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Ärger nach Protestaktion: Bauern stellen Fahne der Landvolkbewegung nach

Bauern hatten letzte Woche die Fahne der umstrittenen, da rechtsnahen Landvolkbewegung von 1929 mit Treckern nachgestellt. Bauernverband und LsV sind sehr verärgert.

Lesezeit: 5 Minuten

Eine Aktion von rund 500 Landwirten in Nordfriesland hat für Ärger gesorgt. Am Donnerstag hatten die Bauern mit 330 beleuchteten Schlepper auf einem Feld die Fahne der Landvolkbewegung („Pflug und Schwert“) von 1929 nachgebildet; die regionalen Zeitungen berichteten.

Der NDR schrieb dazu nach einem Gespräch mit einem Historiker: "Vor rund hundert Jahren war diese Bewegung für Bombenanschläge in Schleswig-Holstein verantwortlich. Sie gilt als nationalistisch, antisemitisch und völkisch."

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Für den Präsidenten des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, Werner Schwarz, ist die Verwendung des Symbols der Landvolkbewegung nicht tolerierbar. „Davon distanzieren wir uns ohne Einschränkung“ betont Schwarz. Ein Symbol, das an eine gewalttätige und spalterische Bewegung erinnere, deren Verhältnis zum Nationalsozialismus wenigstens zweideutig sei, sei nicht akzeptabel. „Damit werden wir auch unserer besonderen historischen Verantwortung als Deutsche nicht gerecht“, sagte er.

Gleichzeitig nahm er den Berufsstand gegen die Verdächtigung in Schutz, sie würden rechtem politischen Gedankengut anhängen. „Von vielen Versammlungen und persönlichen Gesprächen kenne ich unsere Bauern“, so Schwarz, „das entspricht nicht ihrer Geisteshaltung“.

Auch der Vorstand von Land schafft Verbindung Deutschland, Dirk Andresen, Frank Böcker, Christoph Plass und Johannes Wagenbach äußerten ihr Unverständnis. Sie mahnen, dass keine unbedachten Aktionen ins Leben gerufen und durchgeführt werden dürften, die letztendlich dem gesamten Berufsstand schaden. „Wir alle machen das Bild des Landwirts in der Öffentlichkeit aus und beeinflussen durch unser Auftreten auch die Bereitschaft der Politik zum fairen und offenen Dialog, den wir herbeiführen wollen.“

Soweit LsV bekannt sei, werde durch einige Landwirte zur „Berliner Woche“ aufgerufen, in der ab heute in Berlin durch diverse Aktionen auf Missstände aufmerksam gemacht werden soll. Land schafft Verbindung Deutschland sei weder Initiator noch Organisator dieser Aktionen und sei auch nicht an der Planung beteiligt, betont der LsV-Vorstand. Für die Nachbildung der Landvolkfahne sei die Führung der Initiatoren der „Berliner Woche“ verantwortlich. „Dieses Symbol hat eine äußerst umstrittene Bedeutung, da es historisch mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht wird. Land schafft Verbindung Deutschland distanziert sich daher ausdrücklich von der Verwendung dieser Symbolik“, heißt es in dem Schreiben von Land schafft Verbindung.

„Für uns ist es eine absolute Selbstverständlichkeit, dass wir uns zu Rechtsstaat und Demokratie bekennen. Wir als LSV betonen hiermit noch einmal in aller Deutlichkeit, dass wir kein in irgendeiner Art radikales, antisemitisches, fremden- oder demokratiefeindliches Gedankengut oder gewaltbereites Auftreten in unseren Reihen dulden!“ Stattdessen wolle man zusammen mit der Gesellschaft, der Politik und der Landwirtschaft einen neuen gemeinsamen Weg finden und konstruktiv gehen. Dies sei aber nur möglich, wenn sich alle politisch und gesellschaftlich achtsam und fair verhalten.

Politiker sehen Grenzen überschritten

SPD-Fraktionsvorsitzender Ralf Stegner empfahl im NDR, dass die Bauern keine Symbole wählen dürften, die in der Geschichte ganz klar für Antisemitismus, für antidemokratische Strukturen, für Terrorismus und für Unterstützung der Nazi-Bewegung standen. Er weist darauf hin, dass die Nationalsozialisten in Schleswig-Holstein früh Mehrheiten gehabt hätten - auch dank der Landvolkbewegung.

Und der CDU-Landtagsabgeordnete Heiner Rickers - selbst Landwirt - sagte, dass damit die Grenzen des guten Geschmacks und des sachlichen Austauschs verlassen worden seien. Oliver Kumbartzky von der FDP forderte, dass sich die Landwirte von rechtem Gedankengut distanzieren und mahnte neue Hilfen von EU und Bundesregierung für die Landwirtschaft an. Der Grünen-Kreisverband Nordfriesland bezeichnete die Symbolik als nicht hinnehmbar. Die Organisatoren müssten sich fragen lassen, was sie im Schilde führten.

Das sagen die Initiatoren

Die Macher argumentieren dagegen, der Pflug symbolisiere die Verbundenheit zu Grund und Boden, der Pfeil stehe für den Aufstand der Bauern. "Damals ging es den Landwirten auch schlecht. Da gab es finanzielle Sorgen, Steuerlasten, und und und", sagt Landwirt Jann-Henning Dircks aus Norderfriedrichskoog dazu. Die Fahne symbolisiere für ihn und seine Kollegen den Zusammenhalt der Landwirte. "Was daraus geworden ist, da mag jeder die Geschichte anders interpretieren." Er betont aber: "Wir distanzieren uns von jeglichem nationalsozialistischen Hintergrund und von jeglicher Gewalt."

Landwirt Dircks und seine Kollegen fühlen sich missverstanden und ungerecht behandelt. "Ich finde es beschämend, dass Politiker aller Couleur auf uns einpeitschen und dem Mainstream folgen, ohne mit uns zu reden", sagte er dem NDR. Er bedauere den Einsatz des Symbols nicht und sehe auch keinen Grund dafür, sich zu entschuldigen: "Das sollte noch nicht mal eine politische Botschaft sein".

Freie Bauern halten Distanzierung für historisch unbegründet

Mit Erstaunen reagiert Reinhard Jung, Referent für Politik und Medien beim Verein "Freie Bauern", auf die Diskussion. „Wir machen Berufspolitik heute und wir verwenden für unsere Aktionen unser Logo – aber wenn Bauernverband und LSV jetzt meinen, sie müssten sich von der schwarzen Fahne mit Pflug und Schwert distanzieren, so zeigt das mangelnde historische Kentnisse“, so Jung, der seinen Betrieb in Lennewitz in Brandenburg bewirtschaftet.

Wie er in einer Mitteilung schreibt, habe er während seines Geschichtsstudiums vor dreißig Jahren an dem Thema gearbeitet. „Das Landvolk war eine bäuerliche Protestbewegung, die sich nicht von den Nationalsozialisten vereinnahmen ließ. Deshalb untersagte die NSDAP Doppelmitgliedschaften und deshalb machten die führenden Köpfe des Landvolks auch keine Karriere im Dritten Reich.“

Die wichtigsten Forderungen des Landvolks von 1928 wären auch aus heutiger Sicht berechtigt, argumentiert Jung: „Die Bauern wollten Umschuldungen, Senkung der Steuerlasten und vor allem wollten sie, dass keine billigen Lebensmittel mehr aus Übersee eingeführt werden.“

Im Rückblick habe die Landvolkbewegung strategische Fehler gemacht, räumt der studierte Historiker und gelernte Landwirt ein: „Aber für den wachsenden Zuspruch der NSDAP auf dem Lande war vor allem die Ignoranz der Reichsregierungen gegenüber den Bauern verantwortlich sowie die falsche Politik der Bauernverbände, die dafür sorgten, dass Staatshilfen vor allem den unwirtschaftlichen Großbetrieben Ostelbiens zugute kamen.“ Wenn heute bei Bauernprotesten vor allem in der nordwestdeutschen Küstenregion die schwarze Landvolkfahne gezeigt werde, brauche sich jedenfalls niemand dafür zu schämen.

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