Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Dr. Clemens Dirscherl

Tierwohl: "Stellen Sie sich auf kritische Fragen von Rentnern ein!"

Kaufland-Tierwohlberater Dr. Clemens Dirscherl hat jede Woche mit zahlreichen Anrufern zu tun, die Fragen zur Tierhaltung haben. Er stellt einen Wertewandel in der Gesellschaft fest. Zudem beklagt er, dass Schweinefleisch in die Schmuddelecke gedrängt und als ungesund betitelt wird.

Lesezeit: 5 Minuten

In der Gesellschaft findet ein Wertewandel statt. Die Frage der Tierhaltung wird immer zentraler. Schon heute kann man das Thema Fleischerzeugung nur noch im Kontext einer gesamtgesellschaftlichen Veränderung betrachten. Das erklärte Dr. Clemens Dirscherl, bei Kaufland für landwirtschaftliche Prozesse, Tierwohl und Nachhaltigkeit zuständig, am Mittwoch bei der Regionaltagung des Deutschen Verbandes Tiernahrung West in Bad Sassendorf.

Dabei berichtete der frühere Agrarbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), dass er jede Woche mindestens zehn Anrufe von Kunden bekäme, die ihn mit allerhand kritischen Nachfragen zum Qualitätsfleischprogramm von Kaufland konfrontierten. Laut Dirscherl kommt da einiges auf die Branche zu. „Die Anrufer sind fast ausschließlich im Rentenalter, haben viel Zeit und kommen aus der Künast-Trittin-Generation. Sie fordern ihr Verbraucherrecht auf Information ein“, berichtete der Gastredner.

Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Als Beispiele für Fragen nannte er die Furcht vor Hormonen im Fleisch; gemeint war Improvac. Ein anderer verlangte dagegen die exakte Einhaltung der Vorgaben des Deutschen Tierschutzverbandes – ohne zu wissen, dass dieser Improvac unterstützt. Wieder andere fragten, ob die Verpackungsangaben stimmen und wie die Tiere gehalten werden. „Darauf müssen Sie sich einstellen, das werden in Zukunft noch viel mehr Anfragen“, so Dirscherl an die anwesenden Landwirte.

Der Wertewandel

Wie Dirscherl in seinem Vortrag auf Haus Düsse weiter feststellte, gebe es inzwischen auch auf fachlicher Ebene einen großen Wandel. Plädierten vor 20 Jahren Wissenschaftler in Beratergremien noch für ökonomisch effiziente Ställe mit modernster Technik auf Spaltenboden etc., so sei die Hälfte der Professoren heute durch jüngere Kollegen ersetzt, die für die Wiedereinführung von Stroh, mehr Platz und weiteren Tierwohlkriterien stimmen, die die ältere Generation gerade abgeschafft habe. Auch in der Landwirtschaftsberatung stelle er neue Ideen und Vorschläge fest. „Es kommen plötzlich neue Empfehlungen, das verunsichert die Bauern“, so der LEH-Vertreter, der an das provokante Gutachten von Prof. Grethe und Prof. Spiller vom Wissenschaftlichen Beirat erinnerte.

Die Verbraucher dagegen wünschten sich noch mehr Informationen über die Lebensmittel, über die Herkunft und Tierhaltung. „Nur wir haben doch schon für alles ein Label. Ist das ein Zeichen von grundsätzlichem Misstrauen?“, fragt Dirscherl und gibt gleich die Antwort: Ja, der Verbraucher fordert ein externes Vertrauenssystem.

Konflikt der Wahrnehmungswelten

Dirscherl berichtete vom Konflikt zwischen materieller und ideeller Wahrnehmung. Dieser Konflikt gelte nicht nur für die Agrarwirtschaft, sondern für alle Lebensbereiche. So passe der Wunsch nach Werten sehr oft nicht zur materiellen Ebene. Beispiele der beiden Seiten sind die Schulmedizin hier und der Zulauf bei Homöopathie und Alternativbehandlungen da. Oder das klassische Schulsystem gegenüber neuen Schulformen wie Waldorfschule oder Montessori Pädagogik. Diese Werteorientierung nehme zu, weshalb sich die klassische Fleischproduktion Veggie- und Livestylelebensmitteln oder eben dem Wunsch nach mehr Tierwohl gegenübersieht.

„Hier muss die Branche klar sagen, dass sie sich der ethischen Verantwortung stellt“, so der Tierwohlberater von Kaufland. Aber auch er weiß, dass es bei gesinnungsethischen Wünschen sehr schwer werde. Grundsätzlich sei der Ethik-Diskurs für die gesamte Fleischbranche eine Herausforderung.

Problem: Schweinefleisch verliert an Beliebtheit

Mit Sorge sieht Dirscherl den Absatz von Schweinefleisch. Zum einen nehmen in der Bevölkerung Gruppen zu, die aus religiösen Gründen kein Schweinefleisch essen. Zum anderen wird Schweinefleisch aber auch schlechtgeredet. So stelle er fest, dass bei den Themen Genuss und Gesundheit selten Schweinefleisch vorkomme.

Die Apothekenrundschau warne sogar in nahezu jeder vierten Ausgabe davor und rät zu „gesünderem“ Fleisch mit weniger Fett und Eiweiß. Fast immer gehe es bei gesunder Ernährung um Geflügelfleisch. „Wir müssen Schweinefleisch wieder aus der Schmuddelecke herausholen. Es ist ein neues Marketing notwendig. Schweinefleisch ist Kulturgut, denken Sie an das gute Eisbein oder Nackensteaks“, so der frühere Kirchenmann.

Kaufland-Tierwohlfleisch „WERTschätze“

Dirscherl berichtete in Bad Sassendorf auch über das Qualitätsfleischprogramm WERTschätze von Kaufland. Es ist preislich flexibel zwischen konventionell und Bio angesiedelt und beinhaltet aus Unternehmenssicht alle Punkte, die der Verbraucher verlangt und die sich marketingtechnisch gut bewerben lassen. Berücksichtigt sind neben den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu Tierwohl und Tiergesundheit. „Solche Kompromisse haben Zukunft“, sagt Dirscherl. Hochambitionierte Tierwohlprogramme mit weniger als 1 % Marktanteil machten dagegen keinen Sinn.

  1. Mehr Bewegungsfreiheit: 40 % mehr Platz, mehrheitlich mit Auslauf

  2. Reize: Stroh zur Beschäftigung für den Wühlinstinkt (knistert, pieckst, veränderbar, Druck auf Rüssel, langes Kauen). Stroh ist geeignet als Strohhaltung, als Einstreu und als Beschäftigungsmaterial

  3. Frischluft: Offenställe bzw. Auslauf.

    - Wahrnehmung von Naturrhythmen: Tag/Nacht/Jahreszeiten, hell-dunkel/Temperatur- und Vegetationsunterschiede

    - Luftqualität (Ammoniakbelastung)

    - Stärkung des Immunsystems

  4. GVO-freie Fütterung nach VLOG

    - Reduzierung Soja-Importe aus Übersee: Donau-Soja oder Europa-Soja

    - Förderung regionaler Eiweißträger: Rapsextrationsschrot, Erbse, Ackerbohne, Maisschlempe

    - Verbesserung der Fruchtfolge durch Substitute

  5. Partnerschaftliches Lieferverhältnis

    - Verträge zwischen 1 – 3 Jahren

    - Persönlicher Kontakt: Hofbesuche, Newsletter, Beratung

    - Boni für Mehraufwand: Tierwohl 12 Euro und VLOG 8 Euro pro Schwein

Aktuell schlachtet Kaufland 2.500 Schweine pro Woche aus dem im September 2018 gestarteten Programm

Über Kaufland-Fleisch

Kaufland lässt bei sieben externen Betrieben in Deutschland schlachten, verarbeitet die Hälften dann aber in fünf eigenen Fleischbetrieben; vier in Deutschland und einem in Tschechien. Insgesamt ist Kaufland in sieben Ländern – insbesondere in Osteuropa – aktiv. An der Übernahme von über 100 real-Märkten, die derzeit zum Verkauf stehen, ist das Unternehmen interessiert.

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.