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Interview

Ökobauer über Wandel: „Vertrauen ist unser größtes Kapital“

Konventionelle und ökologische Landwirtschaft nähern sich an. Wo bleibt da der Unterschied? Was macht den Ökolandbau im Kern aus, wo können Konventionelle von ihm lernen?

Lesezeit: 8 Minuten

Ende April demonstrierten Öko-Landwirte vor einem Öko-Supermarkt mit der Frage, warum der statt ihrer alterntigen Kartoffeln lieber neue aus Ägypten anbietet. Dieses Beispiel zeigt neben anderen, dass der vormals tiefe Graben zwischen "Ökos" und "Konvis" kleiner wird: Man hat auf einmal ähnliche Probleme, sogar in der Vermarktung. Auch in der Produktion gibt es gemeinsame Anknüpfungspunkte, die sich in Begriffen wie "Hybridlandwirtschaft" spiegeln: das Beste aus zwei Welten und eben auch aus dem Ökolandbau.

Herr Lötzke, wo liegen aus Ihrer Sicht die künftigen Herausforderungen des Ökolandbaues?

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Lötzke: Viele würden sagen: Kupfer oder neue Züchtungsmethoden. Beide sind zweifellos He-rausforderungen, ja sogar heiße Eisen. Für mich ist die größte Baustelle jedoch der Boden. Was wissen wir denn über Bodenleben, Wurzel oder Rhizosphäre? Wie können wir das, was wir wissen, praktisch noch besser nutzbar machen? Wie können wir angesichts der Trockenheit das Aneignungsvermögen für Wasser und Nähstoffe verbessern oder die Widerstandfähigkeit der Pflanze gegenüber Schaderregern steigern?

Die Frage, welchen Einfluss Mineraldüngung und Pflanzenschutz auf die Wurzel haben, wird zwar erforscht. Aus Sicht des Ökolandbaus wäre es aber wichtiger, zu erfahren, wie die Aktivität des Bodenlebens grundsätzlich positiv beeinflusst werden kann: Wie lässt sich das Zusammenspiel zwischen Boden und Kulturpflanze verbessern, die Nährstoffdynamik vorhersagen usw.? Solche Fragen wünsche ich mir viel stärker in der Forschung behandelt.

Der Ökolandbau ist hier auf Antworten viel stärker angewiesen als der konventionelle, weil er nicht nachträglich reparieren kann. Wenn der Weizen gelb wird, wird er gelb. Da kann ich weder mit Mineraldünger noch mit Pflanzenschutzmitteln reagieren. Der Ökolandbau ist generell und nicht nur beim Wasser darauf angewiesen, seine überall knappen Inputressourcen so effektiv wie möglich zu nutzen. Der grundsätzliche Unterschied ist, dass er auf vitalen Ökosystemen aufbaut, Kreisläufe schließt und vorsorgend wirtschaftet. Der Bodenfruchtbarkeit hat er deshalb immer schon viel Aufmerksamkeit geschenkt. Vielfältige Fruchtfolgen sind nichts, was wir noch lernen müssten.

Was können denn die „Konvis“ von Ihnen lernen?

Lötzke: Im Moment liegt das größte Interesse bei der mechanischen Unkrautbekämpfung. Da können wir sicherlich mit sehr vielen Erfahrungen aushelfen. Worüber ich aber bei solchen Gelegenheiten viel lieber spreche, ist der gedankliche Ansatz insgesamt. Viele Kollegen wollen einfach nur wissen, wie sie ein Herbizid durch die Hacke ersetzen können. Aber Unkrautregulierung ist mehr als der Einsatz von Stahl. Es ist Stoppelbearbeitung, Fruchtfolge, Saatzeitpunkt  …

Es macht doch keinen Sinn, mit dem Striegel siebenmal übers Getreide zu fahren, bis sich der Erfolg einstellt, weil man die anderen Einflussgrößen vernachlässigt oder schlicht das Wissen darum fehlt.

Ich beobachte, dass auch mancher Umsteller noch lange an seiner konventionellen Denkweise namens "große Fläche, hohe Schlagkraft, einfache Organisation" festhält, der alles untergeordnet wird. Und sich weniger Gedanken um das große Ganze macht.

Sie bewirtschaften einen vergleichsweise großen Betrieb mit Schwerpunkt Druschfrüchte und mit erstaunlich wenigen Mitarbeitern. Effizienz ist auch Ihnen nicht fremd.

Lötzke: Ja, aber sie mündet, so hoffe ich jedenfalls, nicht in ein lineares, eindimensionales Denken und Handeln. Mir macht tatsächlich Sorge, dass selbst in Öko-Betrieben die gesamtbetriebliche Perspektive zu leiden beginnt.

Eine Umstellung allein aus wirtschaftlichen Gründen, ohne vom System Öko überzeugt zu sein, ohne es zu leben, ist nicht verwerflich. Es ist auch nachvollziehbar, wenn jemand sein Produktionsprogramm allein an einem anonymen Markt ausrichtet. Sprich: was nachgefragt wird, wird angebaut. Nur sollte er sich dabei fragen, welche mittel- und langfristigen Folgen das für seinen Boden oder die Stabilität seines Betriebssystems insgesamt hat. Und vielleicht ist am Ende unterm Strich doch die Überzeugung gefragt!?

Höre ich leise Kritik an der „Supermarktisierung“ des Ökolandbaues?

Lötzke: Der LEH ist eine gute Möglichkeit, Bio-Lebensmittel einer großen Käuferschaft anzubieten. Es ist für Bio-Verbands-Betriebe eine neue Herangehensweise an das Thema Vermarktung. Diese Chance für mehr Wachstum birgt aber auch Risiken in sich.

Mit unserem Betrieb leben wir seit Jahrzehnten in einem regionalen Netzwerk von Partnern, Lieferanten und Abnehmern. Geschäfte finden auf Augenhöhe statt. Die Beteiligten wissen, dass die Erzeugung von Lebensmitteln auf dem Acker und im Stall stattfindet. Unser Konsumgetreide geht weitgehend an eine einzige Mühle, das meiste Futtergetreide an einen einzigen Geflügelhof. Von dem kommt der Hühnertrockenkot wieder zurück. Die 20 % Kleegras verfüttern wir an die eigenen Rinder oder geben es an Kooperationsbetriebe im Tausch gegen Mist ab.

Eine solche Kreislaufwirtschaft als kurze Kette funktioniert, solange es kleine oder mittelständische Abnehmer und deren Kunden gibt. Neben der Umstellung von Betrieben sind für das Wachstum des Ökolandbaues die Weiterentwicklung der Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen und eine verstärkte Verbraucheransprache entscheidend. Ziel sollte es sein, neue kurze Wertschöpfungsketten aufzubauen. Diese können gern alle Absatzkanäle bedienen – auch die Supermärkte. Wenn aber am Ende der LEH und die großen Verarbeiter die Regie übernehmen, dann – fürchte ich –, kippt das System.

Dem Ökolandbau werden gern die geringeren Erträge vorgehalten. Rechtfertigen diese die höheren Preise und die öffentliche Unterstützung?

Lötzke: Der Ökolandbau hat großes Interesse daran, die Ertragsfähigkeit dauerhaft zu steigern und zu stabilisieren, ohne dabei die eigenen Grundsätze zu verletzen. Aber mit Minderertrag allein lässt sich kein höherer Preis und keine staatliche Unterstützung rechtfertigen.

Mit dem Weglassen von Mineraldünger und Pflanzenschutzmitteln schon, weil das neben anderem in eine objektive Umweltleistung mündet. Mir und auch uns als DLG-Ausschuss ist wichtig, dass wir Artenvielfalt, Tierwohl und Nährstoffeffizienz ebenso hoch bewerten wie den Ertrag. Diese Ziele widersprechen sich teilweise. Aber im Ökolandbau tarieren wir sie sorgfältig aus oder versuchen es zumindest. Die Ökologie allerdings ist anders als das Produkt nicht in Euro zu messen.

Exklusiv ist im Ökolandbau die Kombination aus Produktionssystem, regionaler Kette und durchgehender Zertifizierung, die das Kundenvertrauen absichert. Solange diese Aspekte dem Kunden glaubhaft vermittelt werden, ist dieser bereit, höhere Preise für Bio-Lebensmittel zu zahlen.

Der Abstand in der Ertragshöhe zwischen den Anbauformen wird mit der zunehmenden Ökologisierung der Landwirtschaft insgesamt und dem Einzug veränderter Strukturen auch in den Ökolandbau zwangsläufig kleiner. Wie er sich angesichts dieser Situation entwickeln wird, kann ich Ihnen nicht vorhersagen. Ich weiß nur, dass er anders aussehen wird als heute. So wie er auch vor 24 Jahren, als ich hier anfing, anders ausgesehen hat.

Jeder Öko-Betrieb bekommt Prämien aus der zweiten Säule, ohne dass er irgendetwas konkret umsetzen muss. Der konventionelle Kollege muss für die vielleicht gleiche Leistung Himmel und Hölle in Bewegung setzen. Was macht er falsch?

Lötzke: Grundsätzlich muss sich ein Betrieb an die Vorgaben der EU-Bio-Verordnung halten und ein Kontrollzertifikat vorlegen können, um in den Genuss der Öko-Förderung aus der zweiten Säule zu kommen! Diese Zahlungen sind gerechtfertigt, denn der Ökolandwirtschaft wird damit indirekt attestiert, eine höhere Artenvielfalt bei der Ackerflora und bei Insekten zu erreichen.

Sie "produziert" eine höhere Bodenfruchtbarkeit und sorgt u. a. über die flächengebundene Tierhaltung für weniger Stickstoffeinträge in Gewässer. Ich würde die Frage aber anders stellen. Für mich besteht der Fehler darin, dass das bisherige Fördersystem nur auf die Einhaltung von Verordnungen zielt und nicht die erbrachten Leistungen bewertet!

Auch Öko-Betriebe möchten am liebsten unabhängig sein von den öffentlichen Zahlungen. Wir sind ja stärker noch als jeder Konventionelle abhängig von ihnen. Ein Politikwechsel mit Kürzungen in der zweiten Säule, und schon ist viel Geld über die gesamte Betriebsfläche hinweg fort. Wir mussten erleben, dass "mal eben" 40.000 € im Jahr fehlten. Ist es möglich, öffentliche Leistungen gerecht zu entlohnen?

Punktesysteme für öffentliche Leistungen honorieren nicht das Gesamtsystem, sondern einzelne Leistungen wie extensive Bewirtschaftung, Fruchtfolge oder Biodiversitätsanteil. Wären solche gleichen Spielregeln auch für einen Ökolandwirt akzeptabel?

Lötzke: Warum nicht? Auch in einem solchen System würden die meisten Ökobetriebe besser entlohnt werden als die konventionellen, was ihrer Leistung entspricht. Das Schöne ist, dass wir solche Fragen heute unabhängig von Öko oder konventionell überhaupt diskutieren können, in den Verbänden, aber auch und gerade in der DLG.

Die Zukunft der Prämien wird uns in den nächsten Jahren stark beschäftigen. Ich bin kein Verbandsfunktionär, also kann ich geradeheraus sagen: Leistungen für die Gesellschaft gehören belohnt, egal ob sie vom ökologisch bewirtschafteten Betrieb oder vom konventionellen kommen.

Die Fragen stellte Thomas Preuße Mehr dazu: www.dlg.org/de/landwirtschaft/themen/pflanzenbau/oekolandbau

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