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Warum die Biolandwirtschaft die Regulierung der neuen Gentechnik braucht

Neue Superpflanzen gegen den Klimawandel – oder das Ende der gentechnikfreien Landwirtschaft in Europa? Warum sich die Bio- Branche für die Regulierung der neuen Gentechnik einsetzen muss.

Lesezeit: 6 Minuten

Gastbeitrag von Dr. Eva Gelinsky und Stefanie Hundsdorfer, Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit (IG Saatgut). Der Bericht ist zuerst erschienen im bioland-Fachmagazin für ökologischen Landbau 10/2020.

Dürre, Hitze, Starkregen, neue Schädlinge und Krankheiten: Die Landwirtschaft steht angesichts der Klimakrise vor gewaltigen Herausforderungen. Seit 1980 ist die Temperatur in Deutschland um 1,5 Grad angestiegen. In Mitteleuropa herrscht bereits ein Klima, das noch vor kurzer Zeit für 2050 prognostiziert worden war.

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Auch die starken Schwankungen von Jahr zu Jahr und die Häufung von Extremwetterereignissen machen die Anbauplanung für Betriebe zunehmend kompliziert. Der Deutsche Bauernverband, die großen Agrarkonzerne, Wissenschaftsinstitutionen und auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner propagieren technische Innovationen als Lösung.

Mit Hilfe von neuen gentechnischen Verfahren wie zum Beispiel CRISPR/Cas sollen Pflanzen entwickelt werden, die mit Trockenheit besser zurechtkommen und mit neuen Resistenzen gegen Krankheiten und Schädlinge ausgestattet sind.

Damit auch europäische Unternehmen diese Pflanzen entwickeln und vermarkten können, soll, so die Forderung, das europäische Gentechnikrecht so geändert werden, dass die neuen Gentechnikverfahren nicht mehr reguliert werden. Die veränderten Pflanzen könnten dann – möglichst schnell – ohne Risikobewertung und Zulassungsverfahren auf den Markt kommen, es gäbe weder Rückverfolgbarkeit noch Transparenz.

Kennzeichnung elementar

Dass dieser Forderung tatsächlich Taten folgen sollen, zeigen die Entwicklungen auf EU-Ebene. In Brüssel werden bereits Vorbereitungen für eine Änderung der Gentechnikgesetzgebung getroffen. Im November vorigen Jahres hat der Rat die Kommission aufgefordert, bis Ende April 2021 eine Studie über den Status der neuen gentechnischen Verfahren im Rahmen des Unionsrechts vorzulegen. Es ist davon auszugehen, dass die Veröffentlichung konkrete Vorschläge zur Deregulierung der neuen gentechnischen Verfahren enthalten wird.

Welche Folgen hätte eine Deregulierung für den Biolandbau und die gentechnikfrei arbeitende Züchtung, Land- und Lebensmittelwirtschaft? Die (Wahl-) Freiheit, gentechnikfreies Saatgut und Lebensmittel zu produzieren, wäre grundsätzlich bedroht. Denn die gentechnische Veränderung der betreffenden Pflanze wäre nicht mehr kennzeichnungspflichtig, Verfahren zum Nachweis müssten nicht vorgelegt werden.

Weiträumig könnten Verunreinigungen um sich greifen, die nicht mehr kontrollier- oder nachvollziehbar wären. Die Zukunft der gentechnikfrei arbeitenden (Bio-) Land- und Lebensmittelwirtschaft steht derzeit also grundsätzlich auf dem Spiel.

Doch nicht nur das. Mit einer Deregulierung wäre auch der dringend erforderliche Umbau der europäischen Landwirtschaft bedroht, zu dem der Bio-Sektor viel beizutragen hat. Wichtige alternative Entwicklungspfade wie die Bio-Züchtung wären, wenn überhaupt, nur noch mit einem sehr hohen (Kosten-)Aufwand durchführbar. Auch würde mit den neuen gentechnischen Verfahren wie CRISPR/Cas ein Agrarmodell fortgeschrieben, das viele der Probleme, mit denen die Landwirtschaft heute konfrontiert ist, selbst geschaffen hat. So zählt die industrialisierte Landwirtschaft nicht nur zu den großen Emittenten von Treibhausgasen; sie trägt auch zur Bodendegradation bei und ist für den massiven Einsatz von Pestiziden und den Verlust der (Agro-)Biodiversität verantwortlich.

Auch wurde die Patentierung von Pflanzen, die inzwischen auch die konventionelle Züchtung betrifft, erst mit der Gentechnik durchgesetzt. Dass die neue Gentechnik das bestehende Agrarmodell weiter festigen und allenfalls nur kosmetisch „grüner“ machen wird, zeigt sich zum einen dadurch, dass Verfahren wie CRISPR/Cas eine regelrechte Patentierungswelle ausgelöst haben. Davon profitieren vor allem jene Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf der Nutzung geistiger Eigentumsrechte aufgebaut ist.

Zum anderen lohnt sich ein Blick auf die neuen Gentechnikpflanzen, die bereits kommerziell angebaut werden oder in naher Zukunft auf den Markt kommen sollen. Haben sie Eigenschaften, die Bäuerinnen und Bauern bei der Bewältigung des Klimawandels helfen könnten?

Fragwürdige Züchtungsziele

Die erste Pflanze, die mit Hilfe der neuen Verfahren entwickelt wurde und seit 2015 in den USA angebaut wird, ist ein herbizidresistenter Raps. Im Jahr 2018 folgte, erneut in den USA, eine Sojasorte, deren Öl weniger der als gesundheitsschädlich geltenden Transfettsäuren enthält. Seit diesem Jahr ist das Öl auf dem US-amerikanischen Markt als „Premiumprodukt“ zu einem stolzen Preis auch für Endkonsumenten erhältlich.

Die erste mittels CRISPR/Cas entwickelte Pflanze auf dem Markt wird vermutlich ein Mais sein, dessen Stärkezusammensetzung verändert wurde. Die Maisstärke ist für industrielle Verarbeitungszwecke vorgesehen.

Diese Liste ließe sich fortsetzen. Klar wird, dass hier an Eigenschaften gearbeitet wird, für die es eine zahlungskräftige Nachfrage gibt. Neben Eigenschaften wie der Herbizidresistenz, die es erlauben, das Saatgut im Paket mit der dazugehörigen Agrarchemie teuer zu verkaufen, geht es um angeblich gesündere Lebensmittel für Verbraucher und Verbraucherinnen in den reichen Industrienationen oder Stoffe für die verarbeitende (Lebensmittel-) Industrie.

Zwar wird auch an trocken- und stresstoleranten Pflanzen gearbeitet. Ob solche Pflanzen jedoch jemals Marktreife erlangen und sich im Anbau bewähren werden, ist fraglich. Denn die gewünschten Eigenschaften beruhen in vielen Fällen nicht auf einzelnen DNA-Abschnitten, sondern gehen aus einem komplexen Zusammenspiel vieler Gene, der Umwelt der Pflanzen und unterschiedlicher Steuerungsmechanismen hervor.

Konventionelle Züchtungsverfahren sind bisher erfolgreicher, Pflanzen mit derart komplexen Eigenschaften zu erzeugen. Mit gentechnisch veränderten „Superpflanzen“, die den Bäuerinnen und Bauern schon vor mehr als 30 Jahren versprochen wurden, ist weiterhin nicht zu rechnen. Anstatt auf gentechnische Lösungen zu hoffen und weiterhin viel Geld in die Gen- und Biotechnologie zu investieren, sollten mehr finanzielle Mittel für vielfältige und lokal angepasste Ansätze von Züchtung und Landwirtschaft bereitgestellt werden, welche die biologische Vielfalt, die Bodengesundheit und damit das gesamte Agrar-Ökosystem stärken.

Diese werden beispielsweise in der ökologischen und partizipativen Pflanzenzüchtung, in der agrar-ökologischen Forschung und im Ökolandbau bereits erfolgreich praktiziert. Sie entwickeln die Innovationen, die wir zur Bewältigung der ökologischen und sozialen Krisen unserer Zeit wirklich benötigen.

Um aber überhaupt an diesen Alternativen arbeiten zu können, ist die Regulierung der neuen gentechnischen Verfahren unbedingt beizubehalten. Hierfür sollten sich die Bio- Verbände, Züchter, Landwirte, Lebensmittelverarbeiter, der Biohandel und Verbraucher in den nächsten Wochen lautstark einsetzen.

Tipp

Werfen Sie einen Blick in die Broschüre der Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit. Sie erklärt die neuen gentechnischen Verfahren und informiert über nach wie vor gute Gründe, für eine gentechnikfreie Landwirtschaft einzutreten:

Hinweis: Gastkommentare geben nicht in allen Bereichen die Meinung der Redaktion wieder. Wir veröffentlichen sie dann, wenn wir sie für einen interessanten Diskussionsbeitrag zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft halten. Wie stehen Sie dazu? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar unten.

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