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„Das Ackerbau-Verbot ist eine Enteignung!“

In Baden-Württemberg dürfen ab 2019 auf dem Randstreifen an wichtigen Gewässern keine Ackerkulturen mehr stehen. Wer die Landwirte dafür entschädigt, bleibt offen.

Lesezeit: 4 Minuten

In Baden-Württemberg dürfen ab 2019 auf dem Randstreifen an wichtigen Gewässern keine Ackerkulturen mehr stehen. Wer die Landwirte dafür entschädigt, bleibt offen.


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40 000 € – diesen Wert hat die Ackerfläche, die im Betrieb von Dr. Karl Georg Federolf, Landwirt aus Neuenstein (Hohenlohekreis), künftig aus der Produktion fällt. Grund dafür ist das Wassergesetz in Baden-Württemberg, das ihm ab 2019 im 5 m breiten Randstreifen von „wasserwirtschaftlich relevanten Gewässern“ den Anbau von Ackerkulturen verbietet. Seit 2014 musste er dort bereits

auf Dünge- und Pflanzenschutzmittel verzichten. 


„Dieses Verbot kommt für mich einer Enteignung gleich und bedeutet in unserer flächenknappen, kleinstrukturierten Region spürbare Einbußen. Hinzu kommt, dass wir die Pufferstreifen weiterhin auf unsere Kosten pflegen müssen“, macht Federolf seinem Ärger Luft. Sein Berufskollege, Albert Gramling aus Ravenstein, sieht das ähnlich: „Meine Schläge verlieren durch das Gesetz an Anbauwürdigkeit, denn an den Entwässerungsgräben habe ich die besten Böden. Zudem ist jetzt so manche Technik, wie mein 8 m breiter Grubber, zu breit für die kleineren Flächen.“


Einstufung zweifelhaft: Überhaupt kein Verständnis für das Anbauverbot haben die Praktiker vor allem an Gräben, die den größten Teil des Jahres kein Wasser führen. Solche seien im „Amtlichen Digitalen Wasserwirtschaftlichen Gewässernetz“ (AWGN), das die relevanten Gewässer auflistet, keine Seltenheit, sagen sie. Selbst für Berater der Landwirtschaftsämter ist die aktuelle Einstufung der Gewässer  schwer nachvollziehbar. Die Aufregung ist je nach Betroffenheit groß. Laut Stuttgarter Umweltministerium sollen ca. 1 600 ha im Land durch die Neuregelung als Ackerfläche verloren gehen.


Im Alleingang. Mit dem Verbot von Ackerkulturen am Gewässerrand nimmt Baden-Württemberg bundesweit eine Vorreiterrolle ein, kein anderes Bundesland geht in Sachen Gewässerschutz so weit.

Bayern z. B. setzt hier bisher auf freiwillige Maßnahmen und entschädigt die Einhaltung eines 6 m breiten Randstreifens an Gewässern über KULAP mit 920 €/ha. Aktuell könne bereits bei rund 50 % der insgesamt 28 000 km langen Ufer von einem Pufferstreifen ausgegangen werden, so ein Sprecher des Bayerischen Umweltministeriums. Landwirte in Baden-Württemberg können zwar Grünstreifen an Gewässern als ÖVF anerkennen oder über Landschaftspflege-Verträge fördern lassen. Eine Chance auf eine zusätzliche Entschädigung haben sie aber wohl nicht. „Die Anforderungen am Gewässerrand sind im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nicht entschädigungspflichtig“, teilt das Umweltministerium in Stuttgart mit.


Wie künftig nutzen? Als künftige Nutzung der Pufferstreifen, die ihren Ackerstatus behalten, schlägt das Wassergesetz in Baden-Württemberg Kurzumtriebsplantagen mit angepassten Arten wie Weiden oder Schwarzerlen sowie die Anlage und den umbruchlosen Erhalt mehrjähriger Blühstreifen vor.

Wie das allerdings in der Praxis funktionieren soll, fragen sich Landwirte und Berater gleichermaßen: Welche Blühmischungen eignen sich überhaupt dafür? Wie erhält man die wertvollen Arten über Jahre und wie verhindert man die Einwanderung von Unkräutern, insbesondere von Neophyten?


Das Stuttgarter Landwirtschaftsministerium hat darauf bisher noch keine Antworten. „Zurzeit stimmen sich Landwirtschafts- und Umweltverwaltung darüber ab, welche Blühmischungen für den Anbau im Gewässerrandstreifen geeignet sind.“


Bis die Fragen geklärt sind, werden wohl die allermeisten Betriebe die Randstreifen als Grünland nutzen. Wie Schweinemäster Albrecht Stier aus Ingelfingen werden ihn viele mulchen, weil sie für den Aufwuchs keine Verwendung haben: „Fragt sich nur, mit welcher Technik. Denn das Mulchgerät des Lohnunternehmers ist für den Streifen zu breit.“ 


Gewässer abstufen? Für Anlieger von Gewässern, deren wasserwirtschaftliche Bedeutung zweifelhaft ist, sieht das Wassergesetz zumindest die Möglichkeit vor, dies von der Unteren Wasserbehörde auf Antrag überprüfen zu lassen. Berater berichten zwar, dass dieser Prozess oft zäh und selten erfolgreich sei.

Doch Hoffnung macht das pragmatische Vorgehen der Unteren Wasserbehörde im Landkreis Böblingen: Sie hat auf Druck der Bauern die Einstufung aller Gewässer überprüft und solche, die an weniger als 120 Tagen im Jahr Wasser führen und zu keinen Überschwemmungen führen können, aus dem AWGN-Verzeichnis genommen. Laut Andreas Kindler, Vorsitzender des Böblinger Kreisbauernverbandes, habe man dafür an wichtigen Gewässern Maßnahmen zum Naturschutz wie z. B. Lerchenfenster angeboten. Karl Georg Federolf schlägt noch eine andere Lösung vor: „Das Land soll die Randstreifen aufkaufen und auf eigene Kosten pflegen.“

 

Der Beitrag stammt aus der neuen top agrar-Südplus, die diese Woche erscheint.

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