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Grüne-Agrarlandesrätin: Kompromiss um Vollspalten ist keine Lösung

Das Burgenland setzt auf Biolandwirtschaft und Tierwohl. Die mit der Herkunftskennzeichnungspflicht geschürten Ängste seien verantwortungslos, meint Grünen-Agrarlandesrätin Anja Haider-Wallner.

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Anja Haider-Wallner zog für die Grünen in die burgenländische Landesregierung ein. Sie ist als Landeshauptmann Stv. für die Agraragenden zuständig.

Im Regierungsprogramm ist ein Bodenschutzzentrum geplant, ebenso wie der Ausbau der Biofläche auf 50 % und mehr Vermarktungsmöglichkeiten für Landwirte.

Derzeit gibt es eine offene Klage des Landes gegen Vollspaltenböden in Kuhställen. Bei der Schweinehaltung werden neuerlich rechtliche Schritte überlegt.

Frau LH-Stv. Haider-Wallner, welche persönliche Verbindung haben Sie zur Landwirtschaft?

Haider-Wallner: Ich komme aus einer landwirtschaftlichen Familie. Beide Großeltern hatten Betriebe – mein Opa mütterlicherseits einen Weinbaubetrieb in Mattersburg, mein Opa väterlicherseits einen klassischen burgenländischen Subsistenzbetrieb in Marz. Dort gab es Schweine, Milchkühe, Hühner, Hasen, Ackerbau und Gemüsebau, unter anderem Süßmais, der auf Festen verkauft wurde. Damit bin ich aufgewachsen.

Das Burgenland plant, den Anteil der Biofläche auf 50 % zu erhöhen. Welche Maßnahmen sind dazu vorgesehen und wie werden Umsteller unterstützt?

Haider-Wallner: Derzeit sehen wir leider eine gegenteilige Entwicklung. Einige Betriebe wollen von bio auf konventionell umstellen, vor allem wegen der Marktsituation. Wir führen Gespräche mit betroffenen Betrieben, um herauszufinden, was sie brauchen, um beim Bioanbau zu bleiben. Der nächste Schritt ist die Erhöhung der Biofläche. Förderungen werden notwendig sein. Wichtig ist auch die Absatzmöglichkeit, etwa durch eine hohe Bioquote in Kindergärten und Schulen, die bei uns im Burgenland  auf 70 % steigen soll. So schaffen wir Absatz und Planungssicherheit für die Betriebe.

Wird es wieder eine Umstellerförderung geben?

Haider-Wallner: Im Moment gibt es keine, aber wir diskutieren darüber.

Die Biogenossenschaft des Landes soll Produkte vermarkten, was wird derzeit dort verkauft?

Haider-Wallner: Im Bauernladen der Genossenschaft in Eisenstadt sieht man als Konsument sehr gut das breite Sortiment. Es umfasst  Fleischprodukte, Gemüse, Obst und teils auch Hülsenfrüchte wie Kichererbsen. Das Konzept soll ausgebaut werden, um ein breites regionales Sortiment anzubieten. Die Großabnehmer sind Küchen für Kindergärten, Altenheime oder Schulen.

„Bis 2040 soll das Burgenland klimaneutral sein.“

Das Land will nicht nur Biolandwirtschaft, sondern auch Pestizide reduzieren. Wie soll das umgesetzt werden?

Haider-Wallner: Wir starten im Herbst mit einem Symposium zu Bodengesundheit und Humus, das auch Auftakt für ein landwirtschaftliches Forschungszentrum sein wird. Dort soll es um nachhaltige Landwirtschaft, Pestizidreduktion, Humusaufbau und klimawandelangepasste Kulturen gehen. Es ist wichtig, zukunftsfähige Lösungen zu finden, da wir im Burgenland besonders von Trockenheit und Extremwetter betroffen sind.

Welche Rolle spielt die Landwirtschaft in der Klimastrategie des Burgenlands?

Haider-Wallner: Bis 2030 soll das Burgenland bilanziell energieautark, bis 2040 klimaneutral sein. Die Landwirtschaft ist einerseits stark vom Klimawandel betroffen, trägt aber auch zu Emissionen bei. Sie kann aber auch Teil der Lösung sein, etwa durch CO2-Speicherung im Boden. Wir möchten Maßnahmen mit den Landwirten entwickeln und nicht von oben drüberstülpen.

Gibt es schon konkrete Förderungen im Rahmen der Klimastrategie?

Haider-Wallner: Wir bringen die Interessen des Burgenlands in die EU-Agrarförderungen ein und  bereiten mit den anderen Bundesländern die nächste GAP-Periode vor. Die Verhandlungen fürs nächste Budget starten im Herbst.

Sie sind die einzige Grüne in diesem Konsortium, wie haben Sie sich dort eingefunden?

Haider-Wallner: Es war eine neue Erfahrung, es gab eine lange Fraktionssitzung der ÖVP und eine recht kurze Sitzung der Agrarreferenten.

Ein großes Thema ist die Bewässerung im Burgenland, wie stehen Sie zum Vorhaben, Donauwasser in den Neusiedler See zu leiten?

Haider-Wallner: Wir geben demnächst eine Ökostudie in Auftrag, um die Auswirkungen verschiedener Maßnahmen zu erforschen. Da werden sämtliche Varianten und ihre ökologischen Folgen geprüft. Dann haben wir eine Basis, um eine Entscheidung zu treffen.

Welchen Zeitrahmen hat das Projekt Donau-Zuleitung?

Haider-Wallner: Wir rechnen in den nächsten zwei Jahren mit der Ökostudie und dann muss man noch eine Entscheidung treffen und die Planung machen. Es wird einige Jahre dauern.

„Es ist eine Lose-lose-Situation für Tierschutz und Betriebe.“

Wie steht es um Agrophotovoltaik im Burgenland?

Haider-Wallner: Agri-PV ist nur in ausgewiesenen PV-Zonen möglich. Für die Betriebe dort bietet Agri-PV die Chance, die Flächen doppelt zu nutzen. Beteiligungsmodelle und Energiegemeinschaften bieten auch Betrieben außerhalb der Zonen Möglichkeiten. Die bisherige Erfahrung zeigt: Es braucht eine gewisse Größe. Für kleine Betriebe ist die Umsetzung kaum zu stemmen.

Die Übergangsfrist für das Verbot der unstrukturierten Vollspaltenbucht ist jetzt fix. Sind Sie mit der Lösung zufrieden?

Haider-Wallner: Nein, zufrieden kann man nicht sein. 0,8 statt 0,7 m2 sind ja keine echte Lösung. In der neuen Regelung fehlt jedes Bekenntnis zu einer Weiterentwicklung des Haltungsstandards. Die Betriebe bekommen so erst recht keine Planungssicherheit. Aus meiner Sicht ist das zu wenig. Viele landwirtschaftliche Betriebe arbeiten bereits nach Tierwohl- oder Biokriterien und legen Wert darauf, dass es ihren Tieren gut geht. Für die Betriebe, die investiert haben oder noch Umstellungen vor sich haben, hätte ein besseres Gesetz mit konkreten, tierwohlorientierten Standards mehr Planungssicherheit gebracht. Es ist eine Lose-lose-Situation für Tierschutz und Betriebe.

Welche Maßnahmen wären Ihrer Meinung nach wichtig, um die Situation zu verbessern?

Haider-Wallner: Es braucht sicher viele Maßnahmen. Eine wichtige, für die ich mich schon als Politikerin in der Wirtschaftskammer eingesetzt habe, ist die Herkunftskennzeichnungspflicht in der Gastronomie. Leider hat sich in der ÖVP der Wirtschaftsbund gegenüber den Bäuerinnen und Bauern durchgesetzt, was zu deren Nachteil ist. Wenn man auf der Skihütte sieht, dass das Schnitzel aus den Niederlanden kommt oder die Eier für den Kaiserschmarrn aus Argentinien, dann wird das vielleicht nicht so gerne gekauft. Ich glaube, eine solche Kennzeichnungspflicht würde unserer Landwirtschaft sehr helfen. In der Schweiz gibt es das schon lange, ohne dass es ein Bürokratiemonster ist. Die Ängste, die da geschürt werden, sind eigentlich verantwortungslos gegenüber unseren Bauern und Bäuerinnen.

Wird es eine weitere Verfassungsklage zum Vollspaltenverbot geben?

Haider-Wallner: Das ist noch nicht zu Ende diskutiert. Zunächst ist noch eine Klage des Landes Burgenland zum Verbot von Vollspaltenböden in der Rinderhaltung anhängig.

Im Regierungsprogramm steht die Schaffung einer Mutterkuhprämie für Biobetriebe, gibt es diese schon?

Haider-Wallner: Es gibt noch keinen konkreten Vorschlag, aber das Bekenntnis, hier etwas zu entwickeln, ist da. Wir werden uns das auch im Hinblick auf die GAP 2028 anschauen.

Im Burgenland sind grundsätzlich nur noch Bauten von Bioställen zulässig. Wird das weiterhin so bleiben?

Haider-Wallner: Das ist schon etwas aufgeweicht worden. Erweiterungen von bestehenden konventionellen Betrieben, die wesentlich das Tierwohl verbessern, sind bereits wieder möglich. Ich denke, das ist ein wichtiger Schritt für die Betriebe.

Gibt es viele Landwirte, die jetzt noch groß investieren wollen?

Haider-Wallner: Es sind nicht viele Betroffene. Viele haben auf das Gesetz zu den Vollspaltenböden gewartet. Jetzt liegt es einmal vor. Aber mein Gefühl ist, das ist keine Basis, um Zukunftsentscheidungen darauf zu treffen. Da braucht es wahrscheinlich noch mehr.

Sie sind etwas mehr als 100 Tage im Amt, konnten Sie schon etwas für die Landwirte umsetzen?

Haider-Wallner: Manchmal kann man auch mit Kleinigkeiten rasch und unbürokratisch helfen: Im Nordburgenland haben mich viele Landwirte angesprochen, dass vor allem Radfahrer aus Deutschland Probleme machen und Traktoren blockieren, weil sie nicht wissen, dass hier in Österreich Traktoren und Radfahrer auf Güterwegen unterwegs sein dürfen. Ihnen bieten wir Schilder an, damit es in Zukunft mehr Verständnis gibt.

„Wenn man auf der Skihütte sieht, dass das Schnitzel aus den Niederlanden kommt, dann wird das vielleicht nicht so gerne gekauft.“

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen  im Bereich Landwirtschaft, wie gehen Sie diese an?

Haider-Wallner: Mir sind die guten Beziehungen wichtig und zu schauen, wie man Probleme gemeinsam lösen kann. Die wirtschaftlichen Interessen der kleinstrukturierten Familienbetriebe sind mir bewusst. Es geht darum, diese wertvolle Arbeit wertzuschätzen. Das sollte Hand in Hand mit dem Naturschutz gehen. Mir ist wichtig, dass sich hier keine Fronten bilden. Wir müssen schauen, wie wir Probleme gemeinsam lösen können.

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