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Nutztierhaltung

120 Mio. € pro Jahr für Tierwohlställe

Bei einem runden Tisch im Landwirtschaftsministerium (BMLRT) wurde ein „Pakt für mehr Tierwohl“ geschlossen. Hauptpunkt dieser Tierwohlinitiative ist die künftige 35%-ige Invest-Förderung von Tierwohlställen für Schweine, Rinder und Puten.

Lesezeit: 6 Minuten

„Im Ranking der Tierschutzorganisation World Animal Protection liegt Österreich unter 50 Staaten weltweit auf Platz 1“, verkündete Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger gleich zu Beginn ihrer eilig einberufenen Pressekonferenz. Um diese Vorreiterrolle beim Tierwohl weiter auszubauen, hatte Köstinger mit dem Dachverband der Nachhaltigen Tierhaltung Österreich (NTÖ) und deren Mitgliedsverbänden sowie den Bundesländern und der LK Österreich einen „Pakt für mehr Tierwohl in der produzierenden Landwirtschaft“ beschlossen. Mit dabei war auch der vom Lebensmittelhandel und einzelnen Lebensmittelherstellern überwiegend finanzierte Verein „Land schafft Leben“ als Vertreter der Konsumenten.

Pakt mit sechs Punkten

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Der geschlossene „Tierwohl-Pakt“ besteht aus folgenden Eckpunkten:

  • 120 Mio. € jährliches Fördergeld für Investitionen in tiergerechte Haltungssysteme
  • Unterstützung der Bauern bei laufendem Aufwand für mehr Tierwohl
  • Reduktion der internationalen Kälbertransporte durch Umsetzung einer nationalen Kalbfleischstrategie
  • Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) hin zu mehr Tierwohl
  • Ausbau des nationalen Tiergesundheitsdienstes (TGD) hin zu einem ÖTGD
  • Umsetzung von Forschungsergebnissen in die Tierhaltungspraxis

120 Mio. € pro Jahr für mehr Tierwohl(ställe)

Durch einen erhöhten Invest-Fördergeldtopf sollen Anreize für den Neu- bzw. Umbau von tierwohlgerechteren Ställen geschaffen werden, so die Ministerin. Die dafür nun vorgesehenen 120 Mio. € – pro jahr ab 2021 und bis 2027 – sollen vor allen der zuletzt wenig investitionsfreudigen Schweinebranche zu Gute kommen. Fördergelder können aber auch Rinder- und Putenbetriebe für besonders tierfreundliche Stallbauten (Umbau bzw. Neubau) abrufen.

Förderkriterien noch nicht ausgearbeitet

Die entsprechenden Förderkriterien für die Ferkelaufzucht und Schweinemast bzw. der Rinderhaltung werden allerdings erst ausgearbeitet. Folgende Kriterien sind aber bereits fix:

  • Mehr Platz, größere Buchten für die Tiere sind nötig
  • Getrennte Funktionsbereiche mit nur wenig perforierten Liegeflächen
  • Vielseitiges Beschäftigungsmaterial und Kühlmöglichkeiten im Schweinebereich
  • Kein Spaltenboden für die Rindermast ohne weiche Auflage
  • Ab 2021 Fördersatzerhöhung von 25 auf 35% der Investitionskosten in besonders tierfreundliche Haltungen bei Schwein und Pute
  • Ab 2022 nur mehr Förderung von Stallneubauten, die über den derzeitigen gesetzlichen Mindeststandard liegen. Sohin werden dann etwa Schweineställe mit ausschließlich Vollspaltenböden nicht mehr gefördert.

Maßnahmen, Kälberprogramme und Absatzwerbung

Neben den höheren Kosten für den Stallbau fallen bei tiergerechteren Haltungssystemen auch erhöhte laufende Kosten an (z.B. für Einstreu bzw. damit verbundene Arbeitstätigkeiten). So soll es für Betriebe, die unkupierte Schweine halten, einen Zuschlag geben.

Geplant ist auch die Kälbertransporte in Drittstaaten zurückzufahren. Hier braucht es allerdings eine EU-Einigung, für die sich Köstinger weiter einsetzen will. National will sie eine neue österreichische Kalbsfleischstrategie umsetzen. So sollen die Qualitätsstandards „Vollmilchkalb“ und „Kalb rosé“ ins AMA-Gütesiegel aufgenommen werden und diesbezüglich auch die AMA Marketing-Absatzförderung adaptiert werden.

Die bestehende Förderung für die Erzeugung von Qualitätsrindfleisch (Q-plus Rind) soll zudem auf die Kälbermast, das Förderprogramm „Tierwohl Stallhaltung“ ab 2023 auch auf Kälber ausgedehnt werden.

Adaption des ÖPUL-Programms geplant

Mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 muss der Fokus auf höhere Tierwohlstandards in allen EU-Mitgliedsstaaten gelenkt werden, ansonsten entsteht eine gravierende Wettbewerbsverzerrung im EU-Binnenmarkt, so Köstinger. Daher müsse Europa Anreize für die Bäuerinnen und Bauern setzen, um ihnen den Weg in Richtung mehr Tierwohl einfach und praxistauglich zu gestalten.

Die notwendige Weiterentwicklung wird demnach auch in den nationalen GAP-Strategieplänen festgeschrieben: So soll es eine „Weiterentwicklung bei den Maßnahmen „Tierwohl-Weidehaltung“, „Tierwohl-Stallhaltung“ und „Bio“ geben. Das Programm „Tierwohl-Stallhaltung“ soll auch auf Kälber ausgedehnt werden.

Neuer Ö-TGD angekündigt

Ministerin Köstinger kündigte außerdem den Aufbau einer zentralen Struktur als Ergänzung der Länder-Tiergesundheitsdienste – ähnlich der QGV mit dem bundesweiten Geflügel-TGD an. Ein solcher war schon in den 2000er Jahren parallel zum Bundestierschutzgesetz angedacht, doch die Bundesländer – insbesondere „die großen Drei“ (NÖ, OÖ und STMK) sperrten sich damals vehement gegen einen bundesweiten TGD.

Demnach soll es Programme zur Umsetzung von Tierwohlvorgaben (z.B. Verzicht auf Schwanzkupieren bei Ferkeln), einheitliche Tiergesundheitsprogramme (z.B. Reduktion von Medikamenten) sowie eine stärkere Unterstützung der Tierhalter geben.

„Ringelschwanz“-Diskussion außen vor

Dass gerade jetzt das BMLRT eine „Tierwohl-Initiative“ in der Nutztierhaltung vorstelle, habe laut dem Salzburger Agrarlandesrat Dr. Josef Schwaiger nichts mit der laufenden Schweinehaltungs-Diskussion – betreffend der Spaltenböden- bzw. Schwanzkuppieren-Frage – zu tun. Bekanntlich kritisieren VGT, Greenpeace und das Land Wien zuletzt erneut gegen die Schweinebranche. Selbst der öffentlich-rechtliche ORF sprang letzte Woche auf diese Kampagnisierungswelle gegen die Landwirte auf und ließ in einer ZiB2 Stimmung gegen die Bauern machen.

„Wir lassen uns nicht treiben – weder durch Geschriebenes noch durch Journalisten“, so der turnusmäßige Vorsitzende der Agrarlandesräte. Laut Schwaiger wäre aber eben jetzt der richtige Zeitpunkt, die produzierende Landwirtschaft im Sinne des allgemeinen Tierwohlgedankens entsprechend mit öffentlichen Geldern und Maßnahmen zu unterstützen.

Österreichs oberster Bauer, Josef Moosbrugger, appellierte einmal mehr an die nötige Partnerschaft der Konsumenten mit der produzierenden Landwirtschaft. Auch müssten die Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen, der Lebensmittelgroßhandel wie Einzelhandel sowie die öffentliche Beschaffung in Sachen Herkunftskennzeichnung mitziehen. Eine Partnerschaft für die Bauern bedürfe die Mitarbeit aller, denn Tierwohl ist keine "one man-show" der Landwirtschaft alleine.

Letztlich müsse sich aber die bäuerliche Produktion auch rechnen, so Moosbrugger. Die Bauern wären aber bereit, den Weg gemeinsam mit den Konsumenten zu gehen.

Wo bleibt der LEH?

Pakt und Maßnahmen wurden medienwirksam präsentiert bzw. angekündigt, doch die Förderkriterien fehlen. Zudem war der wichtigste Partner bzw. Absatzkanal der agrarischen Urprodukte Fleisch und Milch, der Lebensmitteleinzelhandel (LEH), nicht dabei bzw. fehlte bei der Pakt-Unterzeichnung. Auf die diesbezügliche Nachfrage meinte Köstinger nur, dass mit dem LEH jetzt eh gesprochen werde. Auch die Förderkriterien werden ausgearbeitet.

Hannes Royer, Gründer und Obmann des „Vereins Land schafft Leben“ und „Pakt“-Mitunterzeichner zeigte allerdings auf, dass die Konsumenten für ein um 10 Cent billigeres Fleisch das Geschäft wechseln. Daher wird es echt spannend, wie der LEH auf die Tierwohl-Initiative des BMLRT letztlich – und vor allem preispolitisch in den Regalen – reagieren wird. Die von LEH bisher angebotenen konventionellen Tierwohl-Linien sind im Absatz unterschiedlich erfolgreich. Die „Preis ist geil“-Mentalität wurde den Konsumenten über Jahre hinweg ja erfolgreich eingetrichtert, so Royer.

Bio gehe generell zwar gut, aber nachhaltige Produktionsweisen und Angebote werden – wie top agrar-Leser wissen (siehe Aus für die „Reine Lungau“ ) auch nur bis zu einem gewissen Eckpreis angenommen. Österreichs vielleicht nachhaltigste Milch aus dem Salzburger Biosphärenpark ging zuletzt selbst um 1,19 €/l bei einem Diskonter nicht wirklich und wurde eingestellt.

In einer ersten Reaktion begrüßte der Handelsverband die aktuelle agrarische Tierwohl-Initiative. Interessant dabei ist, dass der LEH eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung als „logischen nächsten Schritt“ sieht. Doch das überrascht nicht wirklich, denn schon bisher kostete die Herkunftskennzeichnung dem Handel nicht wirklich was. Zudem zahlen sich die agrarischen Urproduzenten die generische Absatzwerbung via dem gesetzlichen AMA Marketing-Zwangsbeitrag“ ohnedies selber.

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