Familien sind das Rückgrat der Landwirtschaft, aber wie ticken eigentlich die Menschen hinter dem Unternehmen und wieviel Raum nimmt ein solcher Betrieb im Alltag ein? Gemeinsam mit Radiomoderatorin Steffi Neu und Vertretern aus der praktischen Landwirtschaft und der Landmaschinen-Industrie sprach top agrar-Chefredakteur Guido Höner im Rahmen der top agrar-Talkshow über dieses allgegenwärtige Thema.
Die Arbeit auf dem Hof prägt alle
Wie ein gelungener Einstieg in den elterlichen Betrieb aussehen kann, zeigt Carina Dünchem aus Andernach in Rheinland-Pfalz. Die studierte Betriebswirtin leitet den Ackerbaubetrieb der Familie gemeinsam mit ihrem Vater. Dabei seien klare Grenzen besonders wichtig: „Mein Vater und ich kommen sehr gut miteinander zurecht. Wir haben unsere Aufgabenfelder klar aufgeteilt. Er redet mir nicht rein, ich rede ihm nicht rein. Das macht es, glaube ich, aus.“
Auch ihre Arbeit in den sozialen Medien, wo sie unter dem Motto „Lebe Liebe Landwirtschaft“ mehr als 50.000 Follower mit in ihren Hofalltag nimmt, kommt gut bei ihren Eltern an. „Die Landwirtschaft ist eine Herzensangelegenheit von mir, ich bin damit groß geworden und lebe und liebe das, was ich tue.“
Auf dem elterlichen Milchviehbetrieb groß geworden ist auch Henning Fockenbrock aus Telgte im Münsterland. Er wird diesen in Zukunft übernehmen. „Meinen Eltern war es immer wichtig, dass wir vier Söhne lernen, was auf dem Hof passiert.“ Wichtig sei jedoch beim Thema Generationswechsel keinen Druck zu verbreiten, da waren sich die Rednerinnen und Redner einig.
Wichtig ist, mal über den Tellerrand zu schauen
Dass es vor einem Generationswechsel wichtig sei, dass die Kinder auch außerhalb des Betriebes Erfahrungen sammeln, weiß Susanne Schulze Bockeloh. Die Vize-Präsidentin des Deutschen Bauernverbandes genießt selbst aktuell die Variationen zwischen Agrarpolitik und der Arbeit auf dem Hof. „Ich gehe dann sonntags über den Acker und schaue, wie es wächst und aussieht. Von daher ist die Nähe zur Landwirtschaft weiterhin da“, sagt die Landwirtin.
Dass es auch mal einen örtlichen Abstand zum Betrieb braucht, weiß auch Carina Dünchem aus eigener Erfahrung: „Ich konnte den Satz „Kannst du mal eben…“ irgendwann einfach nicht mehr hören.“ Sie habe den räumlichen und auch fachlichen Abstand gebraucht.
Das kann Gerd Sonnleitner bestätigen. Der ehemalige Präsident des Deutschen, Bayerischen und europäischen Bauernverbandes brauchte eben diesen Abstand: „Als ich von meinen Auslandspraktika heim kam, wusste ich, der beste Platz ist für mich der Hof in Bayern.“
Eine Hofübergabe braucht klare Kommunikation
Das Henning Fockenbrock den Hof seiner Familie übernehmen wird, war nicht immer klar. Dafür seien Gespräche mit der gesamten Familie besonders wichtig. „Es wissen zwar alle ungefähr, wie es werden wird. Aber es ist sehr wichtig, klar darüber zu sprechen, sodass keiner mit einem schlechten Gefühl da raus geht“, sagt der Junglandwirt.
Wie eine geregelte Hofübergabe gelingen kann, weiß auch Dr. Karin Ebel, Beraterin für Familienbetriebe. Sie erlebe täglich in Gesprächen, wie Familienbetriebe funktionieren und dass vor allem die Kommunikation miteinander vor Konflikten schützen kann. Zwar habe sich über die Generationen einiges geändert, die grundlegenden Fragen seien jedoch immer noch dieselben, in denen es heißt: Wer übernimmt den Betrieb? Und was passiert mit den anderen Kindern? Dabei sei es wichtig, dass alle Familienmitglieder lernen, miteinander zu reden und die eigenen Wünsche klar zu formulieren, betont Karin Ebel.
Autofahren lernen auf dem Firmengelände
Dass es als Kind eines Landmaschinenherstellers nicht langweilig wurde, erzählten die Gäste der zweiten Talkrunde des Abends. Während Christoph Grimme, Geschäftsführer der Grimme Landmaschinenfabrik mit 10 Jahren bereits mit dem Stapler das Logistiklager durcheinander brachte, übte Nicola Lemken, Geschäftsleitungsmitglied bei Lemken, auf dem Firmengelände am Niederrhein für den Führerschein.
Auch Cathrina Claas-Mühlhäuser, Hauptgesellschafterin und Aufsichtsratsvorsitzende bei Claas, ist mit der Landwirtschaft aufgewachsen: „Mein Vater hat immer gesagt: Wer landwirtschaftliche Maschinen bauen will, der braucht auch einen eigenen Hof.“ Ihre ersten Erinnerungen habe sie deshalb aus der Landwirtschaft: das Mitfahren auf den Maschinen und das Spielen im Stroh.
Mein Vater hat immer gesagt: Wer landwirtschaftliche Maschinen bauen will, der braucht auch einen eigenen Hof." - Cathrina Claas-Mühlhäuser
Dass es aber auch in solch großen Familienunternehmen wichtig ist, eigene Wege zu gehen und Erfahrungen zu sammeln, betont Nicola Lemken. Sie hat nach ihrem Studium zwei Jahre in einem Konzern und anschließend in der praktischen Landwirtschaft gearbeitet, bevor sie in das Unternehmen Lemken eingestiegen ist.
Und Amazone-Geschäftsführer Christian Dreyer ergänzt: „Ich wusste nach der Schule genau, dass ich eine Ausbildung machen will, die unabhängig vom Unternehmen ist, auch wenn viele sagten „du steigst doch sowieso mit ein."
Das gemeinsame Essen gehört dazu
Wie auf den landwirtschaftlichen Betrieben ist das gemeinsame Gespräch am Mittagstisch auch in der Landmaschinen-Industrie ein ganz wichtiger Tagesordnungspunkt. „Ich finde es immer wichtig, wenn wir mit der Familie gemeinsam am Mittagstisch sitzen“, sagt Nicola Lemken.
Auch bei Familie Grimme darf das tägliche gemeinsame Mittagessen um 12:30 Uhr in der elterlichen Küche nicht fehlen. Obwohl man sich jeden Tag sieht, geht der Gesprächsstoff nie aus, so Grimme. Ebenso sitzt die Firma bei Familie Claas-Mühlhäuser häufig gemeinsam am Tisch. „Irgendwo muss das aber auch Grenzen haben“, betont die Gesellschafterin.
Welche Musik Gerd Sonnleitner als DJ auf einer Landjugendparty spielen würde und was Susanne Schulze Bockeloh an der Theke mit Carina Dünchem und Henning Fockenbrock trinken möchte, womit Nicola Lemken Christian Dreyer auf einer Hofwoche überzeugen würde und welches bodenständige Gericht Christoph Grimme für Cathrina Claas-Mühlhäuser kochen soll, erfahren Sie im Video: