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Diversifizierung mit Direktvermarktung und Urlaub auf dem Bauernhof

Welche Chancen bieten die Direktvermarktung und Urlaub auf dem Bauernhof für landwirtschaftliche Betriebe? Diese Standbeine könnten die Zukunft von Höfen absichern.

Lesezeit: 9 Minuten

Unsere Autoren Leopold Kirner, Theresa Eichhorn von der Hochschule für Agrar- und Umwelt­pädagogik und Kim Mewes, Bundes­­ministerium für Land- und Forstwirtschaft berichten im 7. Teil der top agrar-Serie VISION 2028 + über das Thema Direktvermarktung und Urlaub am Bauernhof als Betriebszweige.

Schnell gelesen

Direktvermarkter und Betriebe mit ­Urlaub am Bauernhof sind deutlich ­zufriedener und optimistischer als ihre Berufskollegen.

Die Wirtschaftlichkeit und die Einkommenssituation werden deutlich positiver beurteilt als im Bundesschnitt.

Die Betriebsaufgabe ist weniger ein Thema, viele wollen ihr Angebot bei ­Gästezimmern und Direktvermarktung ausbauen.

Die Diversifizierung ist ein wichtiger Lösungsansatz für die Zukunft der Landwirtschaft in Österreich, das zeige die Befragung zur VISION 2028 + deutlich.

Aktivitäten wie die Direktvermarktung, Urlaub am Bauernhof, Maschinendienstleistungen, Energieerzeugung, Schule am Bauernhof oder Green Care werden für Betriebe wichtiger. Die Diversifizierung, auch Nebentätigkeiten oder Einkommenskombinationen, spielt in der österreichischen Landwirtschaft eine wichtige Rolle. So kann die Wertschöpfung am Hof gesteigert werden. Grundsätzlich muss die Nebentätigkeit im Rahmen des bäuerlichen Betriebs ausgeübt werden und der Charakter des landwirtschaftlichen Betriebs muss gewahrt bleiben.

Großes Interesse für die Diversifizierung

Laut Agrarstrukturerhebung 2020 übten knapp 20.000 Betriebe eine Nebentätigkeit aus, die Forstwirtschaft ausgenommen. Rund 10.200 Betriebe ver­arbeiteten und vermarkteten land­wirtschaftliche Erzeugnisse. Die Anzahl dürfte aber deutlich höher liegen, weil viele Höfe ausschließlich Urprodukte verkaufen. Einen Hinweis darauf liefert eine Befragung des Marktforschungsinstituts KeyQUEST aus dem Jahr 2016 im Auftrag der LK Österreich. Demnach betrieben damals rund 27 % der Betriebe eine Direktvermarktung, was heute rund 30.000 Betrieben entsprechen würde. 13 % unter ihnen gaben an, intensiv die Direktvermarktung zu verfolgen. 

Rund 7.400 Betriebe hatten im Jahr 2020 Gästezimmer und/oder Ferienwohnungen. Die meisten dieser Betriebe befanden sich in Tirol (2.204), gefolgt von Salzburg (1.491) und der Steiermark (1.247). Betriebe mit Ferienwohnungen sind in Österreich deutlich häufiger anzutreffen als Betriebe mit Gästezimmern. 

Wirtschaftliche Relevanz

Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Diversifizierung liegen keine repräsentativen Ergebnisse vor, aber Hinweise aus einigen Studien. Demnach hat sich laut der Befragung von KeyQUEST der Einkommensanteil aus der Direktvermarktung erhöht und stieg von 17 % im Jahr 2010 auf 34 % im Jahr 2016 (nur gerechnet auf Betriebe mit Direktvermarktung). Laut Grünem Bericht 2024 erwirtschafteten alle Betriebe (auch ohne Nebentätigkeiten) in den vergangenen Jahren im Schnitt Einnahmen von rund 2.000 €/Betrieb aus der Direktvermarktung und rund 3.000 €/Betrieb aus Urlaub am Bauernhof.

Die Wirtschaftlichkeit unter den Betrieben streut ähnlich stark wie in der Urproduktion, wie eine Studie der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik belegt. Wobei der Betriebszweig Direktvermarktung im Schnitt signifikant besser abschnitt als die Betriebszweige in der Urproduktion.  Laut Martina Ortner, Expertin für Direktvermarktung von der LK Österreich, sind die Betriebe breit aufgestellt, oft mit mehreren Produktzweigen oder einer großen Vielfalt aus einem Produktionszweig. Neben den traditionellen Spezialitäten nimmt die Vielfalt an innovativen Produkten immer mehr zu. Meistens werden auch mehrere Absatz- und Vertriebswege bespielt, wie Ab-Hof, Markt, Lebensmittelhandel, Gastro, Zustellung, Onlineshop etc. Am wichtigsten ist für die Betriebe die Vermarktung in der Region (+/- 50 km), wobei via Märkte oder Versand auch in größeren Entfernungen vermarktet wird.

Gästezimmer ein Drittel des Hofeinkommens

Die Bedeutung des Betriebszweigs Urlaub am Bauernhof (UaB) wird durch eine Befragung von Johanneum Research aus dem Jahr 2023 bestätigt. Ein Drittel der Befragten gab an, dass sie den gesamten Betrieb aufgeben würden, wenn sie mit UaB aufhören müssten, erklärt Hans Embacher vom Bundesverband UaB. Der Betriebszweig zeigt ebenso eine gute wirtschaftliche Entwicklung. Seit 1991 hat sich der Durchschnittspreis pro Zimmer um mehr als das Doppelte der Inflation erhöht. Die Preise steigen stets über der Inflationsrate, sodass sich die Betriebe jedes Jahr auch inflationsbereinigt verbessert haben. Laut Mitgliederbefragung erwirtschaften die UaB-Betriebe im langjährigen Schnitt ca. 1/3 des Hofeinkommens mit der Zimmervermietung.

Hohe Zufriedenheit

Die Befragung des Marktforschungsinstituts KeyQUEST, die im Rahmen der VISION 2028+ im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums 2023 durchgeführt wurde, bestätigt: Landwirte mit den Schwerpunkten Direktvermarktung und Urlaub am Bauernhof sind deutlich zufriedener als der Schnitt aller Befragten (siehe Übersicht 1).

Überhaupt zählen Direktvermarktungsbetriebe zu den zufriedensten unter allen zwölf untersuchten Betriebstypen. Immerhin 38 % schätzten sich als sehr zufrieden ein (21 % bei allen Betrieben, 28 % bei den Betrieben mit Urlaub am Bauernhof) und kaum jemand war sehr unzufrieden. 

Direkter Kontakt bringtWertschätzung

Ortner und Embacher nennen zwei Hauptgründe für diese hohe Zufriedenheit. Erstens, der direkte Kontakt mit den Konsumenten. „Die Betriebslei­ter bekommen von den Gästen viel ­Bestätigung. Der direkte Kontakt tut den Bauern und den Konsumenten gleichermaßen gut“, sagt Embacher. Zweitens, der hohe Gestaltungsspielraum bei den Produkten und Verkaufsorten. „Die Betriebe gestalten ihr Sortiment und die Preise selbstständig. So wird die Unabhängigkeit und Zufriedenheit gefördert“, ergänzt Ortner. Befragungen zeigen weiters, dass vor allem Frauen und junge Menschen in der Diversifizierung ein neues Betätigungsfeld sehen. Sie können eigene Ideen am Betrieb umsetzen und so zusätzliches Einkommen erwirtschaften.

Ein ähnliches Ergebnis kann auch für die Einschätzung zu den Zukunftsaussichten laut Übersicht 2 festgestellt werden, wobei hier die Befragten mit UaB sichtbar optimistischer waren als alle anderen. Denn 24 % stuften ihre Zukunftsaussicht als sehr positiv ein, während der entsprechende Wert bei allen Betrieben bei 7 % lag.

Fast alle wollen den Betrieb weiterführen

Diese positive Grundstimmung schlägt sich auch bei der Frage zur Weiterbewirtschaftung des Betriebs nieder, wie Übersicht 3 belegt. Rund 84 % der Befragten von Direktvermarktungsbetrieben und knapp 87 % von UaB-Betrieben wollten zum Zeitpunkt der Telefoninterviews den Betrieb weiterführen (77 % im Schnitt aller Betriebe). Auffallend ist, dass der Anteil jener, die den Betrieb weiterführen und verändern wollten, unter den Diversifizierungsbetrieben deutlich höher lag. Die Befragten mit UaB wollten am wenigsten in den kommenden zehn Jahren ihren Betrieb aufgeben: 4,8 % im Vergleich zu 15 % unter allen Betrieben. 

Die Einschätzungen zu den subjektiv empfundenen Herausforderungen (Übersicht 4) verraten, dass sie von jenen Befragten mit den Schwerpunkten Direktvermarktung und UaB häufig weniger relevant eingeschätzt werden als bei allen Betrieben. Die steigenden gesetzlichen Anforderungen werden von UaB-Betrieben seltener als Herausforderung bezeichnet.

Die Direktvermarkter stuften diese zentrale Herausforderung ähnlich ein wie der Schnitt aller Betriebe. Die Dokumentationspflichten & Bürokratie sehen sie etwas weniger als Herausforderung als bei allen Betrieben oder bei den Befragten mit UaB. Obwohl direktvermarktende Betriebe zusätzliche Dokumentationspflichten im Vergleich zu Betrieben mit Urproduktion aufweisen. Demgegenüber sind die geringere Relevanz der Herausforderungen „Unberechenbarkeit der Märkte“ und „fehlende Planungssicherheit“ gut nachvollziehbar, weil diversifizierende Betriebe weniger den internationalen Marktschwankungen ausgesetzt sind.

Auffällig ist, dass die schlechte Wirtschaftlichkeit die Befragten mit Direktvermarktung und UaB deutlich weniger Sorgen bereitet als dem Schnitt aller Betriebe. Bei den Direktvermarktungsbetrieben war diese Herausforderung nur für 19 % voll zutreffend und für 21 % eher zutreffend. Der niedrigste Wert unter allen zwölf in der Befragung erfassten Betriebstypen. Die entsprechenden Werte für alle Betriebe waren mit 34 % (voll zutreffend) und 26 % (eher zutreffend) markant höher.

Abgrenzung zum Gewerbe

Embacher betont als weitere Herausforderungen bei UaB-Betrieben die fehlende Rechtssicherheit hinsichtlich der Verpflichtung zur Gewerblichkeit. Die Vermietung von Ferienwohnungen fällt rechtlich unter Vermietung und Verpachtung bzw. wäre aufgrund ihres Charakters (kurzfristige Vermietung, Vermarktung über Online-Plattfor­men, Bettwäschetausch und Ähnlichem) als gewerbliche Tätigkeit einzustufen – dies stimme jedoch nicht mit den betrieblichen Realitäten überein, in welcher man die Ferienwohnungs­ver­mietung nicht mit einer norma­len Wohnungsvermietung gleichsetzen kann.

Bei den meisten Höfen ist aufgrund der Raumordnung keine gewerbliche Tätigkeit erlaubt. „Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind bei der Direktvermarktung nicht so schlimm wie ihr Ruf“, sagt Ortner. Aber die Anforderungen sind schon anspruchsvoll, weil Direktvermarkter als Lebensmittelunternehmer eine hohe Verantwortung gegenüber ihrer Kundschaft tragen. Die Rahmenbedingungen sind bekannt und die Betriebe werden in der Fachberatung gut unterstützt, weiß Ortner.

Strategien ausbauen

Die drei großen Lösungsansätze für die Zukunftssicherung ihres Betriebs laut Umfrage decken sich gut mit den Ergebnissen der Betriebe mit Direktvermarktung und UaB: Ausbildung und laufende Weiterbildung, überbetriebliche Zusammenarbeit & Vernetzung und Produktion von Qualitätspro­grammen.

Aber mit zwei großen Ausnahmen. Für die Befragten mit Direktvermarktung stellt die Weiterverarbeitung oder Direktvermarktung die mit Abstand wichtigste Strategie dar: 53 % schätzten diesen Lösungsansatz als sehr gut und weitere 27 % als gut für ihren Betrieb ein. Die Aussage wird bestätigt, dass der überwiegende Anteil der Befragten den Betrieb in den kommenden zehn Jahren weiterbewirtschaften möchte.

Für die UaB-Betriebe war dieser Lösungsansatz mit 37 % („sehr gut“) und 35 % („gut“) ebenso enorm wichtig, nur die Ausbildung und laufende Weiterbildung wurde als etwas relevanter eingestuft. Zudem stuften 42 % der Befragten von UaB-Betrieben die Strategie „soziale Landwirtschaft, Urlaub am Bauernhof, Maschinenring“ als sehr gut ein, der Spitzenwert unter allen zwölf Betriebstypen.

Impulse der VISION 2028+ für die Diversifizierung

Die VISION 2028+ setzt im Handlungsfeld 4 „Optionen der Wertschöpfung am Bauernhof“ eigene Impulse für die Diversifizierung (Nebentätigkeiten bzw. Einkommens­kombination auf bäuerlichen Betrieben). Zielbild ist, dass immer mehr land- und forstwirtschaftliche Betriebe durch zukunftsfähige, individuelle Erwerbskombinationen und/oder durch innovative Produkte und Dienstleistungen alternative Einkommensquellen erschließen und ihre betriebliche Wertschöpfung und Wirtschaftlichkeit erhöhen. Einige der 27 im Handlungsfeld 4 definierten Maßnahmen werden an dieser Stelle – teilweise in verkürzter Form – aufgelistet:

Diversifizierung (Direktvermarktung, Urlaub am Bauernhof, Green Care, Seminarbäuerin etc.) wird fixer Bestandteil der Lehrpläne in allen land- und forstwirtschaftlichen Aus- und Weiterbil­dungen.

Diversifizierung findet stärker Einzug in den Grünen Bericht, womit fundierte Analysen zur Wirtschaftlichkeit auch für diesen Bereich in Zukunft zur Ver­fügung stehen.

Bauern und Bäuerinnen können neue Formen der Diversifizierung eröffnen, um in geschützten Nischen etwas auszuprobieren, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen.

Landwirtinnen und Landwirte erhalten einfachen Zugang zu Markt- und Ernährungstrends, z. B. durch Exkursionen zu Handelsfachmessen, oder indem spezifische Trendmonitorings zentral und kostenlos allen interessierten Betrieben zur Verfügung gestellt werden.

Der Quereinstieg wird weiterhin forciert, indem Quereinsteiger:innen gezielt in der Betriebsgründung z. B. durch eine „Grundberatung“ oder „Start-up-Beratung“ unterstützt werden.

Frauennetzwerke werden weiter forciert, um Selbstbewusstsein, Kommunikationsfähigkeiten und unternehmerisches Handeln zu stärken.

Durch Kooperationen mit dem Tourismus wird das Potenzial bei der Vermarktung an die Zielgruppe „touristische Gäste“ ausgeschöpft.

Bestehende Kooperationen und Marken (z. B. Urlaub am Bauernhof, Gutes vom Bauernhof, AMA GENUSS REGION, Green Care) werden weiterentwickelt und durch Förderprogramme ausreichend unter­stützt.

Kennzeichnung ist wichtig

Für die Zukunftssicherung der Direktvermarkter ist es laut Ortner wichtig, dass die Kunden eindeutig erkennen können, welche Produkte direkt vom Bauernhof kommen. Die Gewährleistungsmarke „Gutes vom Bauernhof“ hilft dabei und hat bereits eine Bekanntheit von 56 % bei den  Konsumenten. Direktvermarkter zeichnen sich durch ihre Offenheit für Kundenwünsche aus. Trends gehen in Richtung Vielfalt und innovative Produkte.Mittlerweile gibt es eine breitere Auswahl an Getreide und Hülsenfrüchten, sowie mehr Convenience-Produkte und sogar Garnelen direkt vom Bauernhof.

Embacher sieht bei der Zukunftssicherung von UaB-Betrieben den Fokus auf einer erlebbaren bäuerlichenLebensweise, die nicht zu touristisch wirkt. „Gäste wollen den Bauernhof spüren und miterleben, nicht nur eine Ferienwohnung an der Skipiste.“ Professionelle Ausstattung am Hof, direkter Kontakt und gute Gastgeber sind entscheidend. Im Trend liegen Ferienwohnungen mit hohem Komfort, sowie Sehnsuchtsangebote wie Almhütten und romantische Aussteiger-Erlebnisse.

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