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Das Blauzungenvirus breitet sich in Österreich weiter aus. Die Impfung schützt vor starken Symptomen und könnte künftig die Viehvermarktung erleichtern.
Die Durchimpfungsrate beträgt aktuell über 40 %. Drei Bundesländer haben Impfstoff angekauft, in Rest-Österreich müssen die Landwirte die vollen Impfkosten inkl. Impfstoff tragen.
Die Kosten für die Impfung variieren stark, einige Landwirte müssen bis zu dreimal mehr zahlen als andere.
Die Unterschiede sorgen für Unmut unter den Rinderhaltern und werfen Fragen zur fairen Preisgestaltung auf.
Langsam erwacht die „Blauzunge“ aus ihrem Winterschlaf. In den vergangenen Monaten war die Situation aufgrund der kalten Temperaturen relativ ruhig, das Blauzungenvirus (BTV-3 = Blue-Tongue-Virus, Serotyp 3) breitete sich langsam in den vorhandenen Hotspots – in den Tälern Vorarlsbergs und Tirols – aus (Übersicht 1). Inzwischen sind bzw. waren laut AGES gut 400 Betriebe in ganz Österreich betroffen.
Durchimpfungsrate steigt
Mit dem Frühjahr und steigenden Temperaturen werden die Gnitzen als Überträger wieder aktiv. Experten gehen davon aus, dass das Blauzungenvirus in den nächsten Wochen, spätestens im Sommer, Österreich überrollen wird. Eindringlich raten sie zur Impfung: Diese schützt hauptsächlich vor starken Symptomen und kann Milchleistungseinbrüche abschwächen. Viele Landwirte nutzten daher bereits den Winter, um ihre Tiere mit einer Impfung zu immunisieren. Aktuell liegt die Durchimpfungsrate der Rinder bei über 40 %.
In Vorarlberg, Tirol und Kärnten wurde der BTV-Impfstoff vom Land angekauft und den Tierhaltern gratis zur Verfügung gestellt. Für sie fallen also „nur“ die Kosten für die Arbeit des Tierarztes an. In den restlichen Bundesländern müssen die Bauern die komplette Impfung inklusive Impfstoff selbst bezahlen.
Große Spanne
Doch die Kosten für die Blauzungenimpfung gehen weit auseinander. Wir haben in ganz Österreich acht tierärztliche Abrechnungen der Blauzungenimpfung untersucht. Zwei davon stammen aus einem Bundesland, in dem der Impfstoff gratis war (Übersicht 2).
Unsere Recherche zeigt, dass die Kosten für die Grundimmunisierung eines Rindes, also die zweimalige Impfung im Abstand von drei bis vier Wochen, extrem schwanken: Während Landwirt A nur knapp 10 € brutto dafür zahlen musste, kostete die doppelte Impfung pro Kuh bei Landwirt F knapp 27 €. Bei einem Viehbestand von 40 Kühen beträgt dieser Unterschied über 600 €. Zudem fällt auf, dass auch der Impfstoff extrem unterschiedlich abgerechnet wurde (Landwirt A: 8 €, Landwirt D: 16 € für je zwei Dosen).
Und auch die beiden Rechnungen aus dem Bundesland mit dem Gratis-Impfstoff könnten nicht ungleicher sein: So zahlte Landwirt H den dreifachen Preis wie sein nur wenige Kilometer entfernt liegender Nachbar (16 € vs. 5 €/Kuh).
Unmut ist groß
Diese stark unterschiedlichen Abrechnungen der Tierärzte sorgen für Unmut unter den Landwirten. Dabei gibt es seitens der Österreichischen Tierärztekammer (ÖTK) sogar explizite Empfehlungen für die Verrechnung, wie Silvia Stefan-Gromen, Abteilungsleiterin Medien & Kommunikation bestätigt: „Die Arbeitszeit für den Tierarzt sollte nach dem Stundensatz für tierärztliche Leistungen 2024 verrechnet werden. Dieser beträgt in Stufe 1 je Stunde 165 € netto. Allerdings gibt es eine Sondervereinbarung zwischen der Tierärzte- und der Landwirtschaftskammer (LKÖ). Diese haben einen reduzierten TGD-Stundensatz von 138 € netto, das sind minus 15 %, vereinbart.“
Mit diesen Stundensätzen können die Tierärzte die Impftätigkeit, An- und Abfahrt und die Verwaltung und Dokumentation abrechnen. Zudem gibt es Zuschläge für nicht geplante Rüstzeiten oder besonderes Gefahrenpotenzial.
Ein kurzes Rechenbeispiel verdeutlicht, dass einige Landwirte mehr für die Arbeitsleistung ihres Tierarztes berappen müssen als die ausgehandelten Stundensätze: Legt man die Kosten, die Landwirt H tatsächlich gezahlt hat, auf den empfohlenen Stundensatz von 138 € netto (also 166 € brutto) um, würden nur zehn Kühe pro Stunde (166 €/16 €) grundimmunisiert, also zweimal geimpft werden. 20 Impfungen pro Stunde entsprechen aber meist nicht der üblichen Arbeitsleistung eines praktizierenden Tierarztes, auch wenn sonstiger Aufwand (Anfahrt, Dokumentation etc.) berücksichtigt wird. Denn üblicherweise sind die Tiere bei der Ankunft des Tierarztes im Fressgitter fixiert und er muss „nur durchgehen“. Bei Kleinstbetrieben kann die Rechnung aber anders ausschauen.
Willkommenes Einkommen?
Manch einen Rinderhalter beschleicht das Gefühl, einzelne Tierärzte nutzen die Blauzungenimpfung um ihr Einkommen aufzubessern. Denn bindende Tarife gibt es nicht, die Tierärztekammer gibt nur Honorarempfehlungen.
„Unterschiedliche Honorare können sich aufgrund regionaler Unterschiede bzw. unterschiedlicher Leistungen ergeben. Tierärzte sind Einzelunternehmer und verhandeln die Preise direkt mit den Landwirten vor Ort aus“, sagt Stefan-Gromen von der ÖTK. Und so sind auch die in Tirol zwischen Tierärzte- und Landwirtschaftskammer extra für die Blauzungenimpfung ausgehandelten Richtsätze für die Abrechnung (Stückgebühr bis neun Tiere, darüber nach Zeit) eben nur Richtsätze. Manche Veterinäre halten sich daran, manche nicht.
So hilft es nur, das direkte Gespräch mit seinem Hoftierarzt zu suchen und über die Abrechnungstarife zu verhandeln. Manch ein Landwirt war hier erfolgreich und die Abrechnung wurde nach Stück auf einen Stundensatz gewechselt. Da man aber in einigen Regionen aufgrund des Tierärztemangels froh sein muss, wenn überhaupt ein Tierarzt auf den Hof kommt, wird man sich hüten, mit ihm eine gröbere Diskussion vom Zaun zu brechen.
Übrigens: Die eigenen Tiere selbst zu impfen, und damit u. U. die Kosten auf den Impfstoff zu reduzieren, ist nicht gestattet (auch nicht als TGD-Betrieb).
Ein positives Beispiel aus Niederösterreich zum Abschluss: Hier haben es zumindest mehrere Tierarztpraxen geschafft, untereinander einheitliche Verrechnungssätze auszumachen. Ebenso koordinieren die Veterinäre ihre Impfungen so, dass die angefangenen 50er-Impfdosen bestmöglich verbraucht werden und keine Restbestände verworfen, aber vom Tierhalter bezahlt werden müssen.
Fazit: Den Rinderhaltern sind in puncto Impfkosten die Hände gebunden. Möchten sie ihren Bestand schützen, müssen einige wohl oder übel tiefer in die Tasche greifen. Fair geht es dabei nicht zu. Die unterschiedlichen Impfkosten sollten die Bauern jedoch nicht davon abhalten, den eigenen Tierbestand vor dem Blauzungenvirus zu schützen.