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topplus Flutkatastrophe im Ahrtal

Freunde aus der Flut

Die Flut im Ahrtal brachte Zerstörung, aber auch neue Freundschaften. Ein Betriebshelfer aus Coesfeld und ein Landwirt aus Heppingen an der Ahr berichten.

Lesezeit: 5 Minuten

Dieses Interview von Katrin Quinkckhardt erschien zuerst im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.

Nach der Flut sind Sie auf den Trecker gestiegen und gen ­Ahrtal gefahren, Herr Hermanns?

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Sven Hermanns: Ja. Aber ich war nicht alleine. Wir waren fünf Landwirte aus dem Münsterland. Erst waren wir im Kreis Heinsberg. Dort hatte das Wasser auch große Schäden angerichtet.

Und dann ging es ohne Umwege weiter ins Ahrtal?

Hermanns: Genau. Am Samstag Morgen, zwei Tage nach der Flut, kamen wir in Heppingen, einem Ortsteil von Bad Neuenahr-Ahrweiler an. Abends zählten wir dann schon 180 Maschinen. Wir haben angepackt wo Hilfe nötig war.

In den Medien las man vom Chaos auf Straßen und bei der Organisation. Wie war Ihr Eindruck?

Hermanns: In Heppingen war das anders. Definitiv bot sich hier ein Bild mit dem keiner gerechnet hatte. Zerstörung, Müll und Gestank waren allgegenwärtig. Aber die Organisation vor Ort war spitze. Denn die Einwohner dort halfen sich, ­sofern möglich, selbst und hatten eigene Strukturen geschaffen.

Können Sie uns ein Beispiel dafür geben?

Hermanns: Anfangs durften laut Krisenstab des Landes nur Feuerwehrautos tanken. Doch auch unsere Maschinen brauchten Diesel. Landwirt Pascal Delord und der Ortsvorsteher von Heppingen sprachen mit einem Tankwart. So bekamen wir quasi unter der Hand Sprit. Die Feuerwehr wäre nicht in der Lage gewesen, die Straßen zu räumen, obwohl das Voraussetzung für jede weitere Hilfe war.Nach 36 Stunden auf dem Bock suchten wir dann eine Möglichkeit zum Schlafen. Auch da wandten wir uns wieder an Pascal.

Pascal Delord: Wir hatten im Gemeinde­haus ein Notlager für 30 Personen eingerichtet. Ursprünglich war es für Betroffene der Flut gedacht. Doch die meisten von ihnen fanden bei Freunden und Verwandten im Ort Unterschlupf. Kurzerhand öffneten wir das Übernachtungslager für Helfer und erweiterten es auf 130 Plätze. Denn gerade in der ersten Zeit kamen viele Helfer. Aus dem Münsterland waren in der Spitze rund 200 Maschinen im Einsatz.

Und deren Einsätze haben sie koordiniert? Klingt nach einer Mammutaufgabe!

Delord: In Hochzeiten habe ich bis zu 170 Anrufe am Tag geführt – mit Betroffenen und Helfern. Außerdem mussten wir vieles entscheiden. Zum Beispiel: wo wir den Müll abladen. Wir haben selbst Deponien eingerichtet. Dort haben die Landwirte rund 12  000 Kubikmeter Müll aus den Straßen abgeladen.

Hermanns: Die Menschen haben alles aus den Häusern geräumt und auf die Straßen gestellt. Wir haben es abgefahren. Jeden Tag aufs Neue und das über Wochen.

… bis Urlaub und Überstunden aufgebraucht waren?

Hermanns: Richtig. Aber der Betriebshilfsdienst gewährte mir drei Wochen Sonderurlaub, damit ich weiter mithelfen konnte. In der Zeit habe ich mich um den Hof von Pascal gekümmert. So konnte er die Freiwilligen koordinieren.

Delord: Sven hat währenddessen unsere 800 Legehennen und 45 Mutterkühe mit Nachzucht betreut. Unser Hof steht oben auf der Landskrone, weshalb wir nicht selbst von der Flut betroffen waren. Wir hatten lediglich drei ­Wochen kein Wasser und nur un­regelmäßig Strom. Aber ansonsten konnte hier oben alles einigermaßen normal weiterlaufen. Dank Sven konnte ich weiter die Freiwilligen koordinieren.

Und der Zustrom an ­Helfern blieb ungebrochen?

Delord: Das lief fast wie von selbst. Die Landwirte aus dem Münsterland waren super vernetzt. Sobald einer abreisen musste, sorgte er selbst für Ersatz. Manche blieben Wochen, andere übers Wochenende und wieder andere kamen nur für ­einen Tag den weiten Weg zu uns. Wir haben uns über jeden Einzelnen gefreut.

Hermanns: Wir haben, wenn möglich, die Maschinen direkt an den jeweiligen Nachfolger übergeben. So war dann meist auch eine kurze Einweisung in die Arbeiten möglich.

Wer hat all die Maschinen und Mulden mitgebracht?

Delord: Das war ganz unterschiedlich. Wir Landwirte aus dem Ort haben mit unseren eigenen Maschinen geholfen. Viele Berufskollegen von weiter weg auch. Außerdem haben Landmaschinenhersteller, Lohn- und Bauunternehmer ihre Geräte zur Verfügung gestellt. Das war unglaublich wertvoll.

Und wenn mal was an den ­Maschinen kaputt ging?

Delord: Wir hatten ein Reparaturzelt im Ort, das wir mit Freiwilligen und Spenden betrieben haben. Da wurde ganz unbürokratisch ­alles wieder instand gesetzt.

Hermanns: Manchmal haben wir die Maschine abends kaputt dort abgestellt. Über Nacht haben die Helfer sie repariert und wir konnten morgens direkt wieder durchstarten.

Griff der Katastrophenschutz von Bund und Land zu dem Zeitpunkt immer noch nicht?

Delord: Wir in Heppingen haben uns von Anfang an weniger auf die offiziellen Strukturen, als auf uns selbst verlassen. Und damit sind wir gut gefahren – auch was die Organisation des Reparaturzelts anging.

Das hört sich nach Kritik an den offiziellen Strukturen an.

Delord: Die öffentlichen Stellen haben sich bemüht. Doch die ­wirklich pragmatische Hilfe kam von den Freiwilligen. Sie haben einfach angepackt.

Wie ist das Leben heute – ein Jahr nach der Katastrophe?

Delord: Es kommen immer noch Helfer ins Tal. Und wir sind dankbar dafür! Es gibt noch so viel zu tun. Mit der Zeit haben sich zwischen den Heppingern und den Helfern wahre Freundschaften entwickelt. Wir alle hoffen, dass die Kontakte auch in Zukunft bestehen bleiben. Vielleicht schaffen wir es ja fortan jedes Jahr, ein Fest mit unseren Helfern und neuen Freunden zu feiern. Gerne wollen wir uns für all das bedenken, was wir gemeinsam geschafft haben. Denn ohne sie wäre das nicht machbar gewesen.

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