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Zikaden: Die Lage wird ernst!

Die Glasflügelzikade bereitet unseren ohnehin gebeutelten Zuckerrübenanbauern zusätzlich immer größere Probleme. Christoph Kreitzer, Agrana, Tulln, berichtet.

Lesezeit: 5 Minuten

Ohne gezielte Gegenmaßnahmen und bei weiterer Zuspitzung der Klimasituation dürften die kleinen Sauger zu einer ernsthaften Gefahr für den Rübenanbau werden.

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Das Jahr 2024 hat gezeigt, dass Österreich eine einzigartige epidemiologische Situation erlebt, die sich nicht zwangs­läufig mit den Gegebenheiten in Nachbarländern vergleichen lässt.

Unbestritten ist jedoch, dass SBR und RTD in Österreich registriert sind und mit zunehmender Klimaveränderung mit einer Ausbreitung dieses Erreger­komplexes zu rechnen ist.

Um langfristige Bekämpfungskonzepte zu entwickeln, bedarf es eines engen Zusammenwirkens auf allen Ebenen – von den LandwirtInnen über die Wissenschaft bis hin zur Politik.

Eine effektive Stratgie kann nur durch eine gemeinsame Herangehensweise erreicht werden, wie es sich in Deutschland bereits beispielhaft zeigt.

Zikaden werden in Zuckerrüben immer mehr zu einem besorgniserregenden Problem. Damit verbunden sind die Krankheiten SBR (Syndrome Basses Richesses) und RTD (Rubbery Taproot Disease – „Gummirüben“). Die Monitoring-Aktivitäten zum Auftreten der Glasflügelzikaden (GFZ) im österreichischen Rübenanbau zeigen: Mit einer weiteren Zuspitzung der Klimasituation und Ausbleiben von gezielten Gegenmaßnahmen ist derzeit mit einer Intensivierung der Problematik zu rechnen. Der Ernst der Lage darf nicht übersehen werden.

Saugen Zikaden den Zucker aus den Rüben?

Die durchschnittlichen Hektarerträge von 79 t im Jahr 2024 liegen über dem 5-Jahresmittel, der Zuckerertrag mit 14,9 % jedoch deutlich darunter (17,3 %). Heißt das im Umkehrschluss, dass die Zikade uns den Zucker aus der Rübe saugt? 

Die Fähigkeit der Glasflügelzikaden, krankheitserregende Bakterien auf Zuckerrüben zu übertragen, ist in Österreich belegt. Aber das als einzigen Grund für geminderte Zuckergehalte darzustellen, würde zu kurz greifen. Weitere Faktoren sind Trockenstress und ein stark variierendes Wasserangebot – diese haben maßgeblichen Einfluss auf die Pflanzenvitalität und Pflanzenqualität. 

3 t Zucker pro ha weniger

Was sind das Syndrom Basses Richesses (SBR) und Rubbery Taproot Disease (RTD)? SBR ist eine bakterielle Infektion (SBR-Proteobacterium), die durch Zikaden auf die Zuckerrübe übertragen wird. Die Symptome können bereits ab Anfang Juli auftauchen und machen sich zunächst durch das Vergilben der Blätter bemerkbar. Ein weiteres Erkennungsmerkmal ist eine lanzettförmige Blattfläche und dünne Blattstiele der neuen Triebe. Aufgeschnittene Zuckerrüben zeigen im Laufe der Infektion dunkel- bis schwarzfärbige Leitbündel.

Die betroffenen Rüben weisen deutlich reduzierte Zuckergehalte auf. Am Versuchsstandort in Nikitsch lagen die gemessenen Saccharosegehalte symptomatischer Zuckerrüben im Oktober durchschnittlich 2,2 Prozentpunkte unter dem Feld- und 4,2 Prozentpunkte unter dem gesamten Stationsvergleich. Umgerechnet bedeutet das bei einem hypothetischen Rübenertrag von 70 t pro Hektar einen Verlust von rund 3 t Zucker pro Hektar.

Die Rubbery Taproot Disease (RTD) wird durch das Stolbur-Phytoplasma verursacht, das bereits aus dem Kartoffelanbau als „Stolbur“ bekannt ist. Eine damit infizierte Zuckerrübe zeigt insbesondere zur Mittagszeit stark welkende und absterbende Blätter. Darüber hinaus ist der Rübenkörper meist nur lose im Boden verankert (Seitenwurzeln fehlen), und die Rübenwurzel ist schrumpelig und gummiartig („Gummi­rübe“). Mit fortsetzender Infektionsdauer und gleichzeitigem Ausbleiben von Niederschlägen kann in schweren Fällen Rübenfäule auftreten. Wenn die Rübe aufgeschnitten wird, zeigt sich in der Regel ein glasiges Gewebe.

Darüber hinaus sind Mischinfektionen möglich, bei denen sowohl SBR als auch RTD vorliegen.

2024 führte das ARIC (AGRANA Research & Innovation Center) ein breit angelegtes Monitoring von Glasflügelzikaden an 33 verschiedenen Standorten durch (Übersicht). Dabei wurden alle drei derzeit als „landwirtschaftlich schädlich“ eingestuften Glasflügelzikadenarten an jedem untersuchten Ort nachgewiesen.

So wurden in Nikitsch im Schnitt 254 Zikaden pro Gelbtafel und Woche gefangen. In dem nur 6 km entfernten Deutschkreutz waren es lediglich vier Individuen pro Woche. Ein ähnliches Bild zeigte sich auch im Seewinkel, wo es innerhalb eines 8-Kilometerradius Schläge mit geringen, mäßigen und hohen Zikadenaufkommen gab. 

Mengenmäßig dominierte in Österreich die Pfriemen-Glasflügelzikade, die 89,6 % aller gefangenen Zikaden ausmachte. Dies überstieg deutlich die Fangzahlen der Schilf-Glasflügelzikade (8,2 %), von der ausschließlich in Deutschland berichtet wird (siehe top agrar Ausgabe 5, ab S. 73). Die Winden-Glasflügelzikade, die im Weinbau bereits länger bekannt ist, wurde auf den Rübenfeldern verhältnismäßig selten angetroffen.

Behandlungsmöglichkeiten?

(Zikaden-)Epidemien müssen bekanntermaßen bekämpft werden. Dies gestaltet sich in diesem Fall jedoch schwierig. Zum einen sind die Bakterien, die SBR und RTD auslösen, im Saftstrom der jeweiligen Pflanzen aktiv, wodurch eine äußere Bekämpfung nahezu unmöglich ist. Auch die Bekämpfung der Überträger (das heißt der Glasflügelzikaden) ist aufgrund der sehr langen Flugzeiten (Juni bis September) schwierig. 

Aus Deutschland kommen Berichte, wonach in Modellregionen vielversprechende Ergebnisse erzielt wurden. Modellregionen beschreiben den Zusammenschluss aller Zuckerrübenfelder zu einer großen, zusammenhängenden Behandlungsfläche innerhalb einer definierten Region. In diesen Regionen werden vereinheitlichte Maßnahmen, wie z. B. eine einheitliche Fruchtfolge, durchgeführt, um die Zikadenpopulation zu reduzieren und die SBR-­Symptomatik abzumildern. Tatsächlich wurden durchaus Erfolge verzeichnet.

Der Verzicht auf den Anbau von Winterweizen bzw. Wintergerste führte zu einer deutlich geringeren Anzahl von Schilf-Glasflügelzikaden im Folgejahr - ein Zusammenhang, der in der Fach­literatur bereits länger bekannt ist.

In Österreich dominiert jedoch die Pfriemen-Glasflügelzikade, deren Wirtspflanzenkreis und Entwicklungszyklus nicht bekannt sind. Daher sind Fruchtfolge-Rotationen bis dato fraglich. In den Modellregionen wurden zusätzlich pflanzenstärkende Maßnahmen und insektizide Behandlungen durchgeführt. Auch diese Schritte führten zu einem ertragreichen Mehrwert, wie die Ergebnisse aus Süddeutschland zeigten.

Der Einsatz von Pflanzenstärkungsmitteln kann die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen erhöhen und ist empfehlenswert. Der Einsatz von Insektiziden ist derzeit in Österreich mit Vorsicht zu betrachten, da kein entsprechendes Mittel zugelassen ist und vergleichbare Versuche bislang fehlen. Eine Notfallzulassung von Mospilan ist eingereicht, bis Redaktionsschluss am 24. April gab es aber noch keine Freigabe. Generell erfordert die Bekämpfung der Zikaden und die Verhinderung von Ertragsverlusten durch den SBR-Komplex eine Kombination verschiedener agronomischer Maßnahmen. Dabei sollten die Rübenentwicklung, die Pflanzenernährung und die Gesunderhaltung der Bestände höchste Priorität haben.

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