Die 2018 geänderte EU-Ökoverordnung muss ab 1. Januar 2022 von allen Bio-Unternehmen, Öko-Kontrollstellen und -behörden in der EU angewendet werden. Sie bringt auch neue Regeln für Bauern und Kontrollstellen in Nicht-EU-Ländern.
Derzeit wird noch mit hohem Zeitdruck an wichtigen ergänzenden Regeln für das neue Bio-Recht gearbeitet, berichtet dazu der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Insgesamt seien knapp 20 ergänzende Rechtsakte vorgesehen, von denen ungefähr die Hälfte bereits abgeschlossen ist. Der Rest soll bis zum Spätsommer fertig werden.
Besonders die Änderungen in Produktion und Kontrolle sowie die späte Fertigstellung der Regeln stellen Bio-Unternehmen, Öko-Kontrollstellen und -behörden in allen Mitgliedsstaaten aber vor besondere Herausforderungen, die neuen Anforderungen des Bio-Rechts bis Januar 2022 umzusetzen, heißt es.
Was sind die Herausforderungen?
Wo die größten Herausforderungen liegen, diskutierten Experten aus den Niederlanden und Deutschland auf einem digitalen Kongress der Biofach. Clara Belt von der niederländischen Öko-Kontrollstelle Skal nannte den Umgang mit Vorsorgemaßnahmen, die Regeln für die Geflügelhaltung sowie die Zertifizierung des Einzelhandels wichtige Herausforderungen in der neuen Öko-Verordnung. Vorsorgemaßnahmen träfen gemäß des neuen Bio-Rechts künftig alle Unternehmen – vom Hof bis zum Handel. Wichtig sei deshalb, genauer zu definieren, wie angemessene und verhältnismäßige Vorsorgemaßnahmen aussehen könnten.
Laut Belt sei positiv, dass Bio weiter als Prozessqualität definiert ist und so jeder Produktionsschritt von der Bio-Kontrolle in den Blick genommen werde, nicht nur das Endprodukt. Wenn ein Bauer ökologisch wirtschafte und beispielsweise alles tue, um Kontaminationen mit bei Bio verbotenen Stoffen zu vermeiden, müsse das Produkt auch als Bio-Produkt anerkannt werden. Weiter geklärt werden müsse, wo die Vorsorge sinnvoller Weise anfange und wo der Einfluss des einzelnen Betriebes auf die Vorsorge auch aufhöre.
Bei den neuen Regeln zur Geflügelhaltung müssten sich laut Belt die Betriebe auf die Regeln zur Veranda und auf neue Regeln zur Wartezeit bei Medikamentengaben einstellen. Für den Einzelhandel in den Niederlanden führten die neuen Regeln dazu, dass mehr Verkaufsstellen als heute zertifiziert werden müssten.
Blom: Neue Übergangsfristen gut, aber teuer
Marian Blom, Referentin Bio-Recht des niederländischen Öko-Verbanders Bionext und Vizepräsidentin von IFOAM Organics Europe, hielt es für besorgniserregend, wenn in Europa – aber auch in anderen Ländern – die Vorgaben sehr unterschiedlich umgesetzt würden. Helfen würde es hier, wenn die EU-Kommission mit Leitlinien für eine gewisse Einheitlichkeit sorgen würde.
Insgesamt sorge laut Blom die stärkere Detaillierung der Bio-Regeln für eine stärkere Harmonisierung bei der Anwendung der Regeln; ohne dass länderspezifische Anpassungen ausgeschlossen würden. Für die Geflügelhaltung seien laut Marian Blom die Übergangsfristen zwar sehr gut und wichtig, trotzdem könne es – gerade für „neuere“ Bio-Geflügelhalter – schwierig sein, nach drei Jahren schon wieder kostspielige Umbauten vornehmen zu müssen.
Beim Thema Saatgut bzw. Vermehrungsmaterial bringe die hohe Komplexität Herausforderungen mit sich. Die Verwirrungen, die dadurch aktuell z.B. bei Jungpflanzen noch bestehen, müssten noch beseitigt werden.
Herausforderung: 16 Bundesländer legen Bio-Recht aus
Andreas Löloff, Referent Ökolandbau im niedersächsischen Agrarministerium, wies darauf hin, dass sich das neue Bio-Recht an den Zielen der Revision messen lassen müsse. Die neue Öko-Verordnung müsse demnach dafür sorgen, dass sie die Ausweitung von Bio forciere, der Wettbewerb fair sei sowie das Vertrauen der Kunden weiter gestärkt würde.
Löloff betonte die herausfordernde Situation in Deutschland, wo 16 Länder mit eigenen Verwaltungsabläufen und den jeweiligen Kontrollbehörden sowie knapp 20 private Kontrollstellen das neue Bio-Recht auslegen und umsetzen müssten. Der Öko-Länderreferent unterstrich, dass die Länder aber auch die Spielräume nutzen, um das EU-Recht gemäß den jeweiligen naturräumlichen oder klimatischen Bedingungen auszulegen.
Mit Blick auf die Neufassung des Öko-Landbaugesetzes (ÖLG), dass aktuell im Bundestag in die Beratung geht und Neuerungen des EU-Bio-Rechts aufgreift, betonte Löloff, dass die Bundesländer im Gesetzgebungsprozess noch Verbesserungen einbringen würden. Unter anderen solle der Bund stärker Verantwortung übernehmen.
Löloff zeigte sich zuversichtlich, dass mit Änderungen ein brauchbares ÖLG in Deutschland ab 2022 möglich sei. Im Bereich der Außer-Haus-Verpflegung läge eine große Zukunftschance für Bio, die durch bundeseinheitliche Regeln für die Auslobung von Bio-Anteilen besser genutzt werden könne.
Röhrig besorgt: Noch wichtige Fragen offen
Peter Röhrig, Geschäftsführer des BÖLW, zeigte sich optimistisch, aber auch besorgt, zum aktuellen Stand des Bio-Rechts. Man komme zwar an vielen Stellen mit den Detailregeln voran, aber es seien noch einige Regeln – und vor allen Dingen viele Fragen zu deren Umsetzung – offen.
Bei der amtlichen Untersuchung von Verdachtsfällen, ausgelöst durch Kontaminationen mit bei Bio nicht zugelassenen Stoffen, sei es notwendig, sicherzustellen, dass die Prüfung und die Freigabe der Waren nach Abschluss der Untersuchung zügig vonstattengehen. Bei den künftigen Bio-Zertifikaten, muss sichergestellt werden, dass zu weit gehende Angaben vermieden werden, da diese zu einem hohen Aufwand führen – ohne die Bio-Kontrolle zu verbessern. Der Gesetzgeber könne sich hier an den gut funktionierenden aktuellen Regeln orientieren.
Die Bio-Hersteller seien dringend darauf angewiesen, ihre Produktionsbereiche vernünftig reinigen zu können. Die Regeln zu Reinigungs- und Desinfektionsmitteln gäben das allerdings noch nicht her. Gut wäre es, wenn die EU-Kommission eine Alternative zur aktuell avisierten Positivliste angehen würde.
Zum Thema ÖLG schloss sich Röhrig weitgehend der Einschätzung von Löloff an: Man sollte die Rolle des Bundes stärken und dort beispielsweise die Überwachung des Öko-Kontrollstellen ansiedeln. Auch das Thema Außer-Haus-Verpflegung regele man sinnvoller Weise einheitlich, um die Auslobung und Kontrolle von Bio-Anteilen in den Küchen zu ermöglichen. Bei der aktuellen, engagierten Diskussion müsse schnell zu Ergebnissen kommen, die Unternehmen stünden bereits in den Startlöchern.