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Basilikum und Barsch als neue Standbeine?

Basilikum und Barsch erzeugt das Start-up ECF im Aquaponik-System auf ihrer Farm mitten in Berlin. Die Gründer zeigen damit auch, dass sie planen und bauen können.

Lesezeit: 7 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst im Magazin f3 - farm.food.future erschienen.

Mitten in Berlin liegt im Stadtteil Schöneberg auf dem ehemaligen Gelände der Schultheiss-Mälzerei die ECF Farm. ECF steht für ecofriendly. Kosteneffizient und ressourcenschonend will das Start-up hier Lebensmittel produzieren. Genauer gesagt: Basilikum und Barsch mit dem Aquaponik-Verfahren, bei dem die Ausscheidungen der Barsche aus der Aquakultur auch zum Düngen der Pflanzen in den Gewächshäusern genutzt werden. Das Wasser wird mithilfe einer intelligenten Steuerungstechnologie für den jeweiligen Kreislauf aufbereitet. Mit ihrer Anlage wollen die Gründer demonstrieren, dass Urban Farming funktionieren kann. Sie sind nicht nur Lebensmittelerzeuger, sondern auch Planer und Bauer von Farmsystemen.

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Zum Start kauften sie einen Container als PrototypDass Lebensmittelerzeuger heutzutage nicht selbstredend Landwirte sein müssen, zeigen die beiden Gründer Nicolas Leschke und Christian Echternacht: Christian studierte Medizin und gründete 1996 eine Internetfirma. Nicolas studierte International Business und Management sowie Sprachen und gründete sein erstes Unternehmen ebenfalls aus dem Studium heraus. Kennengelernt haben die beiden sich später über einen gemeinsamen Freund. „Wir interessieren uns beide für Nachhaltigkeitsthemen, teilen die Leidenschaft für gutes Essen und wollten Lebensmittel herstellen. So sind wir dann 2012 auf das Aquaponik-Verfahren gestoßen“, beschreibt Nicolas die Werdegänge der beiden.

Die Gründer des Start-ups ECF, die mit dem Aquaponik-Verfahren Basilikum und Barsch erzeugen

Christian und er recherchierten, arbeiteten sich in das Thema ein, lernten die richtigen Leute kennen und kauften noch im selben Jahr einen Prototypen. In dem zirka zwei Meter hohen und breiten Container betrieben sie unten Aquakultur und züchteten oben Pflanzen. „Das war spannend für uns, weil wir viel gelernt haben, aber auch für andere Leute und die Presse. Da war uns klar, dass wir uns vergrößern müssen und ein Businessmodell brauchten“, erzählt Nicolas von den Anfängen. 1,6 Mio.€ benötigten sie initial für den Bau der Farm, 400.000€ investierten sie nachträglich in Steuerungssysteme und Technik. Geldgeber waren die IBB Beteiligungsgesellschaft in Berlin und ein privater Investor. Beide hielten neben den Gründern selbst Anteile und ermöglichten den Aufbau der Aquaponik-Anlage.

8.000 Töpfe Basilikum pro Woche

Jetzt stehen zwei große Gewächshäuser auf dem 1.800 Quadratmeter großen Gelände, in denen Basilikum wächst. Zwischen 6.000 und 8.000 Töpfe verlassen nach sechs Wochen Aufzucht wöchentlich die Farm. Mit dem sogenannten Hauptstadt-Basilikum beliefert ECF alle REWE-Filialen in Berlin und einige in Brandenburg sowie Mecklenburg-Vorpommern. „Das war pures Glück, dass die REWE-Group über den Verkauf von unserem Barsch auf uns aufmerksam geworden ist und genau die Menge an Basilikum brauchte, die wir auf unserer Farm produzieren können“, berichtet Nicolas. Das bedeutete für ECF aber auch die Reduzierung in ihrer Produktion auf nur noch eine Pflanzensorte. Zuvor wuchsen Tomaten und Auberginen sowie andere Kräuter auf der Farm und wurden in Aboboxen verkauft.

Verkauf zu Bio-Preisen – ohne Bio-Siegel. - Auszug Reportage

Ihre Barsche liefert ECF an REWE, Edeka, Metro und den Lebensmittelanbieter Frischeparadies. Zwischen 100 kg bis zu 1,5 t können es in der Woche sein. Auf das Jahr gerechnet werden bis zu 30t Barsch, den sie in den Niederlanden mit 0,2g einkaufen, bis auf 800g Lebendgewicht gezüchtet, bevor sie auf der Farm geschlachtet werden. „Wir verkaufen unsere Produkte an die Großhändler zu Bio-Preisen, die deutlich über dem Standard liegen“, erzählt Nicolas. Dabei führen weder Barsch noch Basilikum ein Bio-Siegel. Verkauft und geworben wird mit einer ressourcenschonenden Produktion, mit dem Einsatz von biologischem Pflanzenschutz, der Herstellung in Berlin und den kurzen Transportwegen zum Supermarkt. Ein Kilogramm Hauptstadt-Barsch werden für 11,99€ und der Basilikumtopf für 1,99€ verkauft.

Zwei Kreisläufe für verschiedene pH-Werte Die Aquakultur mit Barschen auf der ECF Farm

Gestartet sind Nicolas und Christian zunächst mit einem konventionellen Aquaponik-Kreislaufsystem, bei dem das Wasser aus der Aquakultur auch für die Bewässerung der Pflanzen verwendet wird. Der Nachteil: Basilikum und Barsch haben unterschiedliche pH-Werte und brauchen dementsprechend anders aufbereitetes Wasser. Die Gründer entwickelten deshalb mit Experten ein Zwei-Kreislauf-System. Bei diesem ist ein Kreislauf für die Aquakultur bestimmt und ein weiterer zur Bewässerung des Basilikums, der sogenannte Hydroponik-Kreislauf.

Regenwasser wird auf dem Gewächshaus gesammelt und in vier Zisternen geleitet, wo es mit technischem Sauerstoff angereichert wird, bevor es in die Aquakultur gelangt. Hier zirkuliert das Wasser in den 13 Becken, in denen die Barsche je nach Größe aufgezogen werden. Filter und Messsysteme überprüfen die Wassertemperatur und Futterzufuhr. Die Ausscheidungen der Fische werden gefiltert und als Düngemittel für die Pflanzen in den Hydroponik-Kreislauf abgeführt. Das Wasser, das die Pflanzen nicht brauchen, läuft in spezielle Tanks unter dem Gewächshaus und wird später wieder genutzt. Mit diesem System, so sagen Nicolas und Christian, soll bis zu 90% weniger Wasser verbraucht werden als in herkömmlichen Verfahren.

Auf Antibiotika mussten sie bisher noch nicht zurückgreifen, da die Barsche nach eigenen Angaben bisher noch nie erkrankten. Bei den Basilikum-Pflanzen setzt ECF Nützlinge ein und behandelt die Pflanzen erst bei Schädlingsbefall mit biologischen Pflanzenschutz.

Wir verbrauchen 90 % weniger Wasser als in herkömmlichen Verfahren - Nicolas Leschke

Durch den Verkauf des Basilikums und der Barsche setzen sie 700.000 € im Jahr um und decken dadurch ihre Kosten. Der größte Kostenfaktor, auch wenn vieles automatisiert abläuft, bleiben die Personalkosten. Drei Angestellte arbeiten in der Produktion im Gewächshaus und der Schlachterei. Weitere neun Angestellte inklusive der beiden Gründer arbeiten im Büro und zum Teil als Planer für andere Farmsysteme.

Lebensmittelerzeuger und Bauplaner

Denn Bauen und Planen ist das zweite Standbein des Geschäftsmodells: „Hier auf unserer Farm zeigen wir, was möglich ist. Wir konnten viele Erfahrungen sammeln, die wir jetzt weitergeben können.“

Im Kundenauftrag sind in der Schweiz und in Belgien bereits Anlagensysteme unter Leitung von ECF gebaut worden. Auftraggeber und Betreiber der entstandenen Dachfarm in Brüssel, der größten in Europa, war die Brüsseler Firma BIGH | Building Integrated Greenhouse. Seit Mitte des vergangenen Jahres produzieren sie dort Lebensmittel. Weitere Kundenprojekte sind in Luxemburg und Albanien geplant. Die Expertise aus Deutschland ist gefragt. Das hat auch eine Schweizer Investorengruppe gemerkt und im Juni dieses Jahres einen siebenstelligen Betrag investiert und der IBB Beteiligungsgesellschaft ihre Anteile an ECF abgekauft.

Vermarktung gestaltet sich schwierig

Mit der Investition wollen Nicolas und Christian Anbau- und Systemkomponenten entwickeln und weitere nationale und internationale Großprojekte umsetzen. Die Nachfrage nach lokal und ressourcenschonend produzierten Lebensmitteln und kurzen Transportwegen sei nicht nur auf Verbraucherseite vorhanden. Auch Unternehmer, Investoren, der Einzel- und Großhandel sowie Energiekonzerne und Architekten seien an den Farmsystemen interessiert. „Eine Aquaponik-Anlage muss ja nicht zwingend im urbanen Raum gebaut werden. Die Anlagen können ja überall stehen“, sagt Nicolas.

Die Deutschen sind nicht bereit, viel Geld für hochwertige Lebensmittel zu zahlen. - Nicolas Leschke

Und trotzdem, so sagt Nicolas, gibt es in Europa wenige Aquaponik-Farmen, die die produzierten Lebensmittel auch absetzen. Die infrastrukturelle Anbindung und Logistik müssen vorhanden sein. Außerdem ist Bauland, allen voran in den bevölkerten Städten, teuer. Eine weitere Herausforderung liegt auch im Vertrieb. Schon bei der Planung muss klar sein, wie und wo die Lebensmittel vertrieben werden können. „Im Vergleich zu anderen Ländern sind die Deutschen nicht bereit, viel Geld für hochwertige Lebensmittel zu zahlen. Außerdem ist Deutschland keine Fisch-Esser-Nation“, erzählt Nicolas. Solche Faktoren müsste man auf jeden Fall im Kopf haben, wenn man eine Anlage plant.

Trotz Herausforderungen planen die Gründer eine neue, eigene Farm. Ob die in Berlin stehen wird, verrät Nicolas noch nicht.

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