Beträge von 40 Cent und mehr nötig, um die Schweinemast unter diesen Bedingungen wirtschaftlich betreiben zu können.

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