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topplus Legende vom Systemvorteil

Wenn die „Konvis“ ökologischer werden ...

... dann erreichen sie viele Klima- und Umweltziele, für die der Ökolandbau bisher ein Monopol beansprucht. Damit wackeln dessen Subventionen.

Lesezeit: 6 Minuten

Ökolandbau kann einfach alles – meinen jedenfalls seine überzeugten Vertreter: Er garantiere nicht nur eine gesunde Ernährung, sondern sei auch die Antwort auf Umweltprobleme und auf den Klimawandel.

100 % Öko sei keine Utopie, sondern selbst im Weltmaßstab umzusetzen. Das ist eine schöne Geschichte. Doch die Wahrheit ist es nicht.

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Drei blinde Flecken

Der große "Spielverderber" ist das niedrigere Ertragsniveau des Ökolandbaues. Auch wenn man den Abstand wohlwollend mit nur 25 % annimmt (in den Hochertragsregionen dürften es eher 50 % sein), dann erlauben es die heutigen Ernährungsgewohnheiten nicht, eine wachsende Weltbevölkerung flächendeckend mit Öko-Produkten zu versorgen. Dieses Manko wird gern mit dem Hinweis abgeräumt, die heutige – ungesunde, fleischlastige – Ernährung könne kein Maßstab sein.

Selbst wenn das – schnipp, schnapp – gelöst wäre, gibt es noch einen zweiten und dritten relevanten Punkt. Die Umweltleistung (bzw. der Grad der geringeren Umweltbelastung) ist im Ökolandbau regelmäßig dann gut, wenn sie auf die Fläche bezogen wird. Kritischer wird es, wenn das erzeugte Produkt der Maßstab ist.

Über den dritten Punkt reden die Öko Vertreter meist sehr ungern. Krankheiten und Schädlinge sehen nämlich keine Systemunterschiede. Bei aller "Systemresilienz" sind es gerade die besonders lukrativen Intensivkulturen, die hier wie dort besonders geschützt werden müssen: Kartoffeln, Obst, Gemüse, Reben.

Tragende Säule im Ökolandbau ist nach wie vor und trotz aller Reduktionsbemühungen das Kupfer. Persistenz und Toxizität machen es in der EU zum Substitutionskandidaten mit verkürzter Zulassung nur bis 2025. Alternativen sind nicht in Sicht. So könnte passieren, was im Zusammenhang mit dem Ökolandbau (z. B. im Zuge der EU-Ökoverordnung) schon öfter passiert ist: Es werden eher die Regeln dem Produktionsverfahren angepasst als umgekehrt. Sprich: Das Kupfer wird von der zuständigen EU-Behörde EFSA möglicherweise neu bewertet.

Es sind solche aus politischem Antrieb ("mehr Öko") forcierten unterschiedlichen Maßstäbe, die einem entspannten Umgang von Öko und konventionell manchmal entgegenstehen.

Hoffnungsträger Züchtung

Eine verbindende Klammer gibt es: die Pflanzenzüchtung. Vor ein paar Jahren hatte eine Idee dazu die Öko-Branche geradezu erschüttert: Gerade sie müsse sich neuen Züchtungsmethoden wie CRISPR/Cas öffnen, um ihren notorischen Ertragsrückstand aufzuholen, meinte Urs Niggli, bis 2020 Direktor des Forschungsinstitutes für biologische Landwirtschaft (FiBL).

Was der Schweizer Professor dabei unterschätzt hatte, war die eher kulturell geprägte Grundhaltung weiter Teile der Öko-Branche. Viel Beifall gab es von der falschen Seite (also den Konventionellen), aber überwiegend starke Ablehnung im eigenen Lager. Mittlerweile spricht auch Niggli nicht mehr davon.

Im Gegenteil: Die "Ernährungsrevolution" sieht er im konventionellen Bereich. Der biologische Landbau habe eher weniger Entwicklungspotential, sagte Niggli im März 2021 einer Schweizer Zeitung. Zu festgefahren seien die nationalen und internationalen Vorschriften der Bio-Labels, zu komplex die Verträge, als dass da irgendeine Revolution wie die Zulassung gentechnisch veränderter resistenter Sorten möglich wäre.

Ökologisierung statt Öko?

Ein Ziel von 100 % Öko hält auch der Kieler Pflanzenbau-Professor Friedhelm Taube für falsch. Vor ein paar Jahren hatte er sogar für "besser 100 % Ökologisierung als 20 % Ökolandbau" plädiert: Die Werkstattfunktion des Ökolandbaues gerate mit dessen Konventionalisierung in Gefahr.

Heute argumentiert Taube im Einklang mit Kolleg(inn)en, man solle den Ökolandbau bis zum Ziel von 20 % fördern, solange es keine überzeugenden alternativen Politiken zum Schutz der Umweltgüter gebe. Gleichzeitig müsse man aber u. a. wegen der geringeren Flächeneffizienz des Ökolandbaus die konventionellen Systeme deintensivieren und diesen damit eine erhöhte Öko-Effizienz sichern.

Solche Hybridsysteme seien über Nachhaltigkeitsbewertungen zu zertifizieren und entsprechend (z. B. über Gemeinwohlprämien) zu honorieren.

Die Legende vom Systemvorteil

Beide Professoren, Niggli wie Taube, kommen aus dem Pflanzenbau, sind naturwissenschaftlich "grundiert". Aber geht es bei der Frage "Öko oder Ökologisierung" wirklich um Naturwissenschaft? Dann würde man kein Schwarz und Weiß erkennen, sondern eher Grautöne.

Der Ökolandbau begründet seine Aussagen gern mit Studien, die angeblich eine systembedingte Überlegenheit erkennen lassen. Schaut man aber tiefer hinein, so treten als Ursachen von Unterschieden eher die Agrarstruktur (im Falle der Biodiversität) oder die nicht vorhandene Gülleentsorgung (im Fall der N-Auswaschung) zutage.

Viel eher als vom System hängt es vom einzelnen Betriebsleiter ab, wie viel Tierwohl, Biodiversität oder N-Auswaschung realisiert wird. Nicht grundsätzlich das "System Bio" begründet Umweltvorteile, sondern einzelbetrieblich die "Realität Bio".

Was spricht dagegen, dass ein konventioneller Betrieb in einer abwechslungsreich strukturierten Landschaft mit einem der Fläche angepassten Viehbesatz nicht ähnliche Umweltleistungen erzielen kann wie ein gleichgelagerter Bio-Betrieb? Warum soll umgekehrt in einer Bio-Großgeflügelhaltung das Tierwohl oder in einem reinen Bio-Ackerbaubetrieb in ausgeräumter Landschaft die Biodiversität wesentlich besser sein? Immerhin, die Öko-Verbände haben die Gefahr erkannt und stellen eigene Anforderungen an Tierwohl und Biodiversität.

Öko kann eben nicht von Natur aus alles

Es liegt der Verdacht nahe, dass mithilfe eines politisch und medial glänzenden Heiligenscheins Subventionsvorteile zementiert werden sollen. Bios, das sind – systembedingt – die Guten. Und sie verdienen jede Unterstützung. Was hinter dem Schlagwort vom System im Einzelfall steckt und was dabei herauskommt, interessiert nur wenige. Wichtig ist, dass Abläufe und womöglich Ergebnisse zertifiziert sind und damit Vertrauen geschaffen wird.

Eine konventionelle Landwirtschaft, deren Umweltleistungen sich nicht zu weit weg von denen der "Bios" bewegen, könnte das auch. Passende Nachhaltigkeits-Zertifikate gibt es (unter anderem von der DLG) schon lange. Eine derartige ökosoziale konventionelle Landwirtschaft wäre gesamtgesellschaftlich gesehen der bessere Weg, weil sie über die höheren Erträge viel effizienter ist. Es geht dabei weniger um höhere Preise, die sich damit sicherlich nicht durchsetzen lassen, als um eine gerechte Entlohnung nachvollziehbarer öffentlicher Leistungen, die auch konventionelle Betriebe zunehmend anbieten.

Punktesysteme wären gerechter

Schon länger steht die Idee der Punktesysteme im Raum, in denen ökologische und konventionelle Betriebe die gleichen Chancen haben. Das würde aber der bislang voraussetzungslosen Öko-Förderung im Rahmen der zweiten Säule ihren Sonderstatus nehmen.

Vielleicht ist auch dies, nicht nur ihre höhere Komplexität, ein Grund, warum sich die Punktesysteme so schwertun: Vielen Agrarpolitikern geht es weniger um die konkreten Umweltwirkungen, sondern um Wachstumsraten des Ökolandbaues, die sich als Erfolgsmeldungen verkaufen lassen und die nicht hinterfragt werden.

Mit ihnen wächst aber auch die Notwendigkeit zusätzlicher Subventionen. Umgekehrt vermindern sich die Möglichkeiten, Umweltverbesserungen in der Breite der Landwirtschaft zu fördern. Es wird Zeit, den Sonderstatus des Ökolandbaus zu hinterfragen.

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