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Plagge zur EU-Agrarreform: „Der Druck ist immens“

Der Präsident der IFOAM EU-Gruppe, Jan Plagge, erwartet, dass die Debatte um eine umwelt- und klimagerechte EU-Agrarreform in den nächsten Monaten stark an Dynamik gewinnen wird.

Lesezeit: 6 Minuten

Annegret Grafen sprach mit Bioland-Präsident Jan Plagge. Das Interview ist zuerst erschienen im bioland-Fachmagazin 10/2019:

bioland-Fachmagazin: Die Sommerpause ist vorbei. Das Parlament hat sich nach der Europawahl im Mai neu konstituiert. Die Ausschüsse wollen an die Arbeit des vorigen Parlaments anknüpfen. Erwarten Sie trotzdem neue Impulse aus dem Parlament?

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Jan Plagge: Ja, auf jeden Fall, weil es die geben muss. Weil der Druck immens ist. Es gibt etliche neue Parlamentarier, auch im Agrarausschuss, die sich noch gar nicht mit dem Gesamtwerk und den Folgen dieser GAP-Reform befasst haben. Sobald die eingestiegen sind, erwarte ich substanzielle Impulse für die Position des EU-Parlaments.

Wo sehen Sie den Druck vor allem?

Plagge: Bei einem sinkenden Gesamthaushalt entsteht für das Agrarbudget ein hoher Rechtfertigungszwang. Er entsteht vonseiten der anderen Ressorts, der Wissenschaft, der Politik, aber auch der Gesellschaft. Das Argument, die Gelder seien ein Einkommensbestandteil der Landwirte, funktioniert nicht mehr. Es muss ein Mehrwert für unsere bedrohten Lebensgrundlagen, für Klima-, Arten- und Wasserschutz dabei herauskommen. Darüber wird es in den kommenden Monaten eine immer intensivere Debatte geben.

Warum sind Sie da so optimistisch? Die Kräfte, die den reinen Einkommensmechanismus der GAP verteidigen, sind nach wie vor stark.

Plagge: Ich bin zweckoptimistisch. Die, die weiter an der klassischen Direktzahlung festhalten wollen und immer wieder mit Argumenten von vor 20 Jahren operieren, die haben offensichtlich den enormen Handlungsdruck auf die verantwortlichen Politiker noch nicht erfahren und gespürt. Ich stelle fest, dass in den letzten Monaten die Dringlichkeit und die Notwendigkeit für eine zielgenaue GAP enorm gestiegen ist.Die größte Dynamik kommt aktuell aus der Klimaschutzpolitik.

Der Kommissionsvorschlag sieht kein Mindestbudget für Umweltmaßnahmen in der Ersten Säule – die Eco-Schemes – vor. Die IFOAM EU-Gruppe fordert einen Mindestanteil von 70 % über beide Säulen. Realistisch?

Plagge: Die Mittelbindung für die Eco-Schemes in der Ersten Säule ist auf dem Tisch. Sowohl der Umwelt- als auch der Agrarausschuss im EU-Parlament hat sie beschlossen, damit ist sie Teil der Parlamentsposition. Je länger über die grüne Architektur der Ersten und Zweiten Säule diskutiert wird, desto klarer wird, das eine Mittelbindung in den jeweiligen Säulen zu kurz greift. Deshalb hoffe ich, dass über ein säulenübergreifendes Mindestbudget nachgedacht wird. Das ist auch für die Frage fairer Wettbewerbsbedingungen wichtig.

Wir schauen mit Sorge auf die Mitgliedstaaten, die schon in der laufenden GAP-Periode Geld von der zweiten Säule in die Direktzahlungen verschoben haben. Viele osteuropäische Länder wollen mehr Geld für die Direktzahlungen ausgeben. Dass das nichts für Umwelt- und Klimaschutz bringt, ist erwiesen. Aber Geld unqualifiziert aufs Land zu verteilen, ist einfach.

Stichwort fairer Wettbewerb: Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner fordert Leitplanken, damit es bei den Umweltregelungen der GAP keinen Wettlauf der Mitgliedstaaten nach unten gibt. Wie könnten solche Leitplanken aussehen?

Plagge: Wichtig dabei ist, nicht allein die Regeln für die Konditionalität in den Mittelpunkt von Leitplanken zu stellen, sondern vor allem die Mittelverwendung zu steuern und natürlich die Wirksamkeit der Maßnahmen zu bewerten und überprüfen. Unser Ansatz ist es, einen wirksamen Markt für Gemeinwohlleistungen zu schaffen.

Wenn es gelingt, dass in allen EU-Mitgliedstaaten ein stetig wachsender Mindestanteil des GAP-Budgets für die Honorierung solcher Leistungen verwendet wird, dann wird es am ehesten gelingen, die Spirale nach unten zu stoppen. Das geht nicht, wenn weiter 80 Prozent der Mittel über eine allgemeine Flächenprämie mit Auflagen ausgegeben werden. Dann bestimmt immer derjenige das Maß der Auflagen, der das Geld am einfachsten in seinem Land verteilt. Ein Wettlauf nach unten ist programmiert.

Jetzt schon ist allerdings klar, dass die Mittel der Zweiten Säule mit den Agrarumwelt- und Klimaschutzprogrammen stark gekürzt werden sollen.

Plagge: Wenn wir ein Mindestbudget für die Umwelt- und Klimaziele über beide Säulen haben, dann haben wir einen Grundstock, ob 70 %, wie wir fordern, oder anfangs etwas weniger. Wenn dieses Budget schrittweise ansteigt, dann ist die Frage, ob die Erste oder die Zweite Säule leidet, nicht mehr relevant. Sondern die Frage, welche Maßnahmen nehmen die Landwirte in Anspruch, welche sollten also im nächsten Jahr stärker bedient werden?

Deshalb wäre eine stufenweise Steigerung dieses Mindestanteils die klügste Schlussfolgerung aus der ganzen Debatte. Für die Betriebe entstünde Sicherheit und ein planbarer Rahmen.

Wie müssen die Übergangsregelungen aussehen, bis die neue GAP gültig ist, was ja noch lang dauern wird?

Plagge: Die Übergangsregelungen müssen gewährleisten, dass keine Brüche auf dem Weg zur neuen GAP entstehen. Maßnahmen, die man in Zukunft erweitern will, müssen auch in der Übergangsphase sichergestellt sein. Dazu gehört auch der ökologische Landbau. Sonst würden die Landwirte jedes Vertrauen in die Förderpolitik verlieren. Ein Landwirt, der sich aufmacht, die gesellschaftlichen Erwartungen zu erfüllen, muss etwas dafür zurückbekommen. Die Kontinuität in der Finanzierung der Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen ist das A und O.

Unter den Mitgliedstaaten: Wer sind die Treiber, wer die Bremser in der GAP-Reform?

Plagge: Deutschland war lange nicht positioniert, so langsam entwickelt sich Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner aber zu einer Vertreterin einer etwas progressiveren GAP- Reform, zum Beispiel im Hinblick auf ein Mindestbudget für die Eco-Schemes. Damit gesellt sie sich zu einer Gruppe von Ländern wie Frankreich, den Niederlanden, Schweden, Dänemark und ein paar anderen, die versuchen wollen, den Wettbewerb nach unten in der grünen Architektur zu verhindern.

Am ambitioniertesten sind die Niederländer, für die ziemlich klar ist, dass sie die Direktzahlungen schrittweise abschmelzen und die freiwerdenden Gelder in mehr Wasser- und Tierschutz investieren wollen. Eine solche Klarheit vermisse ich in der deutschen Position.

Wie arbeiten Sie in der IFOAM EU-Gruppe zur GAP?

Plagge: Zum einen, indem wir seit einem Jahr einen zentralen GAP-Ausschuss der EU-Kommission leiten, die Gruppe für den zivilen Dialog. Wir versuchen, hier anders zu arbeiten als bisher, indem wir alle Gruppen, die Umweltbewegung, die Handels- und die Industrieverbände und die Bauernverbände, dazu auffordern, sich ernsthaft mit konkreten Umsetzungs- und Verbesserungsvorschlägen zum Vorschlag der EU Kommission auseinanderzusetzen. Da sehen wir uns als IFOAM EU-Gruppe ganz bewusst als Brückenbauer zwischen den unterschiedlichen Interessen.

Wir haben die Vision, die europäische Landwirtschaft bis 2030 zumindest zu 50 % zu ökologisieren. Dieses Ziel werden wir nur erreichen, wenn wir Mitstreiter in allen gesellschaftlichen Gruppen gewinnen. Zum anderen sind wir ja ein großes Team in der Farmers Group, das sich mit der GAP beschäftigt. Wir sprechen kontinuierlich mit den neuen und alten Abgeordneten, aber vor allem auch mit den Vertretern der Mitgliedstaaten in Brüssel. Dabei versuchen wir den Erkenntnisprozess zur Frage zu stärken: Was ist notwendig, damit die Landwirtschaft 2030 einen substanziellen Beitrag für den Erhalt der Lebensgrundlagen leisten kann?

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