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Pflanzenzucht

Wie entstehen Sorten für den Ökolandbau?

Aus den ökologischen Anbaubedingungen ergeben sich spezielle Anforderungen an die Züchtung. Das heißt aber nicht, dass Sorten für den Ökolandbau auch tatsächlich ökologisch gezüchtet werden müssen.

Lesezeit: 5 Minuten

Unser Autor: Prof. Dr. Thomas Miedaner, Landessaatzuchtanstalt Universität Hohenheim

Sorten, die im Ökolandbau verwendet werden, müssen vor allem robust und standortangepasst sein, da der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln und Mineraldüngern nicht erlaubt ist. Die Öko-Züchtung entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten als spezieller Zweig der Pflanzenzüchtung und führte bei vielen Kulturarten zu eigenständigen Sorten. Aber was machen die Ökos in der Züchtung eigentlich anders? Und wie bewähren sich Öko-Sorten in der Praxis?

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Seit 2012 gibt es die „Wertprüfung Ökologischer Landbau“ bei Getreide. Hier werden neue Weizen-, Gerste- und Hafersorten auf langjährig ökologisch bewirtschafteten Flächen im gesamten Bundesgebiet geprüft. Das heißt unter anderem, der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel und mineralischer Dünger entfällt.

Beim Weizen unterscheiden sich die geprüften Eigenschaften von der herkömmlichen Wertprüfung nur in drei Merkmalen: Bodendeckungsgrad und Massebildung in der Jugend (beide beschreiben die Unkrautunterdrückung einer Sorte) sowie der Feuchtklebergehalt. Wegen der in der Regel geringeren Stickstoffgehalte im Boden können hohe Feuchtklebergehalte im ökologischen Anbau nur mit den qualitativ besten E-Sorten erreicht werden.

Ein zusätzliches Merkmal, das in der ÖkoZüchtung berücksichtigt wird, ist die Resistenz gegen Brandkrankheiten, also Stein-, Hart- und Flugbrand. Ohne genetische Resistenzen kann kein Saatgut über mehr als ein Jahr ökologisch erzeugt werden.

Sehr viele Studien zeigen, dass es einen engen Zusammenhang zwischen der Leistung einer Sorte bei konventionellem und ökologischem Anbau gibt. Deshalb werden auch im Öko-Bereich viele konventionell gezüchtete Sorten angebaut. Das wäre nicht erfolgreich, wenn es diesen genannten engen Zusammenhang zwischen beiden Anbaubedingungen nicht gäbe. Nach einer groben Schätzung liegt der Marktanteil der konventionell gezüchteten Sorten im Ökolandbau bei Weizen derzeit bei ca. 70 bis 80 %.

Für die Öko-Züchter geht es aber nicht allein um die Sorte als Endprodukt. Sie legen auch großen Wert darauf, wie ihre Sorten entstehen. Das heißt, „ohne Gentechnik“, ohne Verfahren der Zell- und Gewebekultur, Protoplastenfusion oder die Doppelhaploiden (DH)-Techniken.

Bei einigen Anbauverbänden kommen zusätzlich noch Markertechnologien und die Hybridzüchtung hinzu. Letzteres ist ein großes Problem bei Mais, Roggen, Zuckerrüben und vielen Gemüsearten. Bei diesen Kulturen gibt es im konventionellen Bereich praktisch nur noch Hybridsorten. Hier soll die ökologische Züchtung neue Sortentypen entwickeln, die im Grunde genommen die alten sind, nämlich Populationssorten bei Fremdbefruchtern oder Sortenmischungen bzw. -vorstufen bei Selbstbefruchtern.

Zentrale Kriterien für einen Ausschluss von Zuchtmethoden sind dabei die „unteilbare Einheit von Genom und Zelle“ sowie der Erhalt der „natürlichen Reproduktionsfähigkeit“. Das sind die Normen der IFOAM (Internationale Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen).

Außerdem nehmen die Öko-Züchter, die zur biologisch-dynamischen Sparte gehören, für sich in Anspruch, auf andere Qualitäten, mehr Geschmack und nach „Form, Farbe und Substanz“ bzw. auf „Erhaltung und Stärkung des Lebenskräfte-Organismus der Pflanze“ zu selektieren. Ob dadurch tatsächlich ganz andere Sorten entstehen, sei dahingestellt.

Bunte Züchterlandschaft

Die immer wieder aufgeführten Gründe für die Notwendigkeit einer ökologischen Pflanzenzüchtung, nämlich die Konzentration der Züchtung bei wenigen multinationalen Konzernen und der Verlust an Diversität, spielen für Deutschlandeher eine geringe Rolle. Das unterstreichen die vielen mittelständischen Zuchtunternehmen und die Zahl an Zuchtprogrammen in Deutschland und Europa. So sind allein in Deutschland aktuell 157 Winterweizensorten zugelassen, hinzu kommen 42 ökologisch geprüfte Sorten (davon stammen 17 von ÖkoZüchtern) und 12 EU-Sorten für den ökologischen Anbau.

Aber natürlich wählen auch Öko-Bauern die jeweils besten Sorten aus, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Und das macht sich meist an Ertrag und Qualität fest und lässt beispielsweise alte Landsorten verschwinden. Dem versucht man mit der Regis­trierung von sogenannten „Erhaltungssorten“ entgegenzutreten.

Wie groß sind die Zuchtfortschritte?

Da sich die Öko-Züchter meist aus Spenden und Stiftungen finanzieren und ein Züchter mehrere Getreide- bzw. viele Gemüsearten bearbeitet, können sie mit den spezialisierten Zuchtprogrammen konventioneller Züchter nicht mithalten. Dass sie bei Weizen noch zusätzlich komplex vererbte Merkmale wie Unkrautunterdrückung und Brandresistenzenselektieren müssen, begrenzt zusätzlich den Selektionserfolg.

So ist es nur vernünftig, wenn die Öko-Züchter bei ihren Kreuzungen auch konventionell erzeugte Sorten einsetzen, um so indirekt von konventionellen Zuchterfolgen zu profitieren. Damit geraten sie allerdings mit ihren selbst auferlegten Prinzipien in Konflikt, was z. B. die Verwendung von Material angeht, das aus DH-Techniken stammt.

Auch wenn es inzwischen E-Weizensorten von Öko-Züchtern gibt, die unter ökologischen Bedingungen auf demselben Ertragsniveau liegen wie konventionell gezüchtete Sorten und eine geringere Lagerneigung aufweisen, wird der Zuchtfortschritt leiden, wenn die Öko-Züchter auf die (konventionellen) Quellen der genetischen Variation verzichten. Umgekehrt können konventionelle Züchter, die ihre großen Populationen zusätzlich einer Öko-Wertprüfung unterwerfen, direkt den Fortschritt aus dem konventionellen Bereich nutzen, was zu ihrer Marktdominanz auch im Öko-Bereich führt.

Fazit

Die ökologische Züchtung bietet Sorten mit etwas anderen Eigenschaftskombinationen an als die konventionelle Züchtung. Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch konventionell gezüchtete Sorten konkurrenzfähig wären. Zurzeit dominieren sie sogar den Öko-Markt. Da sie auf viel größeren Ausgangspopulationen beruhen, können sie auch seltene Merkmalskombinationen eher erreichen.

Die Öko-Züchter können indirekt den konventionellen Zuchtfortschritt nutzen, wenn sie die entsprechenden Sorten als Eltern mitverwenden. Ein Vorteil alternativer Sortentypen („heterogenes Material“) für die Produktivität ist bisher wissenschaftlich nicht belegt.

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