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Bioland

Werkzeug statt Wunderlösung: Digitalisierung kann Naturschutz

Die Digitalisierung in der Landwirtschaft ist nicht per se umweltschädlich oder -fördernd. Sie vereinfacht aber die Planung, Durchführung, Dokumentation und den Nachweis von Umweltschutzmaßnahmen.

Lesezeit: 6 Minuten

Ein Bericht von Jonas Klein, zuerst erschienen im bioland-Fachmagazin 11/2019:

Mit einem GPS-gesteuerten Traktor und automatischen Hacksystemen die Umweltleistung verbessern? Ob das gelingt, hängt letztlich von der Ausrichtung des Betriebs und den angebotenen Umweltprogrammen ab. Die Digitalisierung ist nicht per se gut oder schlecht für die Umwelt. „Ich kann sinnvolle Dinge damit machen, wenn ich Agrarumweltmaßnahmen und Vertragsnaturschutz umsetze“, erklärte Dr. Gert Berger vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V., der in der Arbeitsgruppe „Bereitstellung von Ökosystemleistungen in Agrarsystemen“ arbeitet.

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Beispiel Ertragspotenzialkarten. Damit kann der Landwirt Wirtschaftsdünger und Spurenelemente gezielt düngen. So lassen sich nährstoffarme Teilbereiche eines Schlags aufdüngen, was zu einer Nivellierung des Standorts führt – für die Biodiversität ist das eher nicht gut. Genauso kann der Landwirt unproduktive Flächen aber auch gezielt ausmagern, um Biotope zu schaffen. Die Entscheidung hängt letztlich vom Ziel der Bewirtschaftung und davon ab, ob entsprechende Umweltprogramme genutzt werden können.

Auch abseits der Düngestrategie bietet die Schlagkartierung Möglichkeiten für den Naturschutz, etwa in Agrarlandschaften mit vielen Kleingewässern und Amphibien. Die Mehrzahl der Amphibienarten wandert von ihrem Winterquartier ins Gewässer, um sich zu vermehren, und zieht dann weiter in die Sommerlebensräume.

Wird im Frühjahr der Boden intensiv bearbeitet, etwa vor der Maissaat, trifft das mit der Amphibienwanderung zusammen. „Das kann zu Verlusten bis zu 90 Prozent der Amphibien in diesem Bereich führen“, erklärt Berger. Hält man mit Umweltfachleuten zusammen die Wanderwege der Tiere fest, kann man diese Zonen kartieren und sie bei der Bewirtschaftung mit GPS-gesteuerten Maschinen aussparen.

Anders, aber genauso wirkungsvoll, können etwa Kiebitznester bei der Bearbeitung geschützt werden: Sensoren am Traktor erfassen das Umfeld quasi in Echtzeit. Während der Bodenbearbeitung erkennt die Maschine selbstständig das Kiebitznest und hebt die Hacke oder ein Bodenbearbeitungsgerät an. „Wir haben das schon per Wärmebildkamera versucht“, berichtet Berger. Das System habe nur dann gut gearbeitet, wenn das Nest warm und der Boden kühl war.

Solche und andere Maßnahmen werden idealerweise über Agrarumweltprogramme gefördert. Doch dann beginnt eine umfassende Büroarbeit. Der Landwirt muss gegenüber der Behörde nachweisen, dass er die Bodenbearbeitung in den Wander- und Nistzonen der Tiere ausgesetzt hat. Auch dabei kann moderne Technik helfen. Die Maschine dokumentiert die Bearbeitung automatisch und sendet die Daten ans Amt. Das spart Zeit für Bewirtschafter und Behördenmitarbeiter. Freilich ist das noch Zukunftsmusik.

Doch es gibt schon Beispiele für papierlose Kontrollen: Wissenschaftler am ZALF entwickeln zurzeit die Umweltschutz-App „NatApp“. Mit ihrer Hilfe soll es gelingen, kleinflächige Stilllegungen (ÖVF) einfach und trotzdem für den Naturschutz wertvoll zu bewirtschaften. Auf dem Acker stehen beispielsweise Wildkräuterstreifen. Einer, der oft, einer, der wenig geschnitten wird, und einer, der stehen bleibt. Die App gibt eine Anleitung, was wann gemacht werden muss, und übermittelt Bilder der Bewirtschaftung zur Dokumentation ans Amt.

Mehr Artenvielfalt durch Technik

Auch beim Mischanbau in Streifen kann die moderne Technik genutzt werden. Mithilfe exakter Fahrspuren kann der Landwirt auf derselben Fläche zweimal säen, etwa Mais und Ackerbohnen in Streifen. So erhält man mehr Diversität auf dem Acker. Blickt man etwas weiter in die Zukunft, könnten kleine Feldroboter die Unkräuter mechanisch kontrollieren – und dabei seltene Ackerwildkräuter sogar stehenlassen. Dem Roboter würde man dann vermitteln: „Spare Kraut XY aus, das ist ein wichtiges Beikraut und ein Beitrag zur Artenvielfalt.“ Berger hält es für möglich, dass die Technik Kräuter wie Acker-Schwarzkümmel und Lämmersalat in Zukunft automatisch erkennt, selektiv stehenlässt und dies gleichzeitig dokumentiert, etwa für das Agrarumweltprogramm.

System spart Menschen

Sensoren erfassen draußen die Lage: Wie feucht ist der Boden? Mit welcher Geschwindigkeit fegt der Wind über die Flur? In welchem Wachstumsstadium befinden sich Kultur und Kräuter? Solche Sensoren gibt es schon heute. In einer Zukunftsvision könnte eine künstliche Intelligenz diese Signale zusammenführen, der Landwirt muss auf die Bitte des Systems zum automatisierten Hacken nur noch sein „Okay“ geben und die Flotte fährt los.

„Dann braucht man noch einen oder zwei Techniker, die die Flotte warten; aber viele Mitarbeiter, die die Feldtechnik bedienen, benötigt man nicht mehr“, erläutert Berger. Arbeiten wie Hacken wird man dann fast nicht mehr von Menschen erledigen lassen. Die Maschine ist präziser, schneller und unermüdlich. Das System erkennt problematische Areale, zum Beispiel feuchte Stellen im Feld, selbstständig und passt die Bewirtschaftung an. Eine angenehme Vorstellung, wenn im Betrieb Arbeitskräfte knapp sind, und eine sonderbare Vorstellung, wenn von mehreren hundert oder auch tausend Hektar nur wenige Personen samt Roboterflotte leben.

Einstieg für Kleinbetriebe

Die Digitalisierung muss aber nicht mit der Automatisierung des Betriebs auf die Spitze getrieben werden. Hier und dort gibt es auch für Kleinbetriebe sinnvolle Ergänzungen des Betriebsablaufs. Beispielsweise bei der Zusammenarbeit mit Lohnunternehmern. Viele können laut Berger das Ertragspotenzial eines Ackers etwa in fünf Stufen auf einer Karte zusammenfügen. Das ist einfach, quasi fast ein Nebenprodukt des Mähdruschs.

„Die Verwendung kleiner Apps würde ich empfehlen“, sagte Berger. Hier gibt es Lösungen, die exaktes Fahren auf dem Feld per GPS ermöglichen. Man muss ein Korrektursignal empfangen und ein Anbauteil für den Traktor kaufen, damit kann man etwa auf zwei Zentimeter genau fahren. Die Ausrüstung kann der Landwirt von Maschine zu Maschine mitnehmen und ist nicht gebunden. „Field Bee – Navigieren ohne Terminal“ nennt sich eine von Berger genannte App vom niederländisch/ukrainischen Unternehmen eFarmer. Bei Interesse kann man die App aufs Smartphone oder Tablet laden, der GPS-Empfänger für die Korrektursignale ist auf www.fieldbee.com erhältlich.

Alles im Zeichen des Umweltschutzes?

Treiber der Digitalisierung sind ökonomische Interessen des Landwirts: schneller, genauer, mehr Ertrag. Die Industrie bedient diese Interessen und damit einen riesigen Markt. Unter anderem am ZALF prüfen Wissenschaftler, ob sich die für die Produktion erarbeiteten technischen Lösungen für den Umweltschutz modifizieren lassen. Doch auch, wenn es digitalisiert abläuft: Der Schutz von Artenvielfalt und Grundwasser muss honoriert werden, etwa im Rahmen von Agrarumweltmaßnahmen oder einem „Umweltmarkt“, an dem Maßnahmen bepreist und gehandelt werden. Solange das nicht der Fall ist, wird es weiter nur um Produktion und Gewinnsteigerung gehen, sagt der Experte Berger: „Alles ist möglich, aber die Richtung der technischen Entwicklung hängt von den Interessen der Gesellschaft ab.“

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