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Kostenausgleich Tierwohl

Bioland für Sonderabgabe für mehr Tierwohl

Die MwSt ist das falsche Werkzeug für den Umbau der Tierhaltung. Davon ist Gerald Wehde von Bioland überzeugt. Die Bio-Branche bevorzugt eher eine zweckgebundene Sonderabgabe auf tierische Produkte.

Lesezeit: 5 Minuten

Ein Gastbeitrag von Gerald Wehde, Geschäftsleitung Agrarpolitik und Kommunikation bei Bioland sowie dessen Pressesprecher. Zuerst veröffentlicht im bioland magazin 12/2019.

Die nächste Bundesregierung wird vor großen Aufgaben in der Landwirtschaft stehen. Dazu gehört, die Tierhaltung so umzubauen, dass Klima und Umwelt geschützt werden und dass das Wohlbefinden der Tiere gesichert ist.

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Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik schätzt die Kosten dafür auf drei bis fünf Milliarden Euro pro Jahr. Und dafür braucht es neue Geldquellen. Zur Diskussion steht, entweder den Mehrwertsteuersatz für tierische Lebensmittel von heute sieben auf 19 Prozent zu erhöhen oder eine zweckgebundene Sonderabgabe für mehr Tierwohl zu erheben.

Tierschutz- und Umweltverbände stellen die heutige Vergünstigung bei der Mehrwertsteuer mit Blick auf das Tierwohl und eine klimafreundliche Ernährung immer mehr in Frage. Prognosen von Wirtschaftswissenschaftlern zufolge würde der Fleischkonsum durch die Mehrwertsteuerangleichung um rund fünf Prozent sinken.

Unter der Überschrift „Fleischsteuer“ hat sich im medialen Sommerloch eine politische Kontroverse entwickelt. „Ich bin dafür, die ermäßigte Mehrwertsteuer für Fleisch aufzuheben und zweckgebunden für mehr Tierwohl einzusetzen“, sagte Friedrich Ostendorff, der agrarpolitische Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen im Bundestag.

Auch Rainer Spiering von der SPD-Fraktion zeigte sich offen für eine Steuererhöhung. Widerspruch kam vom Grünen-Chef Robert Habeck und von der SPD-Spitze: „Die SPD-Bundestagsfraktion diskutiert nicht über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleischprodukte“, stellte der Parlamentarische Geschäftsführer Carsten Schneider klar.

Auch Verbraucherschützer sehen die Sache kritisch. „Bei einer Mehrwertsteuererhöhung auf Fleisch würden Verbraucher draufzahlen, ohne dass etwas für das Tierwohl gewonnen wäre“, gibt Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentralen-Bundesverbands, zu bedenken.

Steuern sind nicht zweckgebunden

Tot ist diese Diskussion damit aber nicht. So beschäftigt sich der von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner im Juli vorigen Jahres eingesetzte Kompetenzkreis Nutztierhaltung mit der Frage, wie der Umbau der Tierhaltung finanziert werden soll. Unter Leitung von Bundesminister a. D. Jochen Borchert arbeiten die Beteiligten an der Weiterentwicklung und Umsetzung der Nutztierstrategie. Im Februar will das Beratungsgremium dem BMEL erste Vorschläge unterbreiten.

Auch in diesem Kreis gilt die Angleichung des Mehrwertsteuersatzes für Milch- und Fleischprodukte auf 19 Prozent als einfache Finanzierungsquelle zum Umbau der Tierhaltung. Doch funktioniert dieses Modell? Steuereinnahmen dürfen generell nicht zweckgebunden eingesetzt werden. Beim Mehrwertsteuermodell besteht daher die Gefahr, dass die Mehreinnahmen in den allgemeinen Steuertopf fließen. Dort können sie für alle möglichen Zwecke verwendet werden – die Tierhalter könnten sich nicht darauf verlassen, dass ein Programm zur Förderung von Tierwohlmaßnahmen langfristig stabil finanziert wird.

Ein weiterer Nachteil einer Mehrwertsteuerangleichung ist die komplexe Entscheidungsfindung, die vermutlich nur im Kontext einer größeren Steuerreform möglich wäre. Dabei müssten sich die drei Nutznießer der Einnahmen aus der Mehrwertsteuer, Bund, Länder und Kommunen, mit ihren spezifischen Interessen einigen.

Es ist kaum davon auszugehen, dass die Mehrheit der Bundesländer einer zweckgebundenen Mittelverwendung in einem entsprechenden Bund-Länder-Sonderrahmenplan zustimmen würde. Denn die Bedeutung der Tierhaltung ist in den Ländern sehr unterschiedlich: Die Gelder würden vor allem in die viehstarken Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen fließen.

Besonders hart würde eine Mehrwertsteuererhöhung für tierische Lebensmittel Bio-Landwirte treffen. Denn die Preise für ihre ohnehin teureren Fleisch- und Milchprodukte würden gegenüber der Konkurrenz überproportional ansteigen.

Ein weiterer Nachteil der umsatzbezogenen Erhebung wäre die deutliche Verteuerung von Rindfleisch gegenüber – dem billigeren – Schweine- und Geflügelfleisch. Auch hier wäre die Bio-Branche besonders betroffen, da die Marktanteile bei Bio-Rindfleisch deutlich über den anderen Fleischarten liegen. Eine Mehrwertsteuererhöhung würde die Entwicklung der Bio-Tierhaltung deutlich abbremsen.

Sonderabgabe ist flexibler

Aus Sicht der Bio-Branche wäre eine zweckgebundene Sonderabgabe auf tierische Produkte daher vorzuziehen. Die Tierhalter könnten sich darauf verlassen, dass aus den Einnahmen dauerhaft Maßnahmen zur Förderung des Tierwohls finanziert werden. Zudem böte eine Sonderabgabe im Vergleich zur Erhöhung der Mehrwertsteuer viel mehr Flexibilität.

Mit einer schrittweisen Erhöhung der Abgabe könnte die öffentliche Hand dafür sorgen, dass ein wachsender Mittelbedarf für Stallumbau und Tierwohlprämien finanziert wird. Für die Verbraucher wäre eine gestufte Preissteigerung für Fleisch, Milch und Eier besser zu verkraften als die schlagartige Erhöhung der Mehrwertsteuer von sieben auf 19 Prozent.

Und auch für die Bio-Tierhalter wäre dieses Modell günstiger, denn die Abgabe würde auf die Menge – Stück, Kilogramm, Liter – erhoben und nicht auf den Preis aufgeschlagen. Deshalb wären auch die Preisveränderungen zwischen den Tierarten geringer, möglich wäre sogar eine differenzierte Erhebung nach Tierart.

Eine Mehrwertsteuerangleichung zum Wohl von Nutztieren – die Idee klingt zunächst gut. Als Finanzierungsmodell für mehr Tierwohl eignet sich eine Sonderabgabe aber besser. Diese würde Bio-Betriebe nicht diskriminieren.

Bioland fordert vom Bundeslandwirtschaftsministerium für beide Finanzierungsmodelle eine aussagekräftige Machbarkeits- und Folgenabschätzung. Letztendlich muss die Bundesregierung mit einem breiten Instrumentenmix für den Umbau der Tierhaltung sorgen: durch gezielte Förderung, höhere gesetzliche Anforderungen bei allen Nutztieren sowie deren Kontrolle und eine verpflichtende Kennzeichnung analog der erfolgreichen Eierkennzeichnung.

Hinweis der Redaktion: Gastbeiträge geben nicht in allen Bereichen die Meinung der Redaktion wieder. Wir veröffentlichen sie dann, wenn wir sie für einen interessanten Diskussionsbeitrag zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft halten.

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