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Führende Agrarforscher diskutierten über die Ökologisierung der Landwirtschaft

Für Prof. Mühling ist eine ökologische Intensivierung der Landwirtschaft ohne signifikanten Ertragsrückgang und gleichzeitiger Honorierung der Ökosystemleistungen das Ziel der künftigen Forschung.

Lesezeit: 8 Minuten

Unter dem Motto „Ökologisierung der Landwirtschaft“ hat der Dachverband wissenschaftlicher Gesellschaften der Agrar-, Forst-, Ernährungs-, Veterinär- und Umweltforschung (DAF) Mitte Oktober seine diesjährige Jahrestagung veranstaltet. Laut DLG nahmen über 300 Personen an der Videokonferenz teil.

Prof. Dr. Karl H. Mühling von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Präsident des DAF, ging in seinem Schlusswort auf einige Aspekte aus den Vorträgen näher ein:

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  • Die Spezialisierung der Betriebe in Ackerbau-, Futterbau- und Veredlungsbetriebe hätte zwar die Arbeitsproduktivität erhöht, die Ausbildung viehintensiver Regionen sei jedoch ein schwerer organisatorischer Fehler gewesen.



  • Die politische Förderung der vielen Biogasanlagen, besonders in Futterbaugebieten, hätten durch die anfallenden Gärrückstände dazu beigetragen, dass sich die Nährstoffbilanzen nicht positiv entwickeln konnten.



  • Ein Verbund aus Veredlungs-, Futterbau- und Ackerbaubetriebe, wie schon etliche positive Beispiele zeigten, könne ein neuer Weg sein. Mehr Nährstoffkooperationen müssten geschlossen werden.



  • Fruchtfolgen sollten erweitert und insbesondere durch mehr Leguminosen ergänzt werden. Körnerleguminosen könnten interessante Marktfrüchte werden (z.B. Ackerbohnen in Norddeutschland, Soja in Süddeutschland).



  • Aus naturwissenschaftlicher Sicht könne man aus dem Biolandbau lernen, indem Klee und Luzerne in Fruchtfolgen einbaut werden oder der konventionelle Landbau auch mehrjähriges Kleegras nutze. Betriebswirtschaftlich sei dies unter den gegenwärtigen Bedingungen nur schwer vorstellbar. Dann müssten weitere Nebenbedingungen formuliert werden wie ordnungsrechtliche Vorgaben, veränderte Förderinstrumente u.ä..

„Die Herausforderung ist eine ökologische Intensivierung ohne signifikanten Ertragsrückgang und gleichzeitiger Honorierung der Ökosystemleistungen“, fasste Prof. Mühling zusammen. „Auf der einen Seite brauchen wir eine hohe Produktivität auf Gunststandorten, um die Welternährung sicher zu stellen. Auf der anderen Seite brauchen wir auf jeden Fall eine höhere Stickstoff- und Phosphor-Effizienz bei gleichzeitig verringerten Überschüssen. Es geht um Ertragssicherheit bei dem anstehenden Klimawandel und um Ertragssteigerungen auf marginalen Böden in anderen Teilen der Welt, z. B. Afrika. Wir brauchen mehr Biodiversität, mehr Ökosystemleistungen, aber bei gleichbleibendem oder nur geringfügig reduziertem Ertragsniveau“, so Prof. Mühling.

In diesem Zusammenhang sei es sinnvoll, die Ökologisierung der Landwirtschaft kollektiv zu betrachten, so der Professor für Pflanzenernährung.

Zitate aus den Vorträgen

Prof. Dr. Alexander Wezel, ISARA, Lyon: „Regierungen und Politik sollten bei der Leistungsbewertung von Produktions- und Nahrungsmittelsystemen relevante Parameter berücksichtigen, inklusive deren Auswirkungen auf Umwelt und soziales Gefüge (z.B. ökologischer Fußabdruck). Viele agrarökologische Praktiken basieren auf der Nutzung der Biodiversität, und viele Landwirte nutzen diese auch schon in vielfältiger Art und Weise. Ökonomische Verbesserungen für Landwirte sind nachweisbar.“

Prof. Dr. Friedhelm Taube, Uni Kiel: „Wenn gleichermaßen hohe – nicht höchste – Produktionsleistungen und Umweltziele erreicht werden sollen, dann ist ein Paradigmenwechsel hin zur 'ökologischen Intensivierung' notwendig. 'Landwirtschaft 4.0' kann ein taktisches Werkzeug auf diesem Pfad sein, es ist nicht die strategische Lösung. Da wir am Beginn eines Transformationsprozesses stehen und nicht am Ende, ist es besser, ein nachhaltiges Wachstum im Ökolandbau und zusätzlich eine ökologische Intensivierung in sogenannten konventionellen Systemen anzustreben und beide Bewirtschaftungssysteme einander anzunähern.

Prof. Dr. Henning Kage, Uni Kiel: „Durch Fruchtfolgegestaltung können Nährstoffverluste insbesondere durch Nitratauswaschung wesentlich gemindert werden und/oder der Düngebedarf innerhalb der Fruchtfolge durch die Integration von Körnerleguminosen oder Zwischenfrüchten gesenkt werden.



In der Praxis stehen jedoch häufig vergleichsweise niedrigere Erträge und schlechte Vermarktungsmöglichkeiten der zusätzlichen in die Fruchtfolgen zu integrierenden Kulturen sowie ein höherer Aufwand (Zwischenfrüchte) der Erweiterung der Fruchtfolgen aus betriebswirtschaftlicher Sicht entgegen.“

Prof. Dr. Bärbel Gerowitt, Uni Rostock: „Um entstehenden Lücken durch weniger chemischen Pflanzenschutz zu begegnen, muss auf allen Ebenen viel mehr Wissen zur Ökologisierung der Anbausysteme in die Entscheidungsprozesse einfließen. Die erforderlichen Anbausystemänderungen sind fundamental. Die Veränderungen müssen von allen Akteuren (Landwirtschaft, Pflanzenschutzmittel-Industrie, Forschung, Handel, Gesellschaft und Öffentliche Hand) gewollt und getragen werden.“

Prof. Dr. Johannes Isselstein, Uni Göttingen: „Bei der Benennung der Ziele einer agrarökologischen Forschung für einen Transformationsprozess sollten alle Akteure im Agrar- und Ernährungsbereich mit einbezogen werden, insbesondere die Praxis. Die Ziele müssen präzise zusammen mit der Praxis formuliert werden, für alle Stakeholder verständlich. Alle Beteiligten sollten auf die Einhaltung der Ziele verpflichtet werden und die Politik und die Gesellschaft sollten der Forschung Rückendeckung geben. Die Art der Forschung kann nur inter- und transdisziplinär sein, wenn es um die Transformation von ganzen Systemen geht.“

Prof. Dr. Emily A. Poppenborg Martin, Leibniz Universität Hannover: „Es gibt einen Mutualismus zwischen Biodiversität und Agrarproduktion. Wir wollen Biodiversität, weil diese auch für die Produktion nützlich ist. Diversifikationsmaßnahmen auf Feld- und Landschaftsebene erhöhen die Biodiversität und verbessern die Ökosystemleistungen. Strategien auf Landschaftsebene erfordern jedoch eine kollektive Betrachtung der Ökologisierung der Landwirtschaft, weil einzelne Maßnahmen nicht ausreichen. Die Fragen nach den langfristigen Effekten von Diversifikationsmaßnahmen, nach ihren ökonomischen Opportunitätskosten und wie Maßnahmen individuell an lokale Bedingungen angepasst werden müssten, bleiben derzeit noch offen.“

Prof. Dr. Urs Niggli, FiBL Europe, Brüssel: „Wir müssen eigentlich eine Ökologisierung der ‚Mainstream Landwirtschaft‘ machen und hier ist die Frage, „Ist das die Agrarökologie? Wir haben in einer UBA-Studie eine ‚Integrierte Produktion plus‘ betrachtet, das ist eine mit Standards und mit Zertifizierung verbundene sehr weitgehende integrierte Produktion mit hohen Anforderungen. Man könnte auch eine auf Nachhaltigkeit optimierte konventionelle Landwirtschaft etablieren, wo wir mit bestehenden Nachhaltigkeitstools die Betriebe laufend optimieren, das ist heute machbar. Weil ich noch nicht so genau weiß, was agrarökologische Praktiken sind – und das noch schwammig definiert ist – spreche ich lieber von einem kompletten ‚Redesign‘ von Farming Systemen. Wir sollten das heutige Wissen von Zusammenhängen nutzen, um neue Systeme zu finden.“

Prof. Dr. Karl-Heinz Südekum, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: „Eine zukunftsfähige Nutztierfütterung mit einer deutlich verminderten Lebensmittelkonkurrenz zum Menschen wird es nur geben, wenn es gelingt, weltweit Koppelprodukte der Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung systematischer zu erfassen, zu charakterisieren und zu nutzen. Um das Ziel einer verminderten Lebensmittelkonkurrenz zu erreichen, müssen die Koppelprodukte stärker als bisher an Nichtwiederkäuerspezies (Schwein, Geflügel) verfüttert werden und die Ernährung der Wiederkäuer verstärkt vom Grünland erfolgen. Bei einer Nutzung der Aufwüchse von absolutem Grünland liegt keine Lebensmittelkonkurrenz zum Menschen vor. Hochwertige Grünlandaufwüchse können auch – ohne Lebensmittelkonkurrenz – zu hochwertigen, proteinreichen Konzentraten für Schwein und Geflügel veredelt werden.“

Prof. Dr. Ute Knierim, Uni Kassel: „Generell gilt, dass sehr große Potentiale für die Verminderung einiger Zielkonflikte in betriebsindividuellen Optimierungsmaßnahmen liegen. Die konkurrenzlos effizienteste Minderungsmaßnahmen ist eine Reduktion der Tierbestände bei gleichzeitiger Reduktion des Konsums. So werden bei der Erzeugung tierischer Lebensmittel im Durchschnitt pro Kalorie bzw. Gramm Protein mehr produktspezifische Treibhausgase emittiert als bei pflanzlichen. Die noch offene Frage ist, auf welche Weise und mit welchem Zeithorizont eine Verminderung des Konsums tierischer Lebensmittel erreicht werden kann, und da sind natürlich auch gute Ideen gefragt.“

Prof. Dr. Sebastian Lakner, Uni Rostock: „Wie müssen die Diskussion führen, in welchem Ausmaß wir Gemeinwohl und Nachhaltigkeit wollen. Es gibt auch eine unterschiedliche Bedeutung der Einkommensdimension, denn letztendlich ist es ein Unterschied, ob ich einen Reformvorschlag in Deutschland oder in Osteuropa einbringe. Insofern wäre auch es ganz dringend notwendig, dass wir die so genannte Bedürftigkeit, wie landwirtschaftliche Haushalte aufgestellt sind, besser in den Griff kriegen. Die strukturelle Implikation ist ein wichtiger Forschungsbedarf, das heißt, wir müssen uns genauer darum kümmern, welche Betriebe aussteigen, welche Betriebe auch ohne Förderungsänderung große Probleme haben. Wir haben ja heute schon einige Betriebszweige, die im Moment starke ökonomische Probleme haben.

Der Ökolandbau kann eine wichtige Rolle spielen, aber er kann nicht das einzige Instrument sein, denn auch er wird sich bewegen müssen. Wir brauchen alle verfügbaren Mittel, um in allen Bereichen besser zu werden.“

Prof. Dr. Peter Feindt, Humboldt-Universität zu Berlin: „Das Wichtigste ist, dass wir eine Transformationsnotwendigkeit durch eine gemeinsame Analyse integrierter und gut aufbereiteter Daten erarbeiten, damit wir Konsens darüber haben, dass überhaupt eine Transformation notwendig ist. Dann muss man Koalitionspartner im Sektor finden oder eben auch einen schaffen und wir müssen künstliche Anreize zur Beibehaltung des Status Quo abschaffen.

Hier fällt mein Blick immer auf die flächenbezogenen Direktzahlungen, mit denen man sehr viel stärker Veränderungsprozesse unterstützen könnte. Wir müssen langfristige Visionen mit konkreten Zielen und Meilensteinen entwickeln und daraus dann die Transformationspfade ableiten.

Es ist wichtig, dass die Akteure bei der Transformation unterstützt werden, etwa durch Investitionshilfen, Beratung usw. Die Politik muss sich glaubwürdig langfristig selbst binden, damit die Leute nicht denken, bei einer anderen Regierung in vier Jahren ist das wieder vorbei. Und schließlich muss die Politik adaptiv und lernend sein, so wie wir das gerade in der Corona-Krise feststellen und sehen, dass die Politik auf laufende Daten ständig reagiert und dann auch neue Maßnahmen ergreift.“

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