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Ab 2034 sind unstrukturierte Vollspaltenbuchten in Österreich verboten. Die Mindestfläche für Mastschweine wird ab 2029 erhöht.
Die Projekte IBeSt und IBeSt+ bieten zu Tierwohl, Wirtschaftlichkeit, Umwelt (Emissionen) und Praxistauglichkeit eine Grundlage für künftige Standards.
Die Schweineproduktion steht vor großen Herausforderungen, auch die Gütesiegel- und Tierwohlzeichen müssen überarbeitet werden.
Fördermöglichkeiten und politische Unterstützung sind entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung der neuen Vorschriften.
Die Schweine am Mastbetrieb von Bernhard Trummer in der Südsteiermark stehen auf Vollspalten. Er und seine Kollegen in ganz Österreich haben nun Gewissheit. In neun Jahren ist die unstrukturierte Vollspaltenbucht verboten. Das hat die neue Regierung auf den letzten Drücker im Mai beschlossen. Ab 2029 brauchen die Tiere mehr Platz in der Bucht und zwei Beschäftigungsmaterialien.
„Wir gehen produktionstechnisch zurück in die 70er-Jahre.“
Trummer hat 650 Mastplätze in seinen drei Stallgebäuden am Hof. 2029 werden es mehr als 30 Plätze weniger sein. Denn die Mindestfläche pro Tier ab 100 kg steigt von 0,7 auf 0,8 m2. Seine Söhne haben Interesse an der Landwirtschaft. „Wir werden unseren Stall wahrscheinlich umbauen“, sagt der Landwirt. „Wenn wir weniger Spalten haben, gibt es mehr Dreck, dann sind wir produktionstechnisch zurück in den 70er Jahren.“ Die anfallenden Kosten kann er noch gar nicht abschätzen. Arbeit wird es auf jeden Fall mehr. Doch aufgeben will der Landwirt nicht. „Wenn wir bessere Standards im Stall haben und weniger Ferkel mästen können, muss auch der Preis steigen“, sagt Trummer.
Große Herausforderung für Betriebe
Thomas Reisecker aus Oberösterreich hat 850 Mastplätze. „Ich finde, die Lösung bei den Vollspalten ist umsetzbar, aber eine große Herausforderung, vor allem im Hinblick auf den Generationenwechsel“, sagt Reisecker. Ob alle Schweinebauern diesen Schritt mitgehen, hängt vor allem mit den Hofnachfolgern zusammen.
Reisecker ist Mitglied des IBeSt-Projekts (Innovationen für bestehende Aufzucht- und Mastställe für Schweine, zum Wohl von Tier und Mensch). Es soll die künftigen Haltungsbedingungen wissenschaftlich untersuchen, im Hinblick auf Tierwohl, aber auch aufs Wohl der Landwirte bei ihrer täglichen Arbeit. Außerdem wird die Wirtschaftlichkeit der Systeme untersucht und die Umwelteinwirkungen, die anfallen. „Wir haben im Rahmen des Projekts verschiedene Dinge ausprobiert. Gummimatten zum Abdecken der Spalten haben nicht so gut funktioniert. Mit der Schlitzreduzierung auf einem Drittel der Fläche funktioniert es ganz gut, wenn man den Liegebereich kennt“, sagt Reisecker.
Neue Haltungsstandards
IBeSt wird mit Jahresende 2025 abgeschlossen und IBeSt+, bei dem Daten aus IBeSt in die Auswertungen einfließen, Ende 2026. „Danach erfolgt eine Phase der Evaluierung durch die Fachstelle, wobei für diese kein Zeitrahmen festgelegt wurde. Ableitungen von neuen Vorgaben bzw. Standards werden sich auf beide Projekte beziehen. Ebenso werden Entwicklungen auf dem internationalen Markt und Erkenntnisse aus anderen Ländern Berücksichtigung finden“, erklärt Projektleiterin Birgit Heidinger von der HBLFA Raumberg-Gumpenstein.
Extreme Forderungen abgewendet
Unzufrieden mit der Lösung ist Johann Schlederer, Geschäftsführer der Österreichischen Schweinebörse: „In einigen Punkten können wir damit leben, in anderen müssen wir es schmerzlich zur Kenntnis nehmen. Immerhin gibt es keinen Zwang zum Stroh und auch weitere extreme Forderungen der Koalitionspartner wurden abgewendet.“
Das Ergebnis der Verhandlungen stellt einen verfassungskonformen Zustand her und es ist „grundsätzlich akzeptabel“, sagt Franz Rauscher, Obmann der Schweinehaltung Österreich. Wären die Standards noch weiter erhöht worden, wie von anderen Parteien gefordert, „hätte das die Inlandsproduktion mit Sicherheit halbiert“.
Investitionsschutz fehlt
Der Investitionsschutz von 23 Jahren für Stallungen, die seit 1. Jänner 2023 errichtet wurden, ist in der neu beschlossenen Verordnung nicht enthalten. Dem Gesetzgeber wird vorgeschrieben, dass bei zukünftigen Änderungen des Mindeststandards die Bundesanstalt BAB gutachterlich zur Festlegung von Übergangszeiten herangezogen werden muss.
Unsicher ist noch, wie die Vermarktungsprogramme auf den neuen Standard reagieren. „Wenn die Grundlage angehoben wird, wird die Mehrleistung der Programme verringert, das erschwert die Abgrenzung“, sagt Schlederer. Ob das AMA-Gütesiegel auf die deutsche ITW2-Basisstufe angehoben werden soll, müsse laut Schlederer geklärt werden. Mastschweine von 85 bis 110 kg brauchen bei ITW-2 0,844 m² Platz, also mehr als 10 % über dem derzeitgen AMA-Gütesiegel mit 0,77 m2.
Wie geht es mit den Gütesiegeln weiter
Der Masterplan Schwein hätte eigentlich 15 % mehr Platz pro Mastschwein ab 1.1.2025 vorgesehen. „Das wäre eine Anhebung um 5 % gewesen, weil die 10 % (0,77 m2) schon umgesetzt wurden. Aufgrund der kompletten Rechtsunsicherheit wurde diese Anhebung vom AMA-Fachgremium jedoch ausgesetzt“, heißt es von der AMA Marketing. Derzeit werden die nächsten Schritte diskutiert und im Fachgremium im Herbst entschieden. Zu einer Anpassung an den ITW-2-Standard könne man noch nichts sagen.
Laut Schlederer gehe es vor allem um Fleisch für verarbeitete Produkte wie Wurst und Schinken, die von Österreich nach Deutschland geliefert werden. „Um sie dort im Supermarkt verkaufen zu können, müssen sie die ITW-2-Stufe erfüllen. Frischfleisch wird kaum exportiert“, sagt Schlederer: „Ist das gewünscht, braucht es die Verdoppelung der AMA-Gütesiegelprämie. Dann ist es für die heimischen Bauern ein Thema.“
Generell müssen die Landwirte neu kalkulieren. Ihre Stallungen haben weniger Fassungsvermögen, die Arbeit werde voraussichtlich mehr und auch die Kosten bleiben gleich. Reisecker findet Gespräche mit der AMA über den neuen Standard wichtig: „Um das Basis-AMA-Gütesiegel im Schweinebereich im derzeitigen Umfang erhalten zu können, sollten wir uns nicht zu weit vom neuen Mindeststandard entfernen. Es ist eine Gratwanderung.“
„Das neue Gesetz ist zwar herausfordernd, aber nicht das Aus der Schweinehaltung in Österreich.“
Reisecker hat durch seine Teilnahme am IBeSt-Projekt bereits einige Boxen umgebaut. Die nächsten Abteile werden in den kommenden Jahren folgen. Wie sehr die Branche darunter leiden wird und wie viele Landwirte aufhören, werde sich zeigen. Die Stimmung bei seinen Kollegen sei eher ruhig, „es gibt Betriebe, die Großgruppen gebaut haben, hier ändert sich nicht viel. Einige wissen aber gar nicht, wie sie das umsetzen sollen, hier braucht es noch viel Beratung“, meint Reisecker.
Jetzt Gedanken machen
Für Rauscher ist klar, die Landwirte müssen sich jetzt Gedanken machen, wie es weitergeht. „Für manche Landwirte ist die Übergangsfrist kurz, überhaupt für Kombi-Betriebe. Sie müssen bis 2033 die Bewegungsbucht umsetzen und ein halbes Jahr später auch den Maststall fertig haben“, sagt Rauscher. Problematisch sieht er auch jene Stallungen, die 10er-Buchten haben. Hier fehle es oft an der Mindestgröße von 20 m2 und dadurch könnten umfangreichere Arbeiten entstehen. „Das kann die Fütterung, die Aufstallung und Lüftung betreffen. Beim Boden muss man die Ergebnisse von IBeSt abwarten“, empfiehlt Rauscher.
Es sind nur mehr eineinhalb Förderperioden bis zur Umsetzung. „Deshalb rate ich jedem schon jetzt, bei den Bewegungsbuchten in der Zucht anzusuchen. Wie sie ausgestaltet sein müssen, ist schon klar“, meint Rauscher.
Josef Moosbrugger, Präsident der LK-Österreich, sieht Bedarf an neuen Förderungen. „Bauern, die ihre Ställe umrüsten oder neu bauen wollen, brauchen dringend eine Investitionsoffensive und rechtliche Sicherheit und Klarheit im Hinblick auf eine gesicherte Nutzungsdauer“, meint Moosbrugger. Derzeit ist im Schweinebereich ein förderbares Kostenkontingent für besonders tierfreundliche Ställe mit bis zu 700.000 € Förderung vorhanden, andere Ställe können mit maximal 400.000 € bezuschusst werden.
„Die neue Gesetzeslage ist nicht das Aus der Schweinehaltung in Österreich. Wenn man weitermachen will, geht es sich aus“, meint Reisecker.