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Ertrag von oben bestimmen: Erste Anwendungen des Copernicus-Satellitenprogramms auf dem Markt

Erträge und Grünlandschnitte per Satellit bestimmen sowie Minderertragsareale erkennen: Dazu liefern die Satelliten des europäischen Copernicus-Programms die nötigen Daten. Die ersten Anwendungen sind auf den Markt. Infos von Dr.

Lesezeit: 7 Minuten

Erträge und Grünlandschnitte per Satellit bestimmen sowie Minderertragsareale erkennen: Dazu liefern die Satelliten des europäischen Copernicus-Programms die nötigen Daten. Die ersten Anwendungen sind auf den Markt. Infos von Dr. Klaus Wagner, freier Journalist für Technik, Wissenschaft und Kultur in der top agrar 2/2018:


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Die Satelliten rasen paarweise in nahezu polaren Orbits in mehreren hundert Kilometern Höhe um die Erde. Jedes Paar auf einer eigenen Umlaufbahn, die beiden Satelliten jeweils um 180 Grad versetzt. Ungefähr alle sechs Tage liefern die baugleichen Satelliten der Sentinel-1A und -1B-Mission in einem Rund-um-die-Uhr Betrieb ein vollständiges Radarbild der Erde.


Die Zwillingssatelliten Sentinel-2A und -2B hingegen erzeugen mit ihren hochauflösenden Multispektralinstrumenten durch Messung von reflektiertem Sonnenlicht bei wolkenfreien Bedingungen alle zwei bis drei Tage ein optisches Bild der Erdoberfläche. Zehn mal zehn Meter beträgt die Auflösung der von den Satelliten generierten Aufnahmen. Flächenscharfe Bestimmungen sind durch überlagern der Satellitenbilder mit exakten Schlaggrenzen möglich.


Die Satelliten stehen nicht primär im Dienst der Landwirtschaft. Wie die übrigen Himmelskörper von Copernicus überwachen sie das Ökosystem Erde. Die erhobenen Daten sind für jeden kostenfrei zugänglich. Da Copernicus ausschließlich der zivilen Nutzung unterliegt, besteht keine Gefahr, dass die Satelliten in Krisenzeiten abgeschaltet werden.


Mathematik und IT


Für Ertragsprognosen sowie Karten für die teilflächenspezifische Bewirtschaftung einzelner Schläge verwendet die VISTA-​Geowissenschaftliche Fernerkundung GmbH in München überwiegend Copernicus-​Daten. Aber nicht nur. Analog zur Satellitennavigation sind auch Ertrags-, bzw. Biomassekarten umso genauer, wenn zusätzliche Daten anderer Satelliten mit einfließen, z.B. von Landsat.


Zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen dem Keimen der Saat und der Ernte berechnen die Wissenschaftler zu erwartende Biomasse- oder Körnererträge an Hand zweier miteinander gekoppelter mathematischer Modelle.


Mit dem Ersten ermitteln sie die grüne, photosynthetisch aktive Blattfläche sowie den Anteil brauner Pflanzenbestandteile über das von den Pflanzen reflektierte Sonnenlicht. Diese Ergebnisse münden in das verknüpfte Pflanzenwachstumsmodell Promet ein, zusammen mit meteorologischen Daten, sowie Angaben zu Boden- und Geländebeschaffenheit. „Das Modell Promet kann zwischen Korn, Stängel, Blatt und Wurzel unterscheiden. Somit ist es möglich, Erwartungswerte für den Körnerertrag bei Weizen sowie die Trockenmasse der Stängel von Zuckerrohr anzugeben“, sagt Dr. Heike Bach, Geschäftsführerin bei VISTA. Bisher sind Ertragsmodelle für Weizen, Mais, Gerste und Roggen sowie Raps und Zuckerrüben, validiert. Modelle für weitere Kulturpflanzen sind in Bearbeitung.


Vergleich der Erträge


Als Voraussetzung für die teilflächenspezifische Bewirtschaftung werden Ertragskarten der letzten Jahre miteinander verglichen und dadurch Zonen mit unterschiedlichem Ertrag identifiziert. Lokale Maßnahmen, die dann ergriffen werden können, sind die Optimierung von Aussaat, Düngung und Pflanzenschutz.


„In Hochertragszonen haben wir in den letzten Jahren bei Mais durch Anpassen der Aussaat eine Ertragssteigerung von zehn Prozent beobachtet“, sagt Bach. Und durch speziell eingestellte Düngung und reduzierte Gabe von Stickstoff wurde in einem optimal wirtschaftenden Betrieb bei Weizen eine Ertragssteigerung von bis 4,5% erwirtschaftet.


Einen Einstieg in das Precision Farming auf der Basis von Sentinel-2-Daten bietet auch die App Crop View auf der Plattform 365FarmNet. Nach Registrierung hinterlegt der Landwirt dort die Lage seiner Schläge und die Saatzeitpunkte. Bei Buchung des Crop View-Service erhält er nach Aufgang der Saat eine Biomassekarte als Entscheidungsgrundlage für die weiteren Maßnahmen.


Landwirte müssen 5% ihrer Schlagflächen für die ökologische Nutzung zur Verfügung stellen, damit sie ihre vollen finanziellen Beihilfen bekommen. Potenzielle ökologische Vorrangflächen können auch innerhalb von Minderertragsarealen liegen und lassen sich per Satellitenfernerkundung identifizieren.


Schon vor einiger Zeit wurde eine Prozesskette installiert, die entsprechende Fernerkundungsdaten in behördliche Prozesse einbindet. Zum Beispiel, um die Vernetzung von Lebensräumen für Tiere in der Landschaft zu fördern. Die Messwerte stammten vom RapidEye-System des Anbieters RapidEye AG.


Nun will Burkhard Golla vom Julius Kühn-Institut für Strategien und Folgeabschätzung im brandenburgischen Kleinmachnow die Kette für die Nutzung der kostenfreien Sentinel-2-Daten anpassen. Bald soll auch ein Kartenservice für die Landwirte in allen Regionen Deutschlands gratis zur Verfügung stehen. Der Begriff potenzielle ökologische Vorrangfläche wurde bewusst gewählt, weil er offen lässt, wie die Nutzung dort letztendlich sein wird. „Auf Basis unserer Untersuchungen wollen wir mit den Landwirten diskutieren, welche Maßnahmen sinnvoll sein könnten. Die Entscheidungen liegen auf jeden Fall bei den Landwirten“, sagt Burkhard Golla.


Sehen wo das Gras wächst


Für ihre Forschungen innerhalb eines Projektverbundes zu Futtererträgen auf Grünland verwendet die Arbeitsgruppe von Dr. Stephan Hartmann vom Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung in Freising bei München Bilder, die von Radardaten der Satelliten Sentinel-1A und -1B abgeleitet sind. Auf diesen sind die von der Erde reflektierten Radarsignale als Grauwerte dargestellt. Die Signalstärke korreliert mit den unterschiedlichen Oberflächenstrukturen der reflektierenden Flächen, z.B. der zunehmenden Rauigkeit der Oberfläche einer ungeschnittenen Wiese. Ist die Wiese abgeerntet, sind die Reflexe wesentlich heller. Allerdings müssen die Forscher beachten, dass der Wassergehalt im Gras und in der Atmosphäre ebenfalls dämpfend auf die Radarsignale wirken.


Wann am besten mähen?


Bisher ist es für ein großes Testareal südlich von München gelungen, durch Auswerten von Radaraufnahmen auch anderer Satellitenmissionen sowie zeitlich und räumlich hochaufgelöster Angaben für erfolgte Niederschläge die Zeitpunkte für Grünfutterschnitte auf drei bis sechs Tage einzuengen. Mit einem mathematischen Wachstumsmodell, das weniger komplex ist als ein Ertragsmodell, lässt sich die Biomasse an ausgewählten Standorten in guter Näherung zu den tatsächlichen Werten bestimmen.


Trivial sind die Erhebungen mittels Satelliten aber nicht. Denn der Aufwuchs auf einer Wiese ist nicht homogen und auch die Zusammensetzung der Bestände kann erheblich variieren. Für die regionale Politikberatung zur Intensität der Flächenbewirtschaftung sind die Ergebnisse aber hinreichend genau. „Großflächig können wir bisher Schnittzeiten mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% sowie relative Schnitthäufigkeiten und die Lage unterschiedlich ertragreicher Gebiete angeben“, sagt Hartmann.


Um die Technik für größere Flächen nutzen zu können, muss sie jedoch automatisiert werden. Aktuell bedeutet jede neue Bestimmung für die Wissenschaftler viel „Handarbeit“.


Service für Bayern


Wenn alles gut läuft könnten Hartmann und seine Kollegen, in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst, in ca. sechs Jahren einen für Bayern flächendeckenden Service anbieten.


Grundsätzlich wäre dieser Ansatz auch auf andere Bundesländer übertragbar. Unabhängig von seiner Betriebsgröße sollte dann jeder Landwirt, verknüpft mit einer Wettervorhersage, die optimalen Schnitttermine und die zu erwartenden Erträge für seine Schläge abrufen können. Notwendig für die hinreichend anonymisierte Teilnahme an dem Service ist einzig ein Webbrowser. „Die Mengenangaben würden wir jedoch mit einem Vorbehalt versehen, denn sie sind von der kleinflächigen Zusammensetzung des Pflanzenbestandes abhängig, und die ist aus dem Weltraum nicht hinreichend genau erkennbar“, sagt Hartmann.


Für den Landwirt wäre es aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvoll, genauer über die Grünlanderträge Bescheid zu wissen. Denn bisher sind meist nur sehr grobe Schätzungen möglich, etwa an Hand der Füllstände von Futtersilos. Oder jedes einzelne Transportfahrzeug muss gewogen werden.

Auch bei der Logistikplanung für die genossenschaftlich organisierte Trocknung des Grünfutters wären Kenntnisse über Schnitttermine und zu erwartende Mengen von großem Nutzen.

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